Dienstag, April 29

Die Administration des amerikanischen Präsidenten geht aggressiv gegen die Klimapolitik vor. Was bedeutet das für die internationalen Klimaziele und die globale Energiewende?

Seit Donald Trump zum zweiten Mal zum amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, hat sich die Aussicht darauf, netto null Emissionen bis zur Jahrhundertmitte zu erreichen, verschlechtert.

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Sorgen um die Klimapolitik angesichts von Trumps systematischen Angriffen auf Emissionsziele und Umweltauflagen sind berechtigt. Gleichzeitig steht fest: Die Zielsetzung des Pariser Klimaabkommens galt schon bei dessen Abschluss 2015 als kaum realistisch.

Wie geht es nun weiter? Die NZZ hat sich mit drei Aspekten der Netto-Null-Debatte auseinandergesetzt.

1. 2025 ist ein wichtiges Jahr für die internationalen Klimaziele

Dabei spielt 2025 eine besonders wichtige Rolle in der Logik der Pariser Klimaziele. Regierungen sind gemäss den Regeln des Abkommens gehalten, neue Emissionsziele bis 2035 zu formulieren. Der Grund dafür lässt sich in der Klimaforschung finden.

Die Emissionsminderungen der kommenden zehn Jahre sind ausschlaggebend dafür, wie nah wir dem Ziel kommen, die Erwärmung auf weit unter 2 Grad zu begrenzen. «Wir brauchen einen raschen Rückgang der Emissionen ab jetzt – nicht erst in fünf Jahren –, wenn wir bis zur Mitte des Jahrhunderts netto null erreichen wollen», sagt David Hostert, ein führender Analyst bei Bloomberg New Energy Finance. Derzeit steuert die Weltgemeinschaft auf eine Erderwärmung von rund 3 Grad zu.

Die Zwischenbilanz fällt enttäuschend aus. Die grosse Mehrheit der Unterzeichnerstaaten hat die offizielle Deadline verpasst, bis Februar neue Klimapläne einzureichen. Auf die USA ist nun nicht mehr zu zählen. Aber auch die EU hat noch keinen neuen Plan vorgelegt. In Brüssel verhandeln Beamte stattdessen mit Regierungen um ein neues Reduktionsziel von 90 Prozent für 2040.

Brasilien, das im November die Klimaverhandlungen leiten wird, hat derweil schon in November seinen überarbeiteten Klimaplan für 2035 vorgelegt. NGO kritisierten die Ziele zwar als nicht ambitioniert genug. Aber indem es Emissionsziele vorlegt, versucht Brasilien Druck auf die grossen und aufstrebenden Wirtschaftsmächte aufzubauen und sicherzustellen, dass sie neue Ambitionen formulieren. Zusammen emittieren China, die USA, Indien, die EU, Brasilien und Indonesien derzeit mehr als die Hälfte der weltweiten Treibhausgasemissionen pro Jahr.

Wie erfolgreich Brasilien damit sein wird, wird darüber entscheiden, ob das Land am Ende des Jahres als erfolgreiche Führungskraft in den Klimaverhandlungen gesehen wird – und sich die Weltgemeinschaft in Richtung der Klimaziele bewegt oder sich davon entfernt.

2. «Grüne» Politik ist out

Dabei zeigen die vergangenen Monate schon eines: Die Sorge vieler Aktivisten und Klimaforscher hat sich bestätigt. Donald Trumps klimafeindliche Politik zermürbt die fragile Unterstützung für die Netto-Null-Ziele und nährt den Opportunismus einer klimaskeptischen Politik.

Argentinien hat unter dem libertären Regierungschef Javier Milei schon mit der Idee gespielt, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen. Die Konservativen in Grossbritannien haben Ende März die Netto-Null-Ziele des Landes als wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Irrsinn infrage gestellt. Und das, obwohl das Ziel unter der Konservativen Premierministerin Theresa May eingeführt wurde und Boris Johnson die Klimaverhandlungen in Glasgow als diplomatisches Aushängeschild eines neuen, globalen Britannien nutzte. Gleichwohl haben die Konservativen in einer eigenen Studie festgestellt, dass die Ziele langfristig wirtschaftliches Wachstum fördern würden.

Dabei sollte es kaum überraschen, dass Trumps Ausstieg aus dem Pariser Abkommen klimapolitischen Skeptikern und Zauderern dafür Rückendeckung geben würde, die eigenen grünen Verpflichtungen herunterzuschrauben. Denn die vergangenen Jahre waren zwar davon geprägt, dass viele Regierungschefs ihre Reden regelmässig mit wohlklingenden grünen Bekundungen schmückten. Aber die Tatsache, dass klimapolitische Auflagen auf Kosten der lokalen Wirtschaft, regionaler Arbeitsplätze und der Wettbewerbsfähigkeit gehen können, hat den Durchsetzungswillen vieler Regierungen seit je geschwächt.

Auch in Brüssel, wo die deutsche EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen den sogenannten Green Deal zum zentralen politischen Programm ihres ersten Mandats erklärt hatte, konnte man das beobachten. Regierungsvertreter lieferten sich unter anderem heftige Kämpfe um neue Emissionspreise auf Heizöl und Kraftstoffe. Die Sorge, dass die Lebenskosten von Bürgern steigen könnten, bremst den Enthusiasmus der meisten Politiker in Bezug auf eine entschlossene Klimapolitik.

Die EU wehrt sich dabei weiterhin gegen den klimafeindlichen Kurs aus den USA. Führende EU-Politiker haben das Vorhaben, bis 2050 netto null Emissionen zu erreichen, neu bekräftigt. Aber die politische Verkaufsmasche hat sich geändert. Die Energiewende sei ein zentraler Hebel, um langfristig das Wachstum, die Wettbewerbsfähigkeit und die Energiesicherheit der EU zu stärken, so die Botschaft heute.

Auf diese Strategie setzt China seit Jahren. An den Netto-Null-Zielen bis 2060 werde die Regierung aus diesem Grund auch nicht rütteln, sagen Experten. «China hat das Ziel der CO2-Neutralität aus Eigeninteresse verkündet», sagt die Analystin Yan Qin von Clearblue Markets. Es gehe Peking darum, die energieintensive Fertigungsindustrie im Land umzubauen.

China ist weiterhin der weltgrösste Verursacher von Emissionen, verbrennt mehr Kohle und baut mehr Kohlekraftwerke als jedes andere Land auf der Welt. Gleichzeitig verfolgt aber auch kein Land mehr Projekte zur Gewinnung erneuerbarer Energie. China trug 2024 sogar mehr als die Hälfte zum weltweiten Anstieg der Solar- und Windkraftproduktion bei, so neue Daten der Denkfabrik Ember. Und China dominiert schon heute die Herstellung und die Lieferketten für fast alle grüne Technologien, die für die Energiewende zentral sind.

Das bedeute dennoch nicht, grosse Ankündigungen aus Peking zu erwarten, so Qin, und sie verweist auf die gegenwärtige geopolitische Lage, Handelskonflikte mit den USA und den Druck auf Chinas Wachstum: «Das wird China daran hindern, seinen Klimaplan für 2035 deutlich anzuheben.»

3. Wirtschaftsfaktoren, nicht Umweltbewusstsein treibt die Energiewende

Die Energiewende geht weltweit voran, daran kann auch Donald Trump nichts ändern. Treiber der Entwicklung sind längst nicht mehr klimapolitische Diktate. Vielmehr zählen heute Wirtschaftsfaktoren, allen voran die zunehmende Wettbewerbsfähigkeit vieler grüner Technologien, wie auch der steigende Strombedarf, der weltweit gestillt werden muss. Das sind einerseits erfreuliche Nachrichten für all diejenigen, die für die Energiewende einstehen. Für die Klimaziele des Pariser Vertrags reicht es dennoch nicht aus.

Mitte April veröffentlichten Analysten von Bloomberg New Energy Finance ein neues Szenario, wie sich die globale Energiewende mit den bestehenden Rahmenbedingungen, also ohne neue klimapolitische Impulse, weiterentwickeln könnte.

Der Befund? Der Anteil von Erneuerbaren und Elektroautos nimmt weltweit stark zu. Wasserstoff und Technologien, um CO2 abzuscheiden, aber auch nachhaltige Kraftstoffe haben derweil ohne zusätzliche Unterstützung Probleme, sich durchzusetzen. Stattdessen wächst die Nachfrage nach Erdgas, während der Anteil von Kohle und Erdöl abnimmt. Die Emissionen könnten sich infolgedessen bis 2050 um 22 Prozent verringern.

Was bedeutet das für die Klimaziele? In dem Szenario – das auch davon abhängt, dass bestehende Hürden für den Einsatz grüner Technologien aufgehoben werden – steuert die Welt auf eine globale Erwärmung von 2,6 Grad bis 2100 zu. Das ist zwar besser als die gegenwärtige Aussicht auf 3 Grad. Aber es ist weit über dem Anspruch, die Erwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen und so die gefährlichen Auswirkungen einzudämmen, die damit für Mensch und Natur einhergehen.

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