Sonntag, Oktober 6

Bleibt er Nationalcoach, wird er deutlich mehr verdienen als bisher. Schon Ende der kommenden Woche soll die Vertragsverlängerung kommuniziert werden. Und sein Wunschassistent Giorgio Contini könnte bleiben.

Kann das gut kommen mit diesem Nationaltrainer? So lautete die bange Frage am Anfang des Jahres, als Murat Yakin nach Wochen des internen und öffentlichen Zweifels die EM-Vorbereitung mit zwei Testspielen in Angriff nahm. Nach dem Viertelfinal-Ausscheiden nach Penaltyschiessen gegen England am Samstag lautet die Antwort fünf Monate später kurz und bündig: Ja, es ist gut herausgekommen mit Yakin und der Schweizer Auswahl.

Stellt man nicht nur den Vorstoss unter die besten acht europäischen Teams in Rechnung, sondern auch die Art und Weise, wie Yakin und seine Mannschaft am Turnier in Deutschland aufgetreten sind, ist es sogar sehr gut herausgekommen mit den Schweizern und ihrem Trainer.

Es spielt Yakin in die Karten, dass er sich mit der Mannschaft an der EM in bester Verfassung präsentiert hat

Sie zeigten optimistischen, klugen Fussball, traten als starkes Kollektiv auf und überraschten mit frischen Ideen und neuen Spielern wie Dan Ndoye, Fabian Rieder, Kwadwo Duah oder Michel Aebischer. Manuel Akanji und der Captain Granit Xhaka zeigten Weltklasseleistungen. In den drei Spielen gegen die grossen Fussballnationen Deutschland, Italien und England präsentierten sich die Schweizer in bester Verfassung – und hatten schliesslich erst in der bitteren Ausmarchung vom Elfmeterpunkt das Nachsehen.

Vielleicht ist es der einzige Vorwurf, den sich die Schweizer machen müssen: Es wäre mehr möglich gewesen gegen die Engländer, die sich auch im Viertelfinal nicht von dem Verdacht befreien konnten, kein Team zu stellen, sondern eine Ansammlung von Individualisten. Aber während Xherdan Shaqiri im zweiten Gruppenspiel gegen Schottland noch ein Zaubertor in den Winkel gelang, prallte sein Corner in der 117. Minute statt ins Tor ans Lattenkreuz. Auch das Spielglück war mit den Schweizern nicht grosszügig genug für den historischen Halbfinal-Exploit.

Immerhin: Es war vor dem Turnier nicht abzusehen, dass ein solcher Exploit überhaupt in den Bereich des Möglichen rücken könnte. Aber spätestens mit dem famosen 2:0-Sieg gegen Italien hat die Mannschaft die Schweiz für ein paar Tage mit dem Traum beschenkt, dass sich vielleicht die Grenzen für das kleine Fussballland verschieben lassen.

«Der Ärger ist natürlich gross», sagte Yakin am Tag nach dem Ausscheiden, «eine einzige Unaufmerksamkeit hat uns die Möglichkeit genommen weiterzuträumen.» Am gleichen Termin sagte Yakin auf die Frage, ob der nächste Schritt nun der WM-Titel sei wie für Julian Nagelsmann und seine Deutschen: «Wir sind immer noch die Schweiz. Wir nehmen alles Schritt für Schritt. Wir können uns nicht mit den grossen Ländern vergleichen.»

Auch wenn am Samstag der Halbfinal- oder gar der Final-Traum geplatzt ist, ist es das Schönste, was einer Nationalmannschaft gelingen kann: Sie bringt die Menschen eines ganzen Landes hinter sich und schafft es, für ein paar Stunden Zusammengehörigkeit zu stiften mit Momenten, an die man sich später einmal erinnern wird. Das haben Yakin und die Spieler hinbekommen. Yakin sagte am Sonntag: «Ich glaube, wir haben alles richtig gemacht.»

Für den Nationalmannschaftsdirektor gibt es nur den Plan A mit Murat Yakin und Giorgio Contini

Eigentlich deutet alles darauf hin, dass Yakin Nationaltrainer bleibt und im Herbst das Team in der Nations League auf die Qualifikation für die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko vorbereiten wird. Im März hatte Yakin das Angebot für eine Vertragsverlängerung ausgeschlagen; Yakin soll irritiert gewesen sein über die Klausel, dass die Verlängerung nur in Kraft tritt, wenn er an der EM den Viertelfinal erreicht. «Ich habe mich nie auf Papier verlassen, sondern auf mein Gefühl und das Gespür, ob ein Vertrauensverhältnis besteht», sagte Yakin am Sonntag auf die Frage, ob er weitermachen werde.

Der Trainer hat sich mit der erfolgreichen EM-Kampagne in eine gute Verhandlungsposition manövriert, wenn in den kommenden Tagen über Lohn und Prämien verhandelt wird. Die Aufmerksamkeit von reichen Klubs, vor allem aus dem arabischen Raum, ist geweckt. Das würde das Vielfache von dem ins Spiel bringen, was der Fussballverband bieten kann. Kolportiert wird, dass Yakin 600 000 Franken Jahreslohn vom Verband bezieht. Dieser dürfte sich auf einen siebenstelligen Betrag erhöhen, falls es zu einer Verlängerung kommt.

«Ich führe keine Gespräche mit Vereinen oder Beratern», sagte Yakin am Sonntag, es sei nach wie vor eine grosse Ehre, vor drei Jahren die Chance als Nationaltrainer erhalten zu haben. Und schickte gleich die Bemerkung hinterher: «Ich habe mit der WM- und mit der EM-Qualifikation alle Vorgaben erfüllt.» Für Yakin steht auch ausser Frage, dass er mit dem Interims-Assistenten Giorgio Contini an seiner Seite weitermachen will. Das Gleiche gilt für den Nationalmannschaftsdirektor Pierluigi Tami: «Für mich gibt es nach wie vor nur einen Plan A – er heisst Murat Yakin, mit Giorgio Contini.»

Contini wird sich gut überlegen, ob er seine ursprüngliche Absicht zurückstellen will, in der kommenden Saison wieder als Cheftrainer ein Klubteam zu übernehmen. Sollte er seinen Plan ändern, wird sich der Verband einen teuren Assistenten gönnen müssen. Danach sieht es momentan aus. Auch die Spieler, allen voran Granit Xhaka, äusserten sich jüngst so, dass sie mit Yakin und Contini weitermachen wollen. Schon in den nächsten Tagen will Tami die Gespräche mit Yakin führen und baldmöglichst die Vertragsverlängerung kommunizieren.

In finanzieller Hinsicht hat der Verband durchaus Spielraum. 15,25 Millionen Euro sind dank der EM in die Kasse geflossen. Zur Startprämie von 9,25 Millionen kommen 2 Millionen für den Sieg und die zwei Remis in der Gruppenphase, der Achtelfinal hat 1,5 Millionen eingebracht, der Viertelfinal nochmals 2,5 Millionen. Das unterstreicht, dass die Männer-Auswahl wirtschaftlich das Zugpferd bleibt für den Verband. Yakin dürfte nun der Trainer werden mit dem Auftrag, die siebente Turnierteilnahme in Folge zu erreichen.

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