JJ hat philippinische Wurzeln und ist in Dubai aufgewachsen. Den Sieg sicherte er sich mit einer Mischung aus Pop und Oper – und einem Schweizer Produzenten.

«Now you’re gone – all I have is wasted love», singt ein junger Mann –Jetzt bist du weg und alles, was ich habe, ist vergebene Liebe. Er steht auf einem Segelboot, im Hintergrund tobt ein Sturm.

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So traurig die Botschaft des Songs, so erfolgreich der Sänger: JJ, 23-jährig, gewinnt mit «Wasted Love» den Eurovision Song Contest in Basel. Er wurde bereits im Vorfeld als möglicher Sieger gehandelt, doch in diesem Final schien bei der Punktevergabe kein Favorit seiner Rolle gerecht zu werden – ausser der Österreicher.

Er sei tatsächlich überrascht, dass er gewonnen habe, sagte JJ nach der Show. «Man kann den Buchmachern aber nie ganz vertrauen.» Das Voting am ESC-Finale war spannend wie selten und am Ende ging JJ als Sieger von der Bühne. Knapp hinter ihm landete Yuval Raphael aus Israel mit «New Day Will Rise» auf dem zweiten Platz.

JJ gewinnt auch als erster Philippino den ESC

Der Bruch ist JJs Erfolgsgeheimnis: Er mischt Oper mit Pop und Techno und entwickelte sich mit seiner spitzbübischen Art und seinem beeindruckenden Stimmumfang zum Liebling der Jury und des Publikums.

Johannes Pietsch, wie JJ mit bürgerlichem Namen heisst, hat philippinische Wurzeln. Er wurde 2001 in Wien geboren und wuchs in Dubai auf, bis er mit 15 Jahren nach Österreich zurückkehrte. «Ich bin stolz, der erste Philippino zu sein, der den ESC gewinnt», sagt JJ nach der Show. Daraufhin bedankte er sich in Tagalog, einer der philippinischen Hauptsprachen, bei seinen Landsleuten für ihre Unterstützung.

JJ – Wasted Love (LIVE) | Austria 🇦🇹 | Grand Final | Eurovision 2025

JJ hat «Wasted Love» selbst mitgeschrieben. «Er ist aus einer persönlichen Erfahrung heraus entstanden. Ich hatte zu viel Liebe zum Ausschütten und es kam dann nichts mehr zurück. Das war dann eben die ‹vergeudete Liebe›», erklärt er kürzlich gegenüber der Zeitschrift «Bunte».

2025 war eine «Pele-Vision»

Während JJ jubelte, sprang ein Mann in seine Richtung, der am diesjährigen Wettbewerb die heimliche musikalische Macht war: Pele Loriano. Der erfahrene Schweizer Musikproduzent ist nicht nur Talent ESC-Talent-Scout für das Schweizer Radio und Fernsehen SRF, er war in diesem Jahr für vier Beiträge mitverantwortlich. Einer von ihnen war jener JJs, des Sängers, der Loriano zum ersten Mal an der österreichischen Talentshow Starmania aufgefallen war.

Loriano sagte im Vorfeld über seinen Schützling: «Der Refrain haut dich einfach um.» Er hielt es immer für möglich, dass JJ gewinnt – und sollte recht behalten.

Es ist Pele Lorianos zweiter Sieg in Folge. Loriano hat schon Nemos letztjährigen Siegersong «The Code» produziert, dieses Jahr komponierte er so viel Musik für den Wettbewerb wie nie zuvor. Der ESC 2025 könnte eine «Pele-Vision» werden, haben Kollegen Lorianos aus der Musikszene im Vorfeld angekündigt. So war Loriano nicht nur für mehrere Wettbewersbeiträge mitverantwortlich, sondern auch für musikalische Teile der Show, in denen sich die Schweiz als Gastgeberin präsentierte. Loriano steht für die Professionalisierung der ESC-Welt, allen voran jener der Schweiz.

Auch «Voyage», das Chanson der Schweizerin Zoë Më, entstand in Zusammenarbeit mit Loriano. Sie landete mit dem Jury-Voting auf dem zweiten Platz, konnte hingegen beim Publikum nicht punkten. Im Vorfeld war immer wieder die Frage aufgetaucht, ob sich Zoë Më, die versierte Sängerin, auch zu einem fernsehtauglichen Star entwickeln würde. Offenbar ist ihr das zu wenig gelungen. So richtig wohl schien sie sich auf der grossen, schrillen ESC-Bühne nie zu fühlen.

JJ ist mehr als bloss ESC-Klamauk

Nach seinem Stimmbruch stelle JJ fest, noch immer sehr hoch singen zu können – und brachte sich den klassischen Gesang selbst bei. Er gilt als Countertenor, also als Tenor, dessen Stimmlage bis in den Sopran reicht. Heute studiert Johannes Pietsch am Konservatorium in Wien klassischen Gesang und tritt auch an der Wiener Staatsoper auf.

Im Vorfeld der Show hatte Pietsch gesagt, es sei ihm wichtig, die klassische Musik auch einem jungen Publikum zu präsentieren und zu zeigen, dass es mehr gebe als «schnelle Gesänge oder laute Instrumente». An der Pressekonferenz betonte er auch, wie stolz er sei, die queere Community zu repräsentieren.

JJ erinnert in vielerlei Hinsicht an die nonbinäre Person Nemo, die im vergangenen Jahr den Contest für die Schweiz gewann. Pietsch hat denselben Produzenten, setzt sich öffentlich für queere Anliegen ein und sticht als Künstler mit seinen musikalischen Fähigkeiten heraus. JJ ist mehr als der übliche Eurovision-Klamauk.

Am Samstagabend fiel Pietsch mit einem aussergewöhnlichen und musikalisch hochstehenden Beitrag auf, der doch alle Elemente enthält, der ein ESC-Gewinnersong braucht: grosse Gesten, Kitsch, Liebe, das richtige Tempo und visuelles Drama.

«Wir habn den Schas gwunnan»

Es ist nicht das erste Mal, dass JJ an einem Musikwettbewerb teilnimmt. Er war schon 2020 an der britischen Version von «The Voice» dabei, schied jedoch in den sogenannten Knockouts aus. 2021 schaffte es Pietsch ins Finale der österreichischen Castingshow «Starmania». Ausgerechnet am grössten aller Musikwettbewerbe sollte JJ endlich der Sieg gelingen.

Mit JJs Beitrag gewinnt Österreich den ESC zum dritten Mal. 1966 gewann Udo Jürgens mit «Merci, Chérie», damals noch in Schwarz-Weiss. Erst 2014 holte die Drag Queen Conchita Wurst mit «Rise Like a Phoenix» den zweiten Sieg für Österreich. Es dürfte als Hommage an Udo Jürgens zu verstehen sein, dass auch JJ seinen Auftritt in Schwarz-Weiss übertragen liess. Auch Wurst inspirierte JJ: Seit ihrem Sieg schaute er zusammen mit seiner Familie regelmässig den ESC. «Ich fühle mich absolut geehrt», sagte JJ bei der Pressekonferenz auf den dritten Sieg nach Jürgens und Wurst angesprochen.

«Jetzt hat uns die den Schas gewonnen», sagte der österreichische Moderator Andi Knoll nachdem Conchita Wurst 2014 gewonnen hatte. Nun also wird auch die 70. Ausgabe des Eurovision Songcontest in Österreich stattfinden. Oder wie es JJ in Anlehnung an Knoll formulierte: «Leitln, wir habn den Schas gwunnan.»

«Es wäre gut, wenn die Show in Wien stattfinden würde, mein Freund lebt gleich um die Ecke der Stadthalle», sagt JJ. Er lacht. Eine letzte Bitte hat er noch, bevor die Pressekonferenz zu Ende ist: «Nun da ich gewonnen habe, ORF – kann ich bitte mit Conchita moderieren nächstes Jahr?»

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