Donnerstag, Oktober 3

Nach dem ersten Fernsehduell der Präsidentschaftskandidaten sprechen die Schlagzeilen, die Experten und selbst konservative Beobachter eine deutliche Sprache: Trumps Auftritt war schlecht. Dieser jedoch gibt – ganz er selbst – den Moderatoren die Schuld.

Die Meinungen nach der ersten Fernsehdebatte zwischen Donald Trump und Kamala Harris waren schnell gemacht. Der ehemalige Präsident erlitt eine klare Niederlage. Und die schärfste Kritik lieferte vermutlich Chris Wallace, ein ehemaliger Moderator des konservativen Fernsehsenders Fox News. Er habe nie gedacht, nochmals eine solch «vernichtende Debatte» zu sehen wie jene mit Joe Biden im Juni, sagte Wallace auf CNN. Aber diese Nacht sei für Trump mindestens so verheerend gewesen: «Trump wirkte wütend, missmutig und alt.»

Selbst Trump-Verbündete wie der milliardenschwere Tesla-Gründer Elon Musk mussten anerkennen, dass die demokratische Vizepräsidentin «die Erwartungen der meisten Leute übertroffen hat». Hinter vorgehaltener Hand gingen auch republikanische Kongressabgeordnete hart ins Gericht mit ihrem Präsidentschaftskandidaten. «Ich bin traurig», sagte einer von ihnen gegenüber «The Hill». Harris habe «exakt gewusst, wo sie ihn treffen muss, um ihn zu provozieren». Ein anderer meinte über die Stimmung im republikanischen Lager: «Viele sind enttäuscht, dass er (Trump) nicht fokussiert blieb und Treffer landen konnte.»

Der Handschlag war ein «power move»

Die Treffer landete am Dienstagabend fast ausschliesslich Harris. Gleich zu Beginn zitierte sie eine Expertise der Wharton School of Economics – Trumps Alma Mater. «Die Wharton School sagt, dass Trumps Plan das Haushaltsdefizit explodieren liesse.» Später machte sich Harris über Trumps Wahlkampfauftritte lustig und erzählte, dass einige seiner früheren Sicherheits- und Militärberater ihn für amtsunfähig hielten. Diese hätten ihr gesagt, dass er «eine Schande» sei.

In die Defensive gedrängt, verstrickte sich Trump in Lügen und unbestätigte Schauergeschichten. So erzählte er etwa, dass Migranten in einer Stadt in Ohio die Haustiere der Einwohner aufässen. Oder dass die Demokraten die Migranten ins Land holten, damit diese bei den Wahlen für sie stimmten. Harris antwortete darauf oft mit dem gleichen Satz: «Ich habe Ihnen gesagt, dass wir einen Haufen Lügen hören werden.»

Am Tag nach dem Duell analysierten die amerikanischen Medien aber nicht nur das Gesagte, sondern auch die Gestik der Kontrahenten. Der «Washington Post» fiel dabei vor allem der Handschlag zu Beginn auf. Harris initiierte diesen, indem sie mit entschlossenen Schritten auf den ehemaligen Präsidenten zuging. Harris habe die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um mit ihrer Körpersprache zu punkten, schrieb die «Post». Der Handschlag sei ein «power move» gewesen, erklärte ein Mitarbeiter der Vizepräsidentin gegenüber «Politico». Danach dominierte Harris die Debatte über weite Strecken, lachte häufig verwundert über Trumps Antworten, während dieser oft schlecht gelaunt wirkte.

Trump fordert Entzug der Sendelizenz

Wenig überraschend akzeptierte Trump seine Niederlage in der Debatte jedoch nicht. Stattdessen warf er den Moderatoren des Fernsehsenders ABC vor, parteiisch gewesen zu sein. «Ich denke, das war meine beste Debatte aller Zeiten, besonders, weil drei gegen einen waren!», schrieb der republikanische Präsidentschaftskandidat auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. Auch republikanische Abgeordnete wie Elise Stefanik stimmten in diesen Chor ein: «Die Moderatoren waren keine Journalisten, sie waren Pro-Kamala-Harris-Aktivisten, die Trump grundlos attackierten.» Dies habe zu einer «3-zu-1-Debatte» geführt.

Tatsächlich korrigierten die Moderatoren den ehemaligen Präsidenten mehrfach, nachdem er Lügen über Migranten, das Recht auf Abtreibung oder den Ausgang der Wahl 2020 verbreitet hatte. Die CNN-Journalistin Abby Phillip meinte dazu allerdings: «Wenn das Lügen einseitig ist, fällt auch die Faktenprüfung einseitig aus.» Trump indes zeigte sich am Mittwoch unbeirrt. Dem Sender ABC sollte die Lizenz entzogen werden, forderte er. Derweil wurde im Internet das Gerücht verbreitet, dass Harris vielleicht über «Audio-Ohrringe» per Funk angeleitet worden und deshalb so gut aufgetreten sei.

So gut die Leistung der Vizepräsidentin allerdings war, die Erfahrung zeigt auch, dass Fernsehdebatten höchstens einen kleinen Teil der Wähler umstimmen können. In einer CNN-Umfrage gaben bloss 4 Prozent der Zuschauer an, dass die Debatte ihre Meinung darüber verändert habe, für welchen Kandidaten sie stimmen sollten. Allerdings könnten genau diese wenigen Wähler letztlich die Wahl im November entscheiden. Die «Washington Post» befragte nach dem Fernsehduell eine kleine Gruppe von unentschlossenen Wählern in den wichtigen Swing States. Für 23 von ihnen war Harris die Siegerin am Dienstagabend, und nur 2 waren von Trump überzeugt. Insgesamt 5 Wähler, die bereits vorher zu Harris tendierten, waren nach dem Duell vollends von der Vizepräsidentin überzeugt.

Insofern könnte Harris auch dieses Ziel am Dienstag erreicht haben: die Zweifler in den eigenen Reihen und auch auf der Weltbühne von sich zu überzeugen. Selbst Präsident Biden soll bis zuletzt nicht davon überzeugt gewesen sein, dass seine Vizepräsidentin das Zeug zum Commander-in-Chief hat. Trump schürte diese Vorbehalte bewusst. Ausländische Staatschefs würden Harris wie ein Spielzeug behandeln, sagte der ehemalige Präsident warnend. Doch «Politico» kommentierte nun am Mittwoch: «Die Welt kann sich Kamala Harris nun in der mächtigsten Position vorstellen.»

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