Montag, September 30

Ein erster Versuch, die Vergabepolitik zu erneuern, scheiterte krachend. Nun nimmt der Stadtrat einen neuen Anlauf.

Wohnraum ist in der Stadt Zürich ein rares Gut. Noch rarer ist nur noch: subventionierter Wohnraum für ältere Menschen. Die Nachfrage nach städtischen Alterswohnungen ist enorm. Rund 6000 Interessenten stehen derzeit auf einer Warteliste.

Doch die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) verwaltet nur rund 2000 Alterswohnungen. Und weil pro Jahr bloss 250 bis 300 solche Wohnungen frei werden, müssen sich Zürcherinnen und Zürcher teilweise zehn und mehr Jahre gedulden, bis aus ihrer Bewerbung auch wirklich ein Umzug wird.

Das System führte in der Vergangenheit dazu, dass sich immer mehr Menschen möglichst früh auf die Warteliste setzen liessen, um an eine städtische Alterswohnung zu kommen. Ihre Überlegung ist denkbar simpel: Mit ausreichend Geduld würden sie irgendwann an die Reihe kommen. Völlig unabhängig davon, ob sie überhaupt auf eine Alterswohnung angewiesen sind oder nicht.

Das empfanden viele als ungerecht. Deshalb soll damit nun Schluss sein: Am Dienstag präsentierte das Gesundheitsdepartement in einer Medienmitteilung einen neuen Prozess, nach dem die SAW ihre Wohnungen künftig vergeben wird. Glaubt man der Mitteilung, ist in dem neuen «kriteriengeleiteten Verfahren» alles «fair», «transparent» und «zugänglich».

Analoge Unterstützung für digital Unerfahrene

Im Zentrum der neuen Praxis steht gemäss der Mitteilung die Plattform mieten.wohnenab60.ch. Dort können sich Zürcherinnen und Zürcher, die älter als sechzig Jahre sind, ein Profil anlegen, um ausgeschriebene Wohnungen einzusehen und sich sodann um eine Wohnung zu bewerben.

Die Plattform ist bereits online, damit sich die Benutzerinnen und Benutzer schon einmal mit den verschiedenen Funktionen vertraut machen können. Erste Bewerbungen sind aber erst ab dem 2. Oktober möglich – sofern dann überhaupt Wohnungen frei sind, um die sich die Interessenten bewerben können.

Für all jene, die sich in der digitalen Welt nicht so sicher fühlen, bietet die Stadt analoge Unterstützung an: In zahlreichen städtischen Alterszentren besteht die Möglichkeit, sich vor Ort beraten zu lassen, jeweils wochentags von 8 Uhr bis 11 Uhr 30.

Daneben wird eine telefonische Hotline eingerichtet. Schliesslich vermittelt auch die Organisation Nachbarschaftshilfe speziell geschulte freiwillige Helfer, die Interessenten bei ihrer Bewerbung helfen.

Neue Praxis entspricht Hauris Ankündigungen

Zu jeder Wohnungsbesichtigung werden zehn Personen eingeladen. Drei davon sind zufällige Kandidatinnen oder Kandidaten. Die restlichen sieben müssen eine Reihe von Kriterien erfüllen: Sie müssen einen direkten Bedarf an einer Alterswohnung oder einen Bezug zum Quartier vorweisen können.

Die Chancen steigen weiter, wenn Bewerbern in ihrer bisherigen Wohnung eine Kündigung droht und sie bei der Wohnungssuche in ihren finanziellen Mitteln oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Und schliesslich werden Bewerber bevorzugt, die bereits weit oben auf einer Warteliste gestanden haben.

Damit entspricht das Angebot ziemlich genau dem, was der Gesundheitsvorsteher Andreas Hauri (GLP), der auch Stiftungsratspräsident der SAW ist, vor einem Jahr versprochen hat. Die Ankündigung war eine Reaktion auf die grosse allgemeine Entrüstung, die sich 2021 entladen hatte, als sich der Stadtrat zum ersten Mal mit der Thematik beschäftigt hatte. Schon damals wollte der Stadtrat der unbefriedigenden Situation mit den schier unendlich langen Wartelisten ein Ende bereiten.

Senioren gingen auf die Strasse

Das System mit den Listen stammt aus den fünfziger Jahren – einer Zeit, in der das Angebot in einem besseren Verhältnis zur Nachfrage stand und die Wartezeiten kürzer waren.

Um die Wartelisten zu ersetzen, wollte der Stadtrat eine Lotterie einführen, die die Alterswohnungen nach dem Zufallsprinzip verteilt hätte. Das hätte den Missstand behoben, dass Interessenten unabhängig von ihrem Bedarf früher an die Reihe kommen, wenn sie sich früher auf die Liste setzen.

Doch dieses Vorhaben führte bei vielen alten Menschen zu noch mehr Irritationen – so sehr, dass im Juli 2021 etliche Rentnerinnen und Rentner vor dem Parlament gegen die «Lösli»-Wohnungen demonstrieren gingen, wie der «Blick» schrieb. Hauri soll unzählige Beschwerdebriefe bekommen haben. Schliesslich entschuldigte er sich öffentlich.

Nun hat er sein Versprechen gehalten, innert eines Jahres ein neues System auszuarbeiten. Damit stehen die Chancen gut, dass die leidvolle Geschichte des Vergabesystems für Alterswohnungen ein Ende nimmt.

Wartezeiten bleiben lang

Die Wartezeiten wird allerdings auch das neue Vergabesystem nicht verkürzen können. Dazu muss die Stadt zuerst mehr Alterswohnungen bauen. Dass dies auch der Wille der jüngeren Bevölkerungsgruppen ist, zeigte sich im Juni dieses Jahres.

Damals nahm die Stimmbevölkerung die Initiative «Plus 2000 Alterswohnungen bis 2035» mit einem Ja-Anteil von über 90 Prozent an. Bis dahin lautet die Devise: einloggen. Und dann noch einmal zehn Jahre warten.

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