Freitag, Oktober 18

Die Stadtpolizei hat den Bussenautomat an der Langstrasse stillschweigend abgestellt. Die neue Lösung wird teuer.

Fast scheint es, als habe die Stadt Zürich die Langstrasse für ein absurdes Verkehrsexperiment auserkoren. Ein Experiment, das kein Ende nehmen will.

Erst führt sie im Herbst 2023 ein Fahrverbot auf der Langstrasse auf einer Länge von lediglich 50 Metern ein. Es kommt zu Chaos und Stau in den Quartierstrassen, weil viele Automobilisten das neue Regime nicht verstehen.

Dann beschliessen manche, das Fahrverbot einfach zu ignorieren. Die Stadt installiert eine Kamera. Die Bussenfalle wird zur Goldgrube.

Schliesslich setzt die Stadtpolizei die Kontrolle stillschweigend aus. Seit Juni hat kein einziger von mutmasslich Tausenden fehlbaren Automobilisten pro Monat eine Busse erhalten.

Und nun kündigt die Stadt an, das Fahrverbot klarer zu signalisieren. Kostenpunkt: eine Million Franken. Ein Betrag, mit dem man ein Einfamilienhaus bauen kann.

Was hat es mit all dem auf sich?

Die Stadt erfindet ein Kuriosum

Am Ursprung steht die Idee, die Langstrasse auf einem Teilstück vom Autoverkehr zu befreien, die Velofahrer sollen freie Bahn haben. 2007 findet sie im Stadtparlament Anklang.

Dann dauert es aber geschlagene 16 Jahre, bis die Idee im Herbst 2023 umgesetzt ist. Mit ein Grund für diese Verzögerung ist, dass das geplante Verkehrsregime von Anfang an einen Schönheitsfehler hat.

Will man die Langstrasse freispielen, muss man nämlich den Verkehr um sie herum leiten – direkt in die Quartierstrassen. Die Bevölkerung wird somit stärker vom Verkehr belastet als zuvor.

Die Stadt erfindet eine Lösung: Nachts soll der Verkehr wie bisher auf der Langstrasse rollen, um das Quartier vor Lärm zu schützen. Das neue Regime gilt nur am Tag.

Ein Tagfahrverbot also. Dies ist eine Kuriosität – und wohl der Ursprung der Probleme, mit denen sich die Stadt bis heute herumschlägt.

Denn während sich Automobilisten Nachtfahrverbote gewohnt sind, haben sie offensichtlich Mühe, das Tagfahrverbot zu verstehen. Hundert Franken zahlt jeder fehlbare Automobilist. Im ersten halben Jahr 2024 nimmt die Stadt über fünf Millionen Franken ein.

Dass so viele Automobilisten gebüsst werden, verärgert im Frühling 2024 selbst die rot-grünen Parteien, die das neue Verkehrsregime eingeführt haben. GLP und SP reichen im Mai einen Vorstoss im Stadtparlament ein. Stossrichtung: Die Erträge des Kontrollautomats seien unverhältnismässig, eine bessere Signalisation dränge sich auf.

Die Stadtpolizei nimmt den Kontrollautomat daraufhin ausser Betrieb. Dies machte das SRF-Regionaljournal am Mittwoch bekannt.

Auch punktuelle Kontrollen hat die Stadtpolizei seit Juni keine vorgenommen. Katharina Schorer, Sprecherin des Sicherheitsdepartements, sagt, es sei ein «normaler Vorgang». Auch sonst werde nicht jedes Fahrverbot in der Stadt permanent kontrolliert.

Die Kamera ist nach wie vor in Betrieb: Die Anlage, die die Kontrollschilder erfasst, zählt alle Fahrzeuge, die vorbeikommen. Es werden aber keine Bilder von Kontrollschildern mehr abgespeichert.

Weshalb das automatische Bussenregime ausgesetzt wird, begründet Schorer so: «Es geht uns nicht darum, Geld zu verdienen, sondern das neue Verkehrsregime durchzusetzen.»

Ab sofort gibt es wieder Bussen

Sie betont, die Signalisation des Tagfahrverbots an der Langstrasse sei korrekt. Aber sie sei offensichtlich nicht intuitiv verstanden worden. «Normalerweise ist bei einer neuen Verkehrsführung ein gewisser Lerneffekt erkennbar. Ein solcher war in diesem Fall zwar vorhanden, aber nicht in dem Mass, wie wir es uns vorgestellt hatten.»

Die unbestrafte freie Fahrt gilt allerdings ab sofort nicht mehr. Die Polizei kontrolliert wieder, wenn auch nicht mehr systematisch, sondern nur noch vereinzelt. Der Grund sind laut Sicherheitsdepartement nicht die gegenwärtigen Medienberichte. Vielmehr sei die Zahl der Durchfahrten nach einer Phase der Stagnation zuletzt wieder angestiegen.

Langfristig sollen allerdings nicht Bussen das Problem lösen – sondern eine klarere Signalisation. Die Stadt signalisiert sogenannte Wechselsignale. Sie werden das Fahrverbot nur dann anzeigen, wenn es aktiv ist, also tagsüber. Der Stadtrat hat sich bisher aus Kostengründen gegen diese Lösung gewehrt. Nun hat er sich offenbar umbesonnen.

Die Kosten sind mit einer Million Franken wahrlich beachtlich, zumal es um die Installation von Verkehrsschildern geht. Die Begründung des Sicherheitsdepartements lautet, man müsse mehrere Signale anbringen und Leitungen ziehen. Die Planung laufe «mit Hochdruck», versichert Sprecherin Schorer.

Die neue Signalisation soll unmissverständlich sein. Und das Langstrasse-Problem lösen. Ein für alle Mal.

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