Mittwoch, Oktober 2

Vor vier Jahren haben die Wettbewerbsbehörden bei Handelsfirmen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Nun zeigt sich: Die Absprachen, die Händler wie Manor, Landi, Spar und weitere Unternehmen über den Dienstleister Markant getroffen haben, könnten sie teuer zu stehen kommen.

Es war eine Aktion, wie sie nicht oft vorkommt. Am 1. und 2. September 2020 haben die Wettbewerbsbehörden bei mehreren Schweizer Gross- und Detailhändlern sowie beim Dienstleister Markant Hausdurchsuchungen durchgeführt. Betroffene Mitarbeiter durften weder telefonieren noch ihre Büros verlassen. Computer und Akten wurden abtransportiert.

Grund für den grossangelegten Einsatz war der Verdacht auf wettbewerbsbehindernde Absprachen der Händler. Zusammen mit der Firma Markant sollen Manor, Landi, Volg, Spar und weitere Firmen ihre Lieferanten unter Druck gesetzt haben.

Vier Jahre später ist die Angelegenheit für die Händler noch nicht erledigt. Allerdings haben die einzelnen Firmen mittlerweile Anhaltspunkte von den Behörden, was ihnen droht. Schon jetzt zeichne sich ab, dass die Sache sehr teuer werden könnte, heisst es aus Kreisen der betroffenen Handelsfirmen.

Als Maximalwert für die Bussenberechnung gilt ein Wert von 10 Prozent des gesamten kumulierten Umsatzes der Händler in der Schweiz über einen Zeitraum von drei Jahren. Theoretisch wären das je nach Händler bis zu dreistellige Millionenbeträge.

Zahlungen bei Markant gebündelt

Der Fall dreht sich um das Unternehmen Markant, das eine Vermittlungsfunktion zwischen den Detailhändlern und ihren Lieferanten einnimmt – also zwischen dem Handel und beispielsweise den Nahrungsmittelherstellern, Importeuren oder Konsumgüterkonzernen.

Markant macht nämlich das Inkasso für die untersuchten Handelsfirmen. Das bedeutet: Ein Lieferant muss die Rechnung für seine Waren nicht dem Detailhändler schicken, sondern an Markant in Pfäffikon (SZ). Von dieser erhält er dann auch das Geld, das ihm der Detailhändler schuldet.

Aber, und das ärgert viele Lieferanten: Markant überweist ihnen weniger als den eigentlichen Rechnungsbetrag. Die Abschläge waren nicht bei allen Lieferanten gleich hoch. Ein Informant spricht von rund zwei, ein anderer von über fünf Prozent des Umsatzes.

Uneinsichtige Lieferanten, die sich weigerten, beim System mitzumachen, oder die regelmässig erhöhten Gebühren beanstandeten, wurden anhand eines abgestuften Katalogs von «Motivationsmassnahmen» diszipliniert. Über diese Massnahmen diskutierten Vertreter von Markant und den Detailhändlern an gemeinsamen Sitzungen.

Danach wurden die Lieferanten mit einer freundlichen oder nicht so freundlichen E-Mail oder per Telefon kontaktiert. Im Extremfall drohten die Detailhändler den Herstellern damit, ihre Produkte aus den Regalen der Supermärkte zu nehmen.

Händler holen Rabatte heraus

Für die Detailhändler hat eine Abrechnung über Markant aber auch andere Vorteile. Sie sparen bei der Buchhaltung und in der Administration Kosten, weil sie nicht für unzählige Lieferantenbeziehungen Rechnungen abwickeln müssen. Zudem erhalten die Detailhändler einen Teil des Betrags gutgeschrieben, den Markant beim Lieferanten abgezogen hat. Gerade Letzteres stösst manchen Lieferanten sauer auf.

Markant argumentiert, dass die Lieferanten durch den Anschluss an das System ebenfalls von Dienstleistungen profitierten. Zum Beispiel von Datenanalysen oder einer Versicherung des Rechnungsbetrags, falls ein Händler zahlungsunfähig werde.

Von Lieferanten heisst es hingegen, dass man lieber auf diese Dienste verzichten und dafür keinen Preisabschlag auf den Rechnungsbetrag hinnehmen möchte.

Dennoch schienen sie sich über mehrere Jahre mit der Situation zähneknirschend arrangiert zu haben. Doch dann passierte etwas, das die Ausgangslage drastisch veränderte. Der Detailhändler Coop beschloss, mit seinen Lieferanten ebenfalls über das Markant-System abzurechnen.

Coop als Elefant im Raum

Plötzlich musste also ein Lieferant nicht nur auf seinen Umsätzen mit diversen kleineren Händlern einen Abschlag hinnehmen, sondern auch auf jenen mit dem Riesen Coop – für viele der mit Abstand wichtigste Kunde.

Diese Veränderung war für viele Lieferanten Anlass genug, das ungeliebte Markant-System zu hinterfragen. Das zeigte Wirkung. Im Jahr 2020 erhielt das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Weko) eine Anzeige des Verbands der Markenartikelhersteller Promarca, zwei Protokolle von Sitzungen bei Markant sowie 84 Drohbriefe zugestellt, die Händler an Lieferanten geschrieben hatten. Das war der Auslöser für die Hausdurchsuchungen.

Tatsächlich hat sich seither etwas bewegt. Auf Druck der Weko machte Coop eine Kehrtwende und löste den Vertrag mit Markant nach nur drei Jahren wieder auf. Mittlerweile rechnet der Detailhändler wieder direkt mit den Lieferanten ab. Hätte Coop den Vertrag nicht aufgelöst, hätte die Behörde die Marktmacht des Detailhändlers in der Schweiz genauer angeschaut. Das wollte sich das Unternehmen ersparen.

Aber während sich für die grosse Coop das Thema Markant erledigt hat und die Lieferanten Markant-bedingte Rabatte auf ihre Umsätze mit Coop abwehren konnten, läuft die Untersuchung der kleineren Detailhändler weiter. Die Firmen, die gemeinsam laut Markant weniger als 15 Prozent Marktanteil haben, sind verunsichert. Denn die möglichen Bussen für sie sind noch nicht vom Tisch.

Zugeständnisse unter Druck

Es ist zwar anzunehmen, dass ein Teil der kleineren Händler ihre Busse deutlich reduzieren kann. Sei es über eine Anerkennung des Sachverhalts, eine einvernehmliche Regelung mit der Weko oder beides. Doch wenn am Schluss noch immer ein zweistelliger Millionenbetrag übrig bliebe, dann dürfte das für manchen Händler eine substanzielle finanzielle Belastung sein. Entsprechend gross ist der Druck, Zugeständnisse zu machen.

Markant zeigt sich über das Vorgehen der Behörden erstaunt. Der Firma droht zwar keine Kartellbusse, weil sie von der Weko nur als Gehilfin betrachtet wird. Doch je nach Entscheid der Weko sieht sie ihr Geschäftsmodell in der Schweiz bedroht.

In ihrem Selbstverständnis sorgt Markant für tiefere Preise in den Läden, weil sie kleineren Händlern einen Rabatt im Einkauf verschafft, den diese im Alleingang nicht bei den Lieferanten herausholen könnten.

Zudem stellt sich Markant auf den Standpunkt, dass die Weko spätestens seit einer Marktbeobachtung im Jahr 2010 über die Funktionsweise des Systems auf dem Laufenden gewesen sei. Ob daraus ein Freipass für sämtliche Massnahmen abgeleitet werden konnte, ist jedoch umstritten.

Bis in dem Fall Klarheit herrscht, dürfte es noch eine ganze Weile dauern. Die Wettbewerbskommission wird voraussichtlich erst im Verlauf des nächsten Jahres einen Entscheid fällen.

Was sich jedoch bereits geändert hat: Seit der Einleitung der Weko-Untersuchung wenden die Detailhändler ihren «Massnahmenkatalog» mit den Einschüchterungsversuchen vorsichtshalber nicht mehr an. Das gelockerte Regime hat auch ein paar Lieferanten dazu gebracht, aus dem Markant-System auszusteigen oder sich gegen zu grosse Rabatte zu wehren.

Gross- und Detailhändler betroffen

dba. Die Weko-Untersuchung von 2020 betrifft folgende Firmen: die Pharmagrosshändler Amedis-UE, Galexis und Voigt, die Warenhausfirmen Manor und Loeb, die Detailhändler Landi, Volg und Cadar (alle drei Teil der Fenaco-Gruppe) sowie Spar, den Süsswarengrosshändler Cruspi, den Gastrobelieferer Saviva (früher Migros), den Kioskbetreiber Valora, die Drogeriemarktkette Müller Handels AG Schweiz, den Bäckereigrosshändler Pistor sowie den Getränkehändler GDI – Groupement de Dépositaires Indépendants. Das Unternehmen Demaurex & Cie. (Marke: Aligro) legt Wert auf die Feststellung, dass es als unabhängige Familienfirma nie mit Markant gearbeitet hat. Zudem habe man bei der Übernahme der Firma Cash + Carry Angehrn im Jahr 2018 diese unmittelbar aus Markant zurückgezogen.

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