Dienstag, Oktober 8

Nach der Pleite des Immobilienkonzerns Evergrande prüfen chinesische Behörden die Beteiligung der Beratungsfirma PwC an dem Skandal. Eine Sperre wäre das bisher härteste Vorgehen gegen eine der «Big Four».

Die Pleite des chinesischen Immobilienunternehmens Evergrande zieht weitere Kreise. So droht der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma PwC offenbar ein sechsmonatiges Geschäftsverbot in China. Laut einem Bericht der «Financial Times» schrieb das Unternehmen in einer Nachricht an seine Kunden, man fürchte, bereits ab September mit einer Sperre belegt zu werden. Es wäre das bisher härteste Vorgehen der chinesischen Behörden gegen eine der «Big Four»-Beratungsfirmen, zu denen noch Deloitte, EY und KPMG gezählt werden.

Der Fall Evergrande gilt als einer der grössten Finanzskandale in China. Anfang des Jahres hatte ein Hongkonger Gericht entschieden, dass der einst grösste Immobilienentwickler des Landes liquidiert werden muss. Staatliche Behörden beschuldigen das hoch verschuldete Unternehmen, seine Bilanzen in den Jahren 2019 und 2020 künstlich aufgebläht zu haben.

Die chinesische Niederlassung von PwC war fast 14 Jahre lang Prüferin von Evergrande und hatte die Abschlüsse stets ohne Bedenken testiert. Die Haupteinheit von Evergrande wurde wegen des Skandals bereits mit einem Bussgeld belegt, nun nehmen chinesische Behörden die Arbeit von PwC unter die Lupe.

PwC verliert reihenweise chinesische Kunden

Neben der Sperre droht PwC China mutmasslich eine hohe Geldstrafe. Auch wenn das Überleben der Gesellschaft dadurch nicht bedroht sein dürfte, hätte eine sechsmonatige Sperre ab September grosse Auswirkungen auf das Geschäft. Zwar hat PwC China seinen Kunden laut der «Financial Times» versichert, dass die Mitarbeiter während der Sperre weiterarbeiten und nach deren Aufhebung im März die Jahresberichte 2024 zertifizieren könnten. Während der Dauer der Sperre ist eine offizielle Genehmigung der Abschlüsse jedoch nicht möglich, ebenso wenig wie etwa die Begleitung von Börsengängen.

Wegen der Evergrande-Krise hat PwC in China bereits zahlreiche Kunden verloren. Laut Medienberichten fordern die Behörden staatliche Unternehmen seit April dazu auf, die Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma zu beenden. Eine Auswertung der Nachrichtenagentur Reuters zeigt, dass mindestens 50 chinesische Unternehmen bestehende Aufträge storniert oder Pläne für ein Engagement zurückgezogen haben.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die Bank of China, der grösste Kunde von PwC in China, seinem langjährigen Prüfer das Vertrauen entzogen hat. Nach Berechnungen des chinesischen Finanzdienstes Wind hat PwC bisher rund zwei Drittel seines Umsatz verloren, den es mit der Prüfung von börsennotierten staatlichen Firmen auf dem chinesischen Festland erzielt. Das sind umgerechnet rund 80 Millionen Dollar.

Das ist zwar nur ein kleiner Teil des Gesamtumsatzes von PwC China, der inklusive der Beratungsgeschäfte 2023 bei rund 1,1 Milliarden Dollar lag. Grosse internationale Kunden wie die Internetgiganten Alibaba und Tencent sind für die Umsätze des Unternehmens deutlich wichtiger. Dennoch muss das Unternehmen wohl als Reaktion darauf seine Kosten senken. Bis zur Hälfte der rund 2000 Stellen im Bereich Finanzdienstleistungen könnten bei PwC in China gestrichen werden, berichtet Reuters.

Aufsichtsbehörden gehen härter gegen Prüfer vor

Die Krise bei Evergrande lastet schwer auf dem chinesischen Immobiliensektor. Seit das Unternehmen im Dezember 2021 eine erste Anleihe nicht mehr bedienen konnte, kamen fünfzig weitere Immobilienkonzerne ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nach. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. So gingen die Verkäufe von Neuwohnungen im vergangenen Jahr um sechs Prozent zurück, und die Wohnungspreise fallen auch in den grössten Städten wie Peking, Schanghai und Shenzhen weiter.

Zahlreiche Skandale und Unstimmigkeiten in Chinas Banken- und Finanzdienstleistungssektor, die über den Evergrande-Skandal hinausgehen, haben in letzter Zeit dazu geführt, dass China eine härtere Gangart gegenüber Wirtschaftsprüfern wählte. Anfang 2023 hatte das Finanzministerium in Peking mitgeteilt, die Regulierung dieses Sektors verschärfen zu wollen.

Im selben Jahr wurde die Pekinger Niederlassung von Deloitte mit einer Geldstrafe und einem auf drei Monate befristeten Geschäftsverbot belegt. Örtliche Behörden hatten Deloitte Fehler bei der Prüfung des Finanzdienstleisters China Huarong Asset Management vorgeworfen. Für Deloitte dürften die Auswirkungen dieser Busse noch länger spürbar sein: Chinas Aufsichtsbehörden fordern staatseigene und börsennotierte Unternehmen dazu auf, bei der Beauftragung von Wirtschaftsprüfern, die in den vergangenen drei Jahren Strafen erhalten haben, «äusserst vorsichtig» zu sein.

Doch nicht nur in China gehen Aufsichtsbehörden gegen Wirtschaftsprüfer vor, wenn diese bei der Prüfung zu nachlässig waren. So verhängten die zuständigen deutschen Aufsichtsbehörden vergangenes Jahr ein zweijähriges Verbot von «Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse» gegen EY. Die Beratungsfirma hatte die Bilanzen im Betrugsfall Wirecard über Jahre hinweg uneingeschränkt testiert, am Ende waren 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar. Bis Ende des Verbots darf EY nun keine neuen Mandate in diesem Bereich mehr annehmen.

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