Dienstag, März 18

Angesichts der Krise mit Washington pflegt der neue kanadische Regierungschef in Paris und London historische Wurzeln und Allianzen. Eine Schlüsselrolle kommt König Charles als Staatsoberhaupt zu.

Eines hat Mark Carney nach seinem Aufstieg zum kanadischen Premierminister Ende letzter Woche deutlich gemacht: «Kanada wird nie und nimmer Teil der USA werden.» Damit reagierte er auf die Attacken Donald Trumps, der einen Handelskrieg vom Zaun gebrochen hat, Kanada als 51. amerikanischen Gliedstaat bezeichnet und damit die Souveränität des Landes rhetorisch infrage stellt. Gleichzeitig stimmte Carney das Land auf den nahenden Wahlkampf ein, da er in Kürze Neuwahlen ausrufen und sich um ein Mandat des Wahlvolks bemühen muss.

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Am Montag nun hat Carney auch seine erste Auslandsreise im Amt dazu genutzt, die Unabhängigkeit von den USA zu unterstreichen. «Kanada ist auf den Pfeilern von drei Völkern gebaut – den Indigenen, den Franzosen und den Briten», hatte Carney bei seiner Amtseinsetzung erklärt. Anstatt wie üblich zuerst nach Washington zu reisen, besuchte Carney mit Frankreich und Grossbritannien die beiden ehemaligen europäischen Kolonialmächte. Geplant war vor seiner Rückkehr nach Ottawa auch ein Zwischenstopp im arktischen Nunavut, dem vorwiegend vom Volk der Inuit bewohnten nördlichsten Gebiet Kanadas.

Subtile Unterstützung

«Kanada ist das europäischste aller nichteuropäischen Länder», sagte Carney nach seiner Ankunft in Paris. Im Gegenzug bezeichnete der französische Präsident Emmanuel Macron Kanada als «einzigartigen Freund». Anders als die USA, die sich gewaltsam von der britischen Krone lossagten, verfolgte Kanada einen graduellen und friedlichen Weg hin zur Unabhängigkeit. Bis heute pflegt Kanada über das Commonwealth und die Francophonie enge kulturelle Beziehungen mit den Gründerstaaten.

Vor allem aber ist Kanada keine Republik, sondern eine konstitutionelle Monarchie mit dem britischen Monarchen als Staatsoberhaupt. Entsprechend hohe Symbolkraft kam Carneys Audienz bei Charles III. zu, der den Titel des Königs von Kanada führt. Denn sollte Trump tatsächlich versuchen, sich Kanada einzuverleiben, käme dies auch einem schweren Schlag für den König und das von ihm präsidierte Commonwealth gleich.

Zur Enttäuschung vieler Kanadier hat der Monarch bisher nicht deutlich gegen Trumps Avancen Stellung bezogen. Zum einen folgt Charles dem Gebot der Neutralität, das ihm nicht nur die Parteinahme in innenpolitischen Fragen verbietet, sondern ihm auch in der Aussenpolitik Zurückhaltung auferlegt. Zum anderen will der britische Premierminister Keir Starmer den König in seine Bemühungen einspannen, die transatlantischen Beziehungen zu verbessern und zwischen Europa und der Ukraine sowie den USA zu vermitteln.

Auf die Bitte Starmers hin liess Charles III. Trump eine Einladung für einen präzedenzlosen zweiten Staatsbesuch zukommen, nachdem der Präsident während seiner ersten Amtszeit bereits von Königin Elizabeth II. empfangen worden war. Trump, der sich gerne in der Gesellschaft der britischen Royals sonnt, reagierte geschmeichelt. Auch um seine inoffizielle Vermittlungsrolle nicht zu gefährden, sieht der König von öffentlicher Kritik an Trump ab.

Das hindert ihn freilich nicht daran, seine Verbundenheit mit Kanada auf subtile Weise zum Ausdruck zu bringen. So trug der König unlängst beim Besuch eines Kriegsschiffs die kanadischen Orden an seiner Uniform. Zudem pflanzte er einen Ahornbaum im Garten des Buckingham-Palasts und überreichte einem königlichen Abgesandten im kanadischen Parlament ein neues Schwert. Prinzessin Kate trug derweil beim Besuch eines Gottesdienstes in der Westminster Abbey ein Kleid und einen Hut im Rot der kanadischen Flagge, was Beobachter als bewusstes Zeichen der auf alle Details achtenden Königsfamilie interpretierten.

Starmers Balanceakt

Einen diplomatischen Balanceakt vollzieht auch Premierminister Starmer, der Carney für Montagabend an den britischen Regierungssitz an die Downing Street 10 eingeladen hatte. Kanada gehört für Grossbritannien zu den wichtigsten Verbündeten. So schätzt es Starmer, dass sich die Kanadier offen zeigen für eine Beteiligung an der geplanten «Koalition der Willigen», die dereinst in der Ukraine einen allfälligen Waffenstillstand überwachen könnte. Am Wochenende nahm Carney an einer virtuellen Sitzung teil, die Starmer einberufen hatte.

Gleichzeitig bemüht sich Starmer, Trump in der europäischen Sicherheitsarchitektur zu halten und einen Handelskrieg mit den USA zu vermeiden. Als er bei seinem Besuch in Washington von einem Journalisten auf Trumps Angriffe auf die kanadische Souveränität angesprochen wurde, gab er eine ausweichende Antwort.

Nach Carneys Treffen mit Starmer in London war keine Pressekonferenz geplant. Am Abend liess Starmer bloss über einen Sprecher verlauten, die beiden Länder seien «engste souveräne Alliierte und Freunde», wobei man sich über die gemeinsame Geschichte, Werte, die Mitgliedschaft im Commonwealth und den König verbunden sei.

Carney dürfte hoffen, dass ihm die Pflege von Kanadas europäischen Wurzeln und Allianzen mit Blick auf die Wahlen nützt. Trump hat in dem Land nicht nur eine Welle des Patriotismus ausgelöst, sondern auch die Verbundenheit mit Europa gestärkt. Während der amerikanische Präsident die EU mit Misstrauen betrachtet, befürworteten jüngst in einer Umfrage 44 Prozent der Kanadier einen EU-Beitritt ihres Landes. In Brüssel zeigte sich eine Kommissionssprecherin positiv überrascht, wobei sie darauf hinwies, dass nur europäische Staaten als Mitglieder infrage kämen.

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