Donnerstag, November 6

Admiral Jewmenow muss offenbar den Kopf hinhalten für den Verlust mehrerer Kriegsschiffe im Schwarzen Meer. Anders ist die Lage im Kommando der Landstreitkräfte – dort scheint das Chaos überwunden.

Der langjährige Oberbefehlshaber der russischen Kriegsmarine, Nikolai Jewmenow, hat laut gut informierten Quellen seinen Posten verloren. Jewmenow büsst damit wohl für die jüngsten Demütigungen im Krieg gegen die Ukraine. Eine offizielle Bestätigung liegt zwar nicht vor, und auf der Website des Verteidigungsministeriums ist unverändert das Bild Jewmenows zu sehen. Aber die Zeitung «Iswestija», die über enge Beziehungen zum Militärapparat verfügt, und die angesehene Internet-Publikation «Fontanka» meldeten übereinstimmend den Führungswechsel. Bestätigt wurde er am Montag auch durch einen früheren Chef der Schwarzmeerflotte, der zweifellos weiterhin bestens informiert ist über die Vorgänge in der Marine.

Die undurchsichtige Personalpolitik ist typisch für den Kreml. Die Ernennung und Absetzung hochrangiger Offiziere wird oft nur mit langer Verzögerung und eher beiläufig amtlich bestätigt. Auch jetzt sah sich der Sprecher Präsident Putins nicht veranlasst, Klarheit zu schaffen und darzulegen, wer genau die russische Kriegsmarine befehligt. Er sagte am Montag nur gewunden, es gebe «geheime Dekrete», über die er nichts sagen könne.

Neuer Marinechef ist laut den Medienberichten, zumindest auf interimistischer Basis, Admiral Alexander Moisejew. Ein Generationenwechsel findet damit nicht statt, denn Moisejew wird wie sein Vorgänger im nächsten Monat 62 Jahre alt. Auch ein neuer militärpolitischer Akzent lässt sich in der Ernennung nicht erkennen, da beide Admirale aus den U-Boot-Truppen stammen. Die akuten Probleme der Flotte im Krieg gegen die Ukraine zeigen sich jedoch nicht bei den U-Booten, die primär für die nukleare Abschreckung gegenüber den Grossmächten zuständig sind, sondern bei den konventionellen Kriegsschiffen. Diese sind nicht mehr in der Lage, das Schwarze Meer unangefochten zu dominieren.

Die Russen haben kein Rezept gegen die Marinedrohnen

In den vergangenen beiden Jahren hat Russlands Schwarzmeerflotte einen Fünftel bis einen Viertel ihrer Kriegsschiffe verloren. Allein seit Anfang Februar haben die Ukrainer drei russische Schiffe mit Schwärmen von Marinedrohnen versenkt. Nach dem zweiten dieser drei Vorfälle soll vor einem Monat der Kommandant der Schwarzmeerflotte, Admiral Wiktor Sokolow, seines Postens enthoben worden sein, wobei es auch dafür keine offizielle Bestätigung gibt.

Der neue oberste Marinechef, Moisejew, verdankt seine Beförderung möglicherweise auch dem Umstand, dass er die Verhältnisse bei der Schwarzmeerflotte gut kennt. Er hatte diesen Grossverband befehligt, bis er 2019 das Kommando über die Nordmeerflotte erhielt. Gegen die ukrainischen Marinedrohnen gibt es jedoch kein einfaches Rezept. Nach ukrainischen Angaben wagen sich die russischen Schwarzmeer-Schiffe bereits seit Tagen nicht mehr aufs offene Meer hinaus.

Im Kommando der Landstreitkräfte ist Ruhe eingekehrt

Die Schwarzmeerflotte, die im Laufe des Krieges bereits drei Kommandanten hatte, steckt in einer tiefen Führungskrise. Diese erinnert an das Chaos in der russischen Generalität zu Beginn des Krieges, als Präsident Putin im ersten Kriegsjahr der Reihe nach vier verschiedene Offiziere mit der Gesamtleitung der Ukraine-Operationen betraut hatte. Inzwischen ist jedoch in den oberen Rängen der Landstreitkräfte eine bemerkenswerte Stabilität eingekehrt. Das letzte grosse Köpferollen in der Generalität liegt bereits acht Monate zurück.

Das spiegelt den relativen Erfolg, den Russlands Bodentruppen in dieser Zeitspanne erzielten. Sie vermochten einerseits die ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes abzuwehren und anderseits vom Spätherbst an selber wieder grössere Angriffe zu lancieren. Putin pries kürzlich, nach der Eroberung der Stadt Awdijiwka, ausdrücklich die Leistungen des dortigen Kommandanten, Generaloberst Andrei Mordwitschow. Auch der für schwere Fehler bei der Kriegsplanung verantwortliche Generalstabschef, Waleri Gerasimow, sitzt allem Anschein nach viel fester als früher im Sattel.

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