Am Tag nach dem iranischen Angriff auf Israel herrscht im Nahen Ostens grosse Anspannung. In Libanon dominiert die Angst vor einem Gegenschlag, Jordanien hat Dutzende Drohnen abgeschossen und die Golfstaaten halten sich vorerst zurück.

Es war eine laue Frühlingsnacht, als mit einem Mal Flugkörper über Beirut auftauchten. Videos, welche libanesische Nutzer in den sozialen Netzwerken hochluden, zeigten sich rasch bewegende, leuchtende Punkte am Nachthimmel. Sie gehörten möglicherweise zu jenen Drohnen, welche Iran früher am Abend zu Hunderten in Richtung Israel losgeschickt hatte – oder aber zu den Abfangraketen, die sie vom Himmel holten.

Inzwischen ist klar, dass es den Israeli und ihren Verbündeten offenbar gelungen war, so gut wie alle Angriffsobjekte unschädlich zu machen. Trotzdem herrscht in weiten Teilen des Nahen Osten Angst vor der möglichen Reaktion Israels – und einer damit verbundenen, möglichen weiteren Eskalation, welche im schlimmsten Fall sogar zu einem regionalen Krieg führen könnte. Kaum, so scheint es, stand die Region so nahe am Abgrund wie jetzt.

In Iran hingegen zeigt man sich offenbar erfreut über das Resultat des Angriffs. Bereits in der Nacht verbreitete Teheran Erfolgsmeldungen. «Unsere Kräfte haben dem zionistischen Feind eine Lektion erteilt», sagte Präsident Ebrahim Raisi dann am Sonntag. Bilder aus der iranischen Hauptstadt zeigten zudem begeisterte Anhänger des Regimes, die sich schon in der Nacht zu angeblich spontanen Freudenkundgebungen versammelt hatten.

Eine Mischung aus Angst und Erleichterung

Gleichzeitig kündigte die Regierung der islamischen Republik an, dass ihre lange angekündigte Vergeltungsaktion für den mutmasslich israelischen Angriff auf ihr Konsulat in Damaskus damit beendet wäre. Zudem warnte das Regime Israel jedoch vor einem Gegenschlag. «Unsere Reaktion wird viel grösser sein, sollte Israel nun zurückschlagen», sagte ein Militärvertreter Teherans am Sonntag dem iranischen Staatsfernsehen.

In den übrigen Ländern des Nahen Ostens trägt dies entsprechend wenig zur Beruhigung der Gemüter bei. In Libanon etwa herrschte am Morgen nach dem Angriff eine Mischung aus Erleichterung und Angst. Einerseits sind viele Libanesen froh darüber, dass der Hizbullah – Teherans schwer bewaffnete Verbündete in dem Levante-Staat – an den Angriffen nicht beteiligt war. Andererseits weiss aber keiner, ob das auch so bleibt.

Zwar schossen die Schiitenkämpfer in der Nacht ebenfalls Raketen von Libanon auf Israel ab, allerdings nur in begrenztem Masse und offenbar nicht in Koordination mit Teheran. Trotzdem fürchten viele Libanesen, dass sie früher oder später in einen grösseren Schlagabtausch mit hineingezogen werden könnten. Denn der Hizbullah ist Irans stärkste Waffe in der Region und könnte auch Ziel eines möglichen israelischen Gegenschlags sein.

Jordanien holte offenbar Dutzende Drohnen vom Himmel

Bereits vor der Angriffswelle von letzter Nacht hatten allerdings immer mehr Libanesen ihren Unmut gegenüber Iran und dessen lokalen Verbündeten zum Ausdruck gebracht, welche seit Monaten in einen Grenzkrieg mit Israel verwickelt sind. Anhänger des Hizbullah hingegen freuten sich über den Angriff ihrer Teheraner Sponsoren und gingen in der Nacht auf Sonntag in der von ihnen beherrschten südlichen Vorstadt von Beirut zur Unterstützung Irans auf die Strasse.

An diesen Stellen durchdrangen iranische Raketen die israelische Luftabwehr

Von unabhängigen Stellen verifizierte Aufschlagsstellen iranischer Raketen, alle Drohnen wurden abgefangen

In Jordanien wiederum hatte sich die Armee offenbar aktiv an den Abwehrmassnahmen gegen den iranischen Angriff beteiligt. Bereits am frühen Samstagabend hatte das Königreich bereits seinen Luftraum geschlossen. Später holte dessen Luftwaffe dann offenbar Dutzende Drohnen vom Himmel. Amman begründete die Abschüsse mit dem Schutz des eigenen Territoriums.

Andere arabische Staaten stellen sich entweder indirekt oder direkt auf die Seite Teherans. Während der Irak die iranischen Geschosse offenbar ungehindert über sein Staatsgebiet passieren liess, stellte sich Syrien demonstrativ hinter seine Teheraner Verbündeten und bereitete sich in der Nacht offenbar bereits auf israelische Gegenschläge vor. Algerien erklärte zudem als erstes Land der Region Teheran noch in der Nacht seine volle Unterstützung zu.

Bilder, die in Erinnerung bleiben werden

Die Golfstaaten hingegen äusserten sich bisher nur vage zu dem Angriff. Saudiarabien – welches bis vor kurzem noch mit einer Annäherung an Israel flirtete und mit dem Iran verfeindet ist – beteiligte sich laut eigenen Angaben nicht an den Abwehrmassnahmen. Das Königreich rief in einer Mitteilung bloss zur Mässigung auf – und warnte vor einem regionalen Krieg. Ähnliche Töne kamen aus den Hauptstädten Katars und der Vereinigten Arabischen Emirate.

Offenbar schrecken viele arabische Staaten trotz ihrer Abneigung gegenüber Iran davor zurück, sich allzu laut gegen Teheran zu positionieren. Zu viel Wut hat sich angesichts des Gaza-Krieges innerhalb ihrer Bevölkerungen gegen Israel angestaut. So kam es etwa in Jordanien zuletzt immer wieder zu pro-palästinensischen Demonstrationen. Auf den sozialen Netzwerken wurden Videos der iranischen Drohnenangriffe zudem vielerorts begeistert geteilt.

Denn auch wenn der militärische Wert der gestrigen Angriffswelle am Ende gering gewesen sein mag, so gelang es Teheran damit trotz allem, sich in Teilen der arabischen Öffentlichkeit als Kämpfer gegen das verhasste Israel und als wahrere Verteidiger der Palästinenser zu präsentieren. Die Bilder der iranischen Raketen und Drohnen am Himmel über Jerusalem dürften bei vielen bereits jetzt einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.

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