Die rechtsextreme Geste des Nationalspielers erregt die Gemüter. Es ist nicht zum ersten Mal, dass türkische Spieler auffällig werden.

Nicht nur an dieser Europameisterschaft sind die Fussballspiele das, was sie eigentlich niemals sein sollten: eine politische Bühne, die von den Akteuren aller Couleur ebenso gerne wie schamlos genutzt wird. Aufsehen und die Forderung nach harten Sanktionen erregte die Aktion des zweimaligen türkischen Torschützen Merih Demiral beim Viertelfinal-Einzug seines Teams gegen Österreich.

Nach seinem zweiten Treffer spreizte er die Finger ab und zeigte den sogenannten Grauen-Wolf-Gruss – das Zeichen der Grauen Wölfe, einer rechtsextremistischen türkischen Organisation. Diese ist in Österreich und Frankreich verboten, nicht aber in Deutschland. Dort wird sie zwar vom Verfassungsschutz beobachtet, ein Verbot aber ist von der SPD-Innenministerin Nancy Fieser nicht forciert worden, obwohl sie die Uefa rasch aufforderte, Demirals Verhalten zu sanktionieren.

Die Türken salutierten dem Militär

Verwundern kann der Eklat nicht. Der türkische Fussball hat sich oft genug als ein chauvinistisches Vehikel präsentiert. Es sei an den Auftritt erinnert, als die Mannschaft dem türkischen Militär salutierte, nachdem sie ein Qualifikationsspiel gewonnen hatte. Damals ging die türkische Armee zeitgleich in Afrin gegen die Kurden vor. Das Foto wurde damals auch vom deutschen Captain Ilkay Gündogan via Instagram mit einem Like versehen, den er allerdings schnell wieder entfernte. Gündogan sagte, er habe sich für seinen Freund Cenk Tosun gefreut, dem ein Tor gelungen war.

Nun steht Gündogan nicht im Verdacht, Sympathien für Rechtsextremisten zu hegen, ganz anders als der ehemalige deutsche Nationalspieler Mesut Özil, der ein Tattoo der Grauen Wölfe trägt. Demiral scheint ein Sympathisant aus Überzeugung zu sein, eine Wiederholung hat er bereist angekündigt: Er hoffe, dass es «noch mehr Gelegenheiten gibt, diese Geste zu zeigen».

Die Uefa hat ein Verfahren eröffnet. Formal sind politische Äusserungen seitens der Sportler und Offiziellen im Stadion untersagt. Insofern wären alle Möglichkeiten vorhanden, Demiral zu sanktionieren. Das Mindeste sollte ein Ausschluss für den Viertelfinal sein, auch eine Sperre von einigen Spielen wäre nicht unangemessen. Sollte ein anderer türkischer Spieler auffällig werden, sollte sich die Uefa die Möglichkeit offenhalten, den türkischen Verband vom nächsten Turnier auszuschliessen. Die Botschaft, wonach Rechtsextreme im Fussball nichts zu suchen haben, kann nicht deutlich genug formuliert werden.

Für die Uefa geht es allein schon darum, die Integrität des Wettbewerbs zu wahren, der von solchen Trittbrettfahrern beschädigt wird. Natürlich kann darauf verwiesen werden, dass auch ein Spieler wie Jude Bellingham mit seiner obszönen Geste das Publikum gegen sich aufbrachte und dem Ansehen des Turniers schadet. Nur ist Bellinghams Auftreten zwar abstossend, aber es ist nicht gefährlich. Er huldigt keiner rechtsextremen Organisation, deren Mitglieder unzimperlich sind, wenn es darum geht, Feinde zu bekämpfen.

Opportune Positionen finden Beifall

Allerdings verhalten sich Sportverbände durchaus bigott, wenn es um politische Meinungen geht. Vertreten Fussballer opportune Positionen, wird ihnen oft applaudiert. So konnte sich Ralf Rangnick, der Trainer der Österreicher, dafür feiern lassen, dass er an die demokratische Gesinnung des Fussball-Publikums appellierte. Rechtsradikale Gesänge gab es dennoch auch aus der österreichischen Kurve. Ebenso thematisierte Kylian Mbappé an einer Medienkonferenz seine Sorgen, sollte Frankreich nach rechts rücken. Das positive Medienecho war ihm sicher. Und am Abend des Eklats im Achtelfinal liess der Österreicher Michael Gregoritsch das Publikum wissen: «Wir sollten uns ganz weit entfernen von rechtem Gedankengut.»

Für die Uefa kann es nur darum gehen, alles daran zu setzten, die Stadien politisch so neutral wie möglich zu halten, und zwar in sämtliche Richtungen. Insofern kann die Bedeutung des Verfahrens gegen Demiral nicht überschätzt werden.

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