Dienstag, April 22

Drei Jahre lang hat sich Syngenta vergeblich auf einen Börsengang vorbereitet. Doch chinesische Behörden haben ihm den Schritt untersagt. Nun wird sich der weltgrösste Hersteller von Pflanzenschutzprodukten noch länger gedulden müssen.

Drei Jahre lang hat sich der Agrochemiekonzern Syngenta um einen Börsengang bemüht, doch ausser Spesen ist daraus bis heute nichts geworden. Marktbeobachter reiben sich verwundert die Augen. Was ist los bei dem Unternehmen, das sich zwar vollständig im Besitz des chinesischen Staats befindet, von seinem Management aber weiterhin von Basel aus geführt wird?

Verpasste Chance für neues Management

Der jüngste Rückschlag erfolgte am vergangenen 29. März und ging wegen des damaligen Karfreitags hierzulande beinahe unter. Zusammen mit den Geschäftszahlen für 2023 gab Syngenta kleinlaut bekannt, man habe den Antrag auf einen Börsengang an der Shanghai Stock Exchange zurückgezogen. Und fügte hinzu: «Zu gegebener Zeit und sobald die notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, wird sich das Unternehmen um eine Wiederaufnahme des Börsengangs in China oder einer anderen internationalen Börse bemühen. Das Unternehmen wird auch alternative Finanzierungsquellen prüfen.»

Zu den Gründen des abgesagten Börsengangs äusserte sich Syngenta nicht. Wie die Nachrichtenagentur Reuters mit Verweis auf gut informierte Kreise berichtete, dürften aber chinesische Aufsichtsbehörden dem Unternehmen nahegelegt haben, wegen des schwachen Marktumfelds vorläufig auf eine Publikumsöffnung zu verzichten.

Für das Management, das seit Anfang dieses Jahres unter der Führung des neuen Konzernchefs Jeff Rowe steht und mit Hengde Qin auch einen neuen Finanzchef in seinen Reihen hat, wäre das Initial Public Offering (IPO) primär eine Gelegenheit gewesen, um die hohe Verschuldung zu reduzieren. Allein die Syngenta AG, in der das internationale Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft des Konzerns gebündelt ist, wies per Ende vergangenen Jahres eine Nettoverschuldung von 11 Milliarden Dollar aus. Dies entspricht dem 3,2-Fachen des operativen Gewinns (Ebitda), den dieselbe Einheit 2023 erwirtschaftet hat.

Der Umsatz der Syngenta AG betrug im vergangenen Jahr 19,2 Milliarden Dollar. Der Konzernerlös der Syngenta-Gruppe, zu der auch die Einnahmen im chinesischen Heimmarkt sowie die Geschäfte des auf Nachahmerprodukte spezialisierten Pestizidherstellers Adama gerechnet werden, erreichte 32,2 Milliarden Dollar.

Hoher Übernahmepreis belastet bis heute

Syngenta schleppt die hohe Verschuldung seit der Übernahme durch den chinesischen Staatskonzern Chem China vor sieben Jahren mit sich. Der neue Eigentümer, der mittlerweile in der ebenfalls staatlichen chinesischen Firma Sinochem aufgegangen ist, hatte die 44 Milliarden Dollar teure Akquisition mit Fremdkapital finanziert und dieses zu einem guten Teil seiner neuen Tochterfirma belastet. Vor der Übernahme hatte Syngenta als damals noch kotiertes Schweizer Unternehmen lediglich eine Nettoverschuldung von gut 2 Milliarden Dollar ausgewiesen.

Wie Analytiker der Marktforschungsfirma Bloomberg Intelligence ausführen, hätte Syngenta mithilfe des Börsengangs auch Bedenken zerstreuen können, dass die Muttergesellschaft Chem China ihrer Tochter liquide Mittel entzieht. Minderheitsaktionäre würden ein solches Vorgehen nämlich kaum goutieren. Chem China ist selbst hoch verschuldet. Laut Bloomberg Intelligence erreicht die Nettoverschuldung des Industriekonglomerats, das sich im vergangenen Jahrzehnt unter anderem auch den italienischen Reifenhersteller Pirelli einverleibt hat, mehr als 10-Fache des Ebitda.

Im Prospekt, den Syngenta im Juni 2023 zum geplanten Börsengang publizierte, war die Rede davon, dass man einen Erlös von über 9 Milliarden Dollar anstrebe. Davon sollten 6 Milliarden für Investitionen in bestehende Geschäfte sowie für die Finanzierung von Fusionen und Übernahmen aufgewendet werden. Die restlichen 3 Milliarden Dollar waren für die Reduktion der Verschuldung vorgesehen.

Chinesische Kotierung bleibt wohl Grundvoraussetzung

Wie Syngenta frische Mittel beschaffen will, ist nun wieder eine offene Frage. Die Bedienung seiner Schulden sollte den Konzern zwar vor keine grossen Probleme stellen. So weisen die Marktbeobachter von Bloomberg Intelligence darauf hin, dass bei der Syngenta AG 2024 und 2025 je rund 500 bis 700 Millionen Dollar zur Rückzahlung fällig würden, denen mehr als 3 Milliarden an jährlichem Ebitda gegenüberstünden. Doch bleibt der Agrochemie-Riese auf Kapital für die Finanzierung vorab seiner Expansionspläne im chinesischen Heimmarkt angewiesen.

Die chinesische Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Agrarsektor des Landes zu stärken und damit bei Landwirtschaftsprodukten die Abhängigkeit von Importen zu senken. Syngenta soll bei diesen Anstrengungen als Hersteller von Pestiziden, Saatgut und Düngemitteln eine zentrale Rolle spielen.

Obschon sich Syngenta weiterhin die Option für einen Börsengang sowohl in China als auch an einer Börse ausserhalb der Volksrepublik offenlässt, wird der Konzern kaum um eine chinesische Kotierung herumkommen. Die chinesische Regierung, die ihren Einfluss auch an den Aktienmärkten des Landes geltend macht, dürfte darauf bestehen, sobald das Marktumfeld wieder Publikumsöffnungen zulassen sollte.

Ein Börsengang in China macht Engagements für Investoren aber um einiges riskanter. Die chinesischen Aktienmärkte sind berüchtigt für überdurchschnittliche Kursschwankungen. So hat der Shanghai-Shenzen-CSI-300-Index in den zurückliegenden drei Jahren trotz jüngsten Avancen fast 40 Prozent an Wert eingebüsst. Damit wurde auch unter einheimischen Anlegern viel Vertrauen verspielt. Syngenta wird sich wohl noch eine Weile gedulden müssen, ehe das Thema Börsengang wieder spruchreif werden könnte.

Exit mobile version