Sonntag, November 17

Für die Schweizer Fussballer folgt auf den starken EM-Sommer ein siegloser Herbst. Spätestens nach dem 1:1 gegen Serbien wird deutlich: Der notwendige Umbruch ist bisher nur Stückwerk.

Am Ende standen sie da, die Schweizer Nationalspieler und ihre Betreuer: bedröppelt, enttäuscht, abgestiegen.

Es hat durchaus Momente gegeben im Match gegen Serbien, in denen im ausverkauften Letzigrundstadion so etwas wie Leidenschaft und Freude aufgekommen ist. Nach dem Treffer von Zeki Amdouni erhob sich fast das ganze Publikum und feuerte die Schweizer für die Schlussviertelstunde an, nachdem Gregor Kobel kurz vor der Schweizer Führung den Penalty von Aleksandar Mitrovic abgewehrt hatte. «Hopp Schweiz!»

Es waren in der kalten Zürcher Nacht verführerische Momente. Sie erinnerten an den warmen EM-Sommer – an die Momente, als die Schweizer gegen derangierte Italiener das ganze Land euphorisierten, als Xherdan Shaqiri einen Corner beinahe direkt verwandelte, als die Schweizer in Düsseldorf erst im Penaltyschiessen gegen England den Halbfinal verpassten. Schöne Erinnerungen. Sie waren von kurzer Dauer.

Zielvorgabe schnörkellos nach unten korrigiert

Die Serben bestraften die naiven Schweizer nach einem humorlosen Konter mit dem Ausgleich und besiegelten noch vor dem letzten Spiel am Montag gegen Spanien den Abstieg der Auswahl von Nationaltrainer Murat Yakin.

Natürlich ist der Abstieg «kein Beinbruch», wie das Yakin im Vorfeld des Matches wiederholt gesagt hat. Die Nations League hat nicht nur beim Publikum keinen vergleichbaren Stellenwert wie ein Endrundenturnier. Aber das Ziel der Verantwortlichen war ein anderes gewesen, als in Kopenhagen gegen Dänemark die erste Partie bevorstand. Yakin hatte im September gesagt: «Wir wollen uns für die Play-offs ins Finalturnier qualifizieren.» Also mindestens den zweiten Platz erreichen.

Es war die Zielvorgabe eines Trainers, der vom EM-Erfolg gestärkt das Selbstverständnis an den Tag legte, dass er, belohnt mit deutlich höher dotiertem Vertrag, mit dem Staff nach seinen Vorstellungen auf dem gleichen Weg weitermacht wie bisher.

Yakins Vorgesetzter, der Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami, hat sich gefreut über die Ansage des Trainers. Tami hat aber schon damals relativierend gemeint, dass eigentlich der Verbleib unter den besten 16 Teams im Vordergrund stehe.

So begann sich die Rhetorik von Niederlage zu Niederlage, von Remis zu Remis zu verändern: Wurde am Anfang von der Finalteilnahme gesprochen, redete Yakin fünf sieglose Spiele später über den Abstieg, der im Moment schmerze, aber nicht so schlimm sei. Man muss sich eben der Situation anpassen.

Anpassungsfähigkeit ist eine gute Eigenschaft. Sie sollte nicht mit Ziellosigkeit verwechselt werden. Aber sie liegen nahe beieinander. Und so wie die Dinge zurzeit liegen im Nationalteam, scheinen sich Anpassungsfähigkeit und Ziellosigkeit gerade zu vermischen.

Diesen Eindruck musste gewinnen, wer sich Yakins Lobrede über «die vielen neuen Möglichkeiten» anhörte. Er lobte reaktivierte Spieler wie Noah Okafor, Kevin Mbabu, Edimilson Fernandes oder Eray Cömert, und er hob einen Debütanten wie Aurèle Amenda in den Verteidiger-Himmel.

Gerade bei Amenda stellt sich beispielhaft die Frage, was für den jungen Spieler perspektivisch das Ziel sein soll im Umbruch der Mannschaft. Ist Amenda der Spieler, der neben Manuel Akanji künftig in der Abwehr steht? Wird er aufgebaut, traut ihm der Trainer den Weg zu, gibt er ihm das nötige Vertrauen? Oder passt sich der Coach einfach der Situation an, dass die anderen Verteidiger unpässlich sind?

Im ersten Aufgebot nach der EM stand jedenfalls der 29-jährige Grégory Wüthrich, nicht Amenda. Er ist jetzt ins Kader gerückt, weil in der Verteidigung Manuel Akanji, Nico Elvedi, Becir Omeragic, Wüthrich und andere verletzt fehlen. Beim Einstand gab der 21-Jährige durchaus eine Talentprobe ab, spielte aber alles andere als fehlerfrei und war gegen einen Weltklassestürmer wie Dusan Vlahovic mehr als einmal überfordert. Zudem ist Amenda bei Eintracht Frankfurt ohne viel Spielpraxis erst in der Angewöhnungszeit. Wegen einer Knieprellung ist Amenda am Samstag wieder zum Klub gereist und darf sich dort fragen, was er mit Yakins Lob anfangen soll.

Was ganz generell mit dem Abstieg anzufangen ist, wird nun die Frage sein, die nach dem bedeutungslosen Match am Montag den Trainer und die Mannschaft beschäftigen müsste. Dazu gehört die Einsicht, dass auch die beste Leistung seit der EM nicht genügt hat, um Serbien zu besiegen.

Ohne Sommer, Schär und Shaqiri fehlt die Balance

Yakin war nicht der Einzige, der sich von zwei Schüssen an die Torumrandung, drei weiteren Torchancen und viel Ballbesitz dazu verführen liess, vom fehlenden Quentchen Glück zu sprechen und davon, dass die Richtung stimme. Auch der Captain Granit Xhaka war der Ansicht, dass man für eine gute Leistung nicht mit dem Sieg belohnt worden sei. Immerhin war von Remo Freuler zu hören, dass man nicht gegen Serbien, sondern in den Spielen davor ungenügend gespielt habe. «Das müssen wir genau analysieren», sagte Freuler.

Zur Analyse gehört, dass Yakin kein neues Gleichgewicht gefunden hat nach den Rücktritten von Yann Sommer, Fabian Schär und Xherdan Shaqiri. Das zeigte sich etwa darin, dass sich die Mannschaft wie beim Gegentreffer der Serben schon davor dreimal mit einem Konter überlisten liess: gegen Spanien gleich zweimal, zudem in Überzahl.

Die Balance zwischen Risiko und Sicherheit stimmt nicht. Um die Mittelachse mit Goalie Kobel, Akanji und Xhaka hat sich wenig entwickelt ausser «Optionen», die mal Amenda oder Wüthrich heissen, mal Dereck Kutesa oder Christian Witzig. Auch Breel Embolo fehlt Konstanz und Präzision, um das Spiel auf ihn auszurichten.

So hat die Nations-League-Kampagne nie den Eindruck erwecken können, dass die bisherigen fünf Spiele dafür genutzt worden sind, die Weichen zu stellen für eine erfolgreiche Qualifikation für das WM-Turnier in den USA 2026. Immerhin werden die Schweizer mit grösster Wahrscheinlichkeit in Topf 1 bleiben, wenn am 13. Dezember in Zürich die Qualifikationsgruppen ausgelost werden. Das bedeutet, dass die Hürde nicht so hoch ist, wie sie mit Topnationen wie Spanien, Deutschland oder Frankreich wäre. Auch mit Nationen in der Gewichtsklasse von Weissrussland, Kosovo oder Rumänien wäre die Hürde Herausforderung genug für die Schweizer Fussballer.

Bedröppelt, enttäuscht, seit 2014 zum ersten Mal nicht für eine Finalrunde qualifiziert – so wollen sie in einem Jahr nicht dastehen.

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