Donnerstag, September 19

Der Bund hat am Montag die korrigierten Finanzperspektiven für die AHV veröffentlicht. Ohne Gegenmassnahmen würde sich der Fonds bis Ende der 2030er Jahre leeren. Jetzt beginnt der grosse Streit um die Steuererhöhung für die 13. Rente.

Minus 7,5 Milliarden, minus 4,2 Milliarden, minus 5,3 Milliarden: Nein, das ist nicht der jüngste Albtraum der von Defiziten geplagten Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Die Zahlen beschreiben den Verlauf der amtlichen Schätzungen für die AHV im Jahre 2033. Bis im Frühjahr ging man im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) von einem Defizit in der Umlagefinanzierung der AHV von 7,5 Milliarden Franken aus.

Dann, nach irritierend langem Zögern, liess das Amt Anfang August die Bombe platzen: Man hatte die Ausgaben wegen zweier fehlerhafter Formeln zu hoch geschätzt. Nach der Korrektur erwartete das BSV gemäss provisorischen Zahlen für das Jahr 2033 noch eine Finanzierungslücke von 4,2 Milliarden.

Am Montag nun hat das Amt die definitiven Zahlen präsentiert. Und diese sehen wieder etwas weniger gut aus als im August, aber immer noch deutlich besser als im Frühling: Für das Jahr 2033 wird ein Minus von 5,3 Milliarden erwartet. Die neuen Perspektiven reichen bis ins Jahr 2040.

Es ist weiterhin davon auszugehen, dass wegen der anhaltenden Pensionierungswelle und der Einführung der 13. Rente die jährlichen Fehlbeträge sukzessive anwachsen werden. Ende der 2030er Jahre dürften die Defizite zwischen 5,8 und 6,8 Milliarden Franken liegen. Auch dies ist eine deutliche Verbesserung gegenüber den älteren Prognosen, die für diesen Zeitraum Lücken im Umfang von bis zu 11 Milliarden erwarten liessen.

Die AHV bleibt ein Sanierungsfall

Was bedeutet das nun politisch? Die AHV ist weiterhin ein Sanierungsfall, doch der Druck ist sowohl zeitlich als auch finanziell geringer als bis vor kurzem angenommen. Kurzfristig stellt sich die Frage, ob und wie das Parlament eine separate Zusatzfinanzierung für die 13. Rente beschliessen wird. Diese muss ab 2026 ausbezahlt werden, was in der AHV laut den neuen Zahlen von Beginn weg zu Umlagedefiziten führen wird. Zählt man die erhofften Kapitalerträge des AHV-Fonds dazu, lässt sich ein effektiver Verlust voraussichtlich noch vermeiden – aber nur im ersten Jahr.

Ab 2027 ist jedoch auch bei dieser Betrachtung mit einem Rückgang der Reserven des Fonds zu rechnen. Tatsächlich lassen die neuen Zahlen erahnen, was passieren dürfte, wenn die Politik langfristig untätig bleiben oder das Volk sämtliche Reformen ablehnen würde: In diesem Fall würde der Stand des AHV-Fonds sukzessive sinken. Heute beträgt sein Kapital 53 Milliarden Franken, in zehn Jahren wären es voraussichtlich noch 34 Milliarden, 2040 wäre der Fonds leer.

Aber so weit wird es nicht kommen, das Sozialwerk würde schon früher in ernsthafte Liquiditätsengpässe geraten. Damit wäre nicht mehr sichergestellt, dass sämtliche Ausgleichskassen immer in der Lage sind, jeden Monat alle Renten pünktlich zu überweisen. Dass der Bund einer solchen Entwicklung tatenlos zuschauen würde, ist praktisch ausgeschlossen. Der politische Druck wäre viel zu gross. Im Extremfall würde er vermutlich per Notrecht Milliarden einschiessen.

Bald schon 8,8 Prozent Mehrwertsteuer?

Um ein solches Horrorszenario zu verhindern, will der Bundesrat auf Nummer sicher gehen. Just am Freitag hat er seine Absicht bekräftigt, für die 13. AHV-Rente eine separate Finanzierung zu beschliessen, um die höheren Ausgaben von Beginn weg zu kompensieren. Allerdings ist der Plan heftig umstritten. Der Bundesrat will die Mehrwertsteuer um 0,7 Prozentpunkte erhöhen, womit der Normalsatz von 8,1 auf 8,8 Prozent steigen würde. Die Konsumenten müssten damit jährlich rund 2,5 Milliarden Franken zusätzlich an die AHV abliefern.

Die Linke lehnt diesen Vorschlag ab, weil sie ihn als unsozial erachtet. Sie möchte stattdessen die Lohnbeiträge erhöhen, womit die Umverteilung von hohen zu tiefen Einkommen stärker zunehmen würde. Dasselbe gilt jedoch auch für die Querfinanzierung zwischen den Generationen, weil von einer Erhöhung der Lohnbeiträge lediglich die erwerbstätigen Altersgruppen und die Arbeitgeber betroffen wären, nicht aber die Pensionierten.

Ganz anders im rechten Lager: FDP und SVP sprechen sich grundsätzlich gegen eine separate Zusatzfinanzierung für die 13. Rente aus. Aus ihrer Sicht müsste der Bundesrat für die AHV eine Gesamtschau präsentieren, die nicht nur auf die Kosten der 13. Rente eingeht, sondern auch aufzeigt, wie man mit den grundlegenden demografischen Verschiebungen umgehen will. Tatsächlich ist unbestritten, dass schon bald eine weitere Reform notwendig ist. Selbst wenn die Steuererhöhung für die 13. Rente eine Mehrheit findet, schreibt die AHV laut den neuen Zahlen voraussichtlich ab 2030 wiederum wachsende Defizite.

Die Mitte macht mit

Der Bundesrat plant in zwei Schritten: zuerst eine Steuererhöhung für die 13. Rente, danach gegen Ende 2026 eine umfassende Reformvorlage, die auch strukturelle Elemente wie eine Erhöhung des Rentenalters umfassen könnte. FDP und SVP hingegen möchten die grosse Vorlage zeitlich vorziehen und alle offenen Fragen in einem Paket angehen, um eine ausgewogene Lösung zu ermöglichen.

Und doch könnte der Plan des Bundesrats aufgehen. Er hat jene Partei auf seiner Seite, auf die es im Parlament ankommt: Die Mitte hat sich bis anhin positiv zu den Absichten des Bundesrats geäussert, sie steht auch hinter dem Vorschlag, die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Damit hat diese Option im Bundeshaus intakte Chancen. Das allein genügt jedoch nicht. Weil die Sätze der Mehrwertsteuer in der Verfassung festgeschrieben sind, werden Volk und Stände in einer obligatorischen Abstimmung das letzte Wort haben.

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