Mittwoch, Februar 5

15 Privatpersonen haben eine Beschwerde gegen Leibstadt und das Departement von Albert Rösti eingereicht. Sie verlangen eine Prüfung der Umweltfolgen, bevor der Reaktor in den Langzeitbetrieb geht. Tatkräftig unterstützt werden sie von mehreren Umweltorganisationen.

Im letzten Jahr gelang Greenpeace ein Coup, der weltweit für Aufsehen sorgte: Die Nichtregierungsorganisation (NGO) liess eine Gruppe von Rentnerinnen gegen die Schweiz klagen; mit einer geschickten Polit- und PR-Kampagne erwirkte sie schliesslich das Klima-Urteil in Strassburg.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Nun will Greenpeace gemeinsam mit der Schweizerischen Energiestiftung (SES) und dem trinationalen Atomschutzverband erneut mit einem Rechtsfall mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Die Umweltorganisation organisiert die gerichtlichen Beschwerden von einer Gruppe Privatpersonen und finanziert diese mit. «Prozess Leibstadt» heisst die Mission – abgesehen haben es die atomkritischen NGO dieses Mal auf die Kernkraft.

Sekundiert von den Kampagnenprofis der NGO haben 15 Anwohnerinnen und Anwohner vergangene Woche eine Beschwerde gegen das Kernkraftwerk Leibstadt und das Departement von Albert Rösti beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Da Leibstadt nunmehr seit vierzig Jahren am Netz ist und der Betrieb um weitere zwanzig Jahre verlängert werden soll, verlangen sie eine «grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung», bei der die betroffene Bevölkerung Mitsprache erhält. Erst dann dürfe der Nuklearmeiler in den Langzeitbetrieb gehen.

Atomkritiker der ersten Stunde an Bord

Die NGO richten den inszenierten Bürgerprotest mit der grossen Kelle an. An der Pressekonferenz halten nicht weniger als sieben Personen ein Referat, unter ihnen etwa der Biobauer Hans Peter Meier, der schon in den 1980er Jahren an den Protesten gegen Kaiseraugst teilgenommen hatte und es eigentlich lieber hätte, wenn Leibstadt sofort der Stecker gezogen würde. Oder Hans-Eugen Tritschler aus Laufenburg in Deutschland: Das Kernkraftwerk stehe gleich an der Grenze, sagt er. Die Folgen eines Unfalls würden daher auch Süddeutschland betreffen. Und deshalb sollten auch die Leute dort befragt werden.

Doch was müsste überhaupt überprüft werden? Gemäss dem Greenpeace-Vertreter Florian Kasser sind das etwa die Folgen des enormen Wasserverbrauchs des Kernkraftwerks Leibstadt. Jährlich würden bis zu 75 Millionen Kubikmeter Wasser aus dem Rhein entnommen, was etwa der Hälfte des jährlichen Trinkwasserverbrauchs des Kantons Zürich entspreche. Dieses Wasser werde erwärmt und mit Chemikalien versetzt, ohne dass die Auswirkungen auf die Umwelt geklärt seien.

Ebenfalls müsse genauer untersucht werden, wie sich Störfälle auf die Umwelt auswirken könnten, betont Kasser. Es stelle sich etwa die Frage, was es für den Rhein bedeuten würde, wenn für längere Zeit radioaktives Wasser eingeleitet werden müsste. Bei der Planung des Kernkraftwerks Leibstadt wurde keine solche Prüfung durchgeführt.

Wie schon bei den Klimaseniorinnen werfen Greenpeace und Co. der Schweiz völkerrechtswidriges Verhalten vor. Diese habe sich unter den Aarhus- und Espoo-Konventionen dazu verpflichtet, nachteilige Umweltauswirkungen zu überwachen und zu verhindern. Auch sei der Betrieb eines Kernkraftwerks über vierzig Jahre hinaus gemäss diesen Übereinkommen als Laufzeitverlängerung («Lifetime Extension») zu qualifizieren, was die Betreiber zu einer grenzüberschreitenden Überprüfung mit Beteiligung der Öffentlichkeit verpflichte.

Laut der SES-Vertreterin Stephanie-Christine Eger ist es in anderen europäischen Ländern Usus, dass die Umweltfolgen des Atomparks bei Laufzeitverlängerungen mit grossem Aufwand überprüft werden, so etwa in Belgien und den Niederlanden. Auch sei vor kurzem eine solche Verpflichtung beim tschechischen Kernkraftwerk Dukovany bestätigt worden.

Aus Sicht des Bundesrats stellt sich die Frage nach einer Überprüfung der Umweltfolgen des Kernkraftwerks nicht. Grundsätzlich ist der Betrieb von Kernkraftwerken in der Schweiz möglich, solange dieser von der Aufsichtsbehörde Ensi als sicher beurteilt wird. Da es für Schweizer AKW keine Laufzeitbeschränkung gebe, könne von einer Laufzeitverlängerung keine Rede sein, heisst es in einer früheren Stellungnahme des Bundesrats. Das Departement des Umweltministers Albert Rösti hatte im Dezember 2024 ein entsprechendes Gesuch der Anwohner denn auch abgelehnt. Davor hatten die Anwohner wegen Rechtsverzögerung geklagt.

Auf Anfrage erklärt der Bund, dass man die Beschwerde zur Kenntnis nehme. Da es sich um ein laufendes Verfahren handle, könne man sich gegenüber der Öffentlichkeit nicht dazu äussern, so Marianne Zünd, Sprecherin des Bundesamtes für Energie (BfE). Man werde sich im Rahmen des Verfahrens gegenüber dem zuständigen Gericht äussern, sobald man dazu aufgefordert werde.

1,7 Milliarden in Erneuerung investiert

Die Betreibergesellschaft des AKW Leibstadt hält fest, sie habe seit der Inbetriebnahme im Jahr 1984 rund 1,7 Milliarden Franken in die Instandhaltung und Erneuerung der Anlage investiert. Vor zwei Jahren habe man zudem einen umfassenden Sicherheitsnachweis für den Langzeitbetrieb der einzelnen Anlageteile beim Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) eingereicht. Damit erfülle das AKW Leibstadt alle Anforderungen für einen sicheren Langzeitbetrieb.

Geplant ist, dass Leibstadt bis mindestens 2045 Strom produziert. In den nächsten zehn Jahren soll dafür eine weitere Milliarde investiert werden.

Exit mobile version