Donnerstag, Mai 15

Im ersten Quartal ist das Schweizer Bruttoinlandprodukt noch gewachsen. Doch seit Trumps «Liberation Day» ist das vorbei. Es ist eine Zäsur wie in der Corona-Krise.

Anfang Jahr hat die Schweizer Wirtschaft nochmals eine kurze Blüte erlebt. Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) ist im ersten Quartal – also von Januar bis März – um 0,7 Prozent gewachsen. Diesen überdurchschnittlich hohen Wert hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag mitgeteilt.

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Ein wichtiger Grund dafür war wohl, dass die Schweizer Industriefirmen noch eilig Güter in die USA verschifften, bevor US-Präsident Donald Trump am 2. April im Rosengarten des Weissen Hauses seine Zollpolitik verkündete. Dieses Vorholen trieb das BIP nach oben. Auch die Dienstleistungen scheinen sich im ersten Quartal noch gut entwickelt zu haben.

Erinnerungen an die Corona-Krise

Doch seit dem «Liberation Day» ist alles anders. Trump belegte die Schweiz mit einem überraschend hohen Strafzoll von 31 Prozent. Dieser wurde zwar später für 90 Tage ausgesetzt, doch der Schaden war angerichtet.

Nach Trumps Zollschock legte die Schweizer Wirtschaft eine Vollbremsung hin. Dies zeigt jetzt erstmals ein Echtzeit-Indikator des Seco, der die Schweizer Wirtschaftsaktivität auf wöchentlicher Basis misst. Ab Mitte April bis Anfang Mai kühlte sich die Konjunktur schlagartig ab. Es ist ein Einbruch, wie man ihn seit der Corona-Krise nicht mehr gesehen hat.

Laut Angaben des Seco steht hinter dem Einbruch vor allem der Aussenhandel. Seit April scheinen die Schweizer Industriefirmen deutlich weniger exportiert zu haben. Zum Teil mag das daran liegen, dass man die Lager in den USA vorher noch gefüllt hatte. Doch klar ist auch, dass Trumps Zollschock zu einer grossen Unsicherheit geführt hat und sich die Exportfirmen nun zurückhalten.

Ein Deal mit Trump wäre wichtig

Die Industrie (inkl. Pharmaindustrie) trägt rund ein Viertel zum Schweizer BIP bei. Wichtiger ist sie indessen für die Schwankungen der Konjunktur: Während sich die Binnenwirtschaft meist stabil entwickelt, ist die exportorientierte Industrie von den Bewegungen der Weltwirtschaft abhängig. In guten Zeiten treibt die Exportindustrie das Schweizer Wachstum nach oben; in schlechten Zeiten dämpft sie es.

In der Krise ist nun vor allem das verarbeitende Gewerbe, etwa die Maschinenindustrie. Sie war bereits vor Trump unter Druck – vor allem wegen der Probleme der deutschen Autoindustrie, mit der sie eng verflochten ist. Womöglich wird es in der Industrie wieder zu mehr Anmeldungen von Kurzarbeit kommen.

Der Einbruch vom April zeigt: In der Exportindustrie geht es ans Lebendige. Es kommt jetzt vor allem darauf an, wie es im Verhältnis mit den USA weitergeht. Die 90-tägige Schonfrist bei den Zöllen läuft Anfang Juli aus. Wenn es der Schweizer Politik gelingt, vorher ein Abkommen mit der Trump-Administration auszuhandeln, das für Stabilität und niedrige Zölle sorgt, könnte der Handel relativ rasch wieder anspringen. Dann könnte auch das Schweizer BIP ab dem dritten Quartal wieder wachsen.

Wohl keine Rezession

Die Konjunkturbeobachter gehen vorerst nicht davon aus, dass es in der Schweiz zu einer ausgewachsenen Rezession – also einer länger andauernden Schrumpfung der Wirtschaftsleistung – kommen wird. Die Ökonomen der UBS zum Beispiel rechnen für 2025 mit einem realen BIP-Wachstum von 1 Prozent, wie sie diese Woche bekräftigten.

Der Hauptgrund dafür ist, dass die Binnenwirtschaft weiterhin stabil läuft. Stützend wirkt der Privatkonsum. Die Schweizer Wirtschaft wächst mithin vor allem wegen der hohen Zuwanderung: Mehr Menschen im Land bedeuten eine höhere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen.

Dennoch ist schon jetzt klar: 2025 wird wirtschaftlich kein gutes Jahr. Im besten Fall gelingt es, ein unterdurchschnittliches BIP-Wachstum zu erreichen. Damit würde 2025 das dritte schwache Jahr in Folge. Bereits 2023 und 2024 legte die Wirtschaftsleistung nur wenig zu.

Stagnierender Wohlstand in der Schweiz

Besonders ins Gewicht fällt dies für das Bruttoinlandprodukt pro Kopf, das am meisten verwendete Mass für den materiellen Wohlstand. Wenig BIP-Zunahme bei gleichzeitig wachsender Bevölkerung bedeutet, dass das BIP pro Kopf stagniert oder sogar leicht zurückgeht. In den Jahren 2023 und 2024 hat es bereits eine leichte Abnahme des BIP pro Kopf in der Schweiz gegeben. Auch 2025 könnte das passieren. Das heisst: Für den durchschnittlichen Einwohner geht es seit 2023 wirtschaftlich kaum mehr voran.

Was Donald Trump im Weissen Haus aufführt, kann der breiten Bevölkerung deshalb nicht egal sein. Für die wirtschaftlichen Aussichten in den kommenden Monaten wird es entscheidend sein, ob die Schweizer Politik mit der Trump-Administration einen guten Deal aushandeln kann.

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