Dienstag, Oktober 8

Ein uraltes Verfahren wurde in diesem Frühjahr für die Deutsche Bank plötzlich wieder virulent – und dadurch zum Milliarden-Risiko. Es geht darum, ob beim Postbank-Kauf deren Aktionäre übervorteilt wurden.

Die Übernahme der Postbank im Jahr 2010 hat der Deutschen Bank neben einer breiteren Kundenbasis über die Jahre vor allem viel Ärger bereitet. Einst wollte das Management sie sogar wieder loswerden, doch zu den vorhandenen Preisvorstellungen fand sich kein Käufer. Zudem klagen seit der Übernahme vor nunmehr 14 Jahren Aktionäre der Postbank, weil sie der Meinung sind, die Deutsche Bank habe sie übervorteilt. In den vergangenen Monaten hat sich die Klage für Deutschlands grösstes Geldhaus zum Milliarden-Risiko entwickelt.

46 Zivilklagen von über 300 Klägern

Jetzt ist es der Deutschen Bank immerhin gelungen, mit 80 Klägern, auf die insgesamt fast 60 Prozent geltend gemachten Forderungen entfallen würden, einen Vergleich zu schliessen. Diesem habe auch die grösste Einzelklägerin in dem Verfahrenskomplex zugestimmt, auf die etwa ein Drittel aller geltend gemachten Forderungen entfallen würden, teilte das Institut mit. Dabei handelt es sich um einen institutionellen Investor, wie beispielsweise eine Fondsgesellschaft. Insgesamt gibt es in dem Verfahrenskomplex 46 Zivilklagen von über 300 verschiedenen Klägern.

Die Deutsche Bank hatte die Postbank im Jahr 2010 für 25 Euro je Aktie übernommen. Aktionäre der damals in Bonn domizilierten Postbank hatten das Angebot zwar angenommen, forderten teilweise später aber einen Nachschlag. Der komplexe Fall dreht sich darum, dass die Deutsche Bank beim schrittweisen Kauf der Postbank zunächst bewusst sehr knapp unter einem Anteil von 30 Prozent geblieben ist. Beim Erreichen dieser Schwelle wäre Pflichtangebot zum Kauf der Postbank-Aktien für alle Aktionäre notwendig gewesen.

Die Kläger werfen der Deutschen Bank vor, bei der das Management seitdem mehrfach gewechselt hat, de facto schon früher die Kontrolle über die ehemalige Tochter der Deutschen Post erlangt zu haben – als der Aktienkurs noch deutlich höher notierte. Ihrer Meinung nach hätte die Bank ihnen ein Pflichtangebot über 57,25 Euro machen müssen.

Rückstellung über 1,3 Milliarden Euro

Der Fall beschäftigt seit Jahre die Gerichte und lange sah es so aus, als würden sich die Kläger nicht durchsetzen. Im Jahr 2022 hatte schliesslich der Bundesgerichtshof den Fall an das Oberlandesgericht (OLG) Köln zurückverwiesen. Inzwischen hat die Deutsche Bank die Postbank vollständig integriert, führt jedoch noch die Marke weiter.

Laut einer Mitteilung der Deutschen Bank hatte das OLG Köln in diesem Frühjahr schliesslich in einer mündlichen Verhandlung angedeutet, dass den Postbank-Aktionären möglicherweise tatsächlich ein höherer Preis zugestanden haben könnte. Die entsprechende Summe würde sich inklusive aufgelaufener Zinsen auf 1,3 Milliarden Euro belaufen. Daraufhin hatte die Deutsche Bank im zweiten Quartal eine Rückstellung in genau dieser Höhe gebildet, was erstmals seit Jahren wieder ein Quartalsergebnis mit roten Zahlen zur Folge hatte.

Eine ursprünglich für Mitte dieser Woche vorgesehene Urteilsverkündung hat das OLG Köln kurzfristig verschoben, um den streitenden Parteien mehr Spielraum für die vom Vorsitzenden Richter geforderte Verständigung zu geben. Nun soll ein Urteil am 23. Oktober fallen. Für die Deutsche Bank ist es ein Erfolg, eine Einigung mit 80 Klägern auf Basis eines Preises von 31 Euro je Aktie geschlossen zu haben. Andere Kläger hatten laut Medienberichten in den vergangenen Wochen ein Angebot über 36,50 Euro abgelehnt – allerdings sind diese Verfahren auch in einer deutlich fortgeschritteneren Phase.

Postbank will 40 Prozent der Filialen schliessen

Die Deutsche Bank geht nun davon aus, dass die erzielten Vergleiche im Durchschnitt nur etwa 45 Prozent der Rückstellungen in Anspruch nehmen. Die darüber hinausgehenden Rückstellungen für diese Kläger könnten aufgelöst werden. Daraus erwartet die Bank einen positiven Effekt auf ihr Vorsteuerergebnis im dritten Quartal von rund 430 Millionen Euro. Dadurch könnte die Bank nun möglicherweise doch ein weiteres Aktienrückkaufprogramm in Angriff nehmen.

Die Pläne dafür hatte sie durch die hohen Rückstellungen im zweiten Quartal erst einmal beiseitelegen müssen. Daraufhin war der Aktienkurs der Bank deutlich gesunken. Das letzte Rückkaufprogramm hatte im März begonnen und war im Juli beendet worden.

Unabhängig davon hatte die Postbank im August mitgeteilt, 230 Filialen bis Ende 2026 schliessen zu wollen. Dadurch wird die Anzahl der Standorte von 550 auf 320 sinken. Diese sollen sich aufteilen in 120 Bankfilialen mit ausgeprägter Kundenberatung sowie 200 Standorten, an denen die Kunden auch Post-Dienstleistungen erhalten. Insgesamt sollen durch die Schliessungen Tausend Arbeitsplätze wegfallen.

Kriterien dafür, ob ein Standort geschlossen wird oder nicht, sind Wirtschaftlichkeit, Geschäftspotenzial, Miet- und Raumsituation sowie die Flächenabdeckung. Für viele Kunden dürfte sich der Weg zur Filiale nun verlängern, worauf die Deutsche Bank mit einer Verbesserung der Postbank-App und Kundengesprächen per Video reagieren will.

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