Green Bonds sind ein zentraler Baustein zur Finanzierung der Transformation hin zu nachhaltigerem Wirtschaften. Doch das Emissionsvolumen stagniert seit mehreren Jahren.
Das Pariser Klimaziel gerät ausser Reichweite. Die Daten des europäischen Klimadienstes Copernicus zeigen: 2024 war das wärmste je gemessene Jahr. Die durchschnittliche Temperatur war mehr als 1,5 Grad höher als vor der Industrialisierung.
Auf dieses Niveau hätte gemäss dem Pariser Klimaabkommen der Temperaturanstieg bis 2050 eigentlich begrenzt werden sollen.
Ein einmaliges Überschreiten des Temperaturgrenzwertes bedeutet zwar nicht, dass der Trend unumkehrbar ist. Es mahnt aber zumindest zu verstärkten Anstrengungen, die Klimaerwärmung zu bremsen.
Dazu soll auch der Finanzmarkt beitragen, indem die Allokation von Geldern dahingehend beeinflusst wird, dass klimaschonende Technologien gefördert werden und die Kapitalkosten für Geschäftsmodelle steigen, die durch den ungehinderten Ausstoss von Treibhausgasen florieren.
Die Abkürzung für diesen Anlagestil lautet ESG und steht für Investitionen, die unter Berücksichtigung von Umwelt, Gesellschaft und guter Unternehmensführung ausgewählt werden – auf Englisch Environmental, Social and Governance.
Doch gerade in der Zeit, in der besonders viel Geld für die Transformation solcher Geschäftsmodelle sowie für die Energiewende notwendig wäre, streiken die Kapitalgeber.
Eindrücklich zeigt sich das am Neugeldfluss in nachhaltige Fonds und ETF.
Im Hoch waren gemäss Morningstar weltweit quartalsweise mehr als 150 Mrd. $ in ESG-Produkte geflossen. Seit 2022, dem ersten Jahr seit 2015, in dem die Performance von ESG-Produkten hinter der von konventionellen Anlagen zurückblieb, ist es nur noch ein Bruchteil davon.
Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei nachhaltigen Anleihen. Zwar erreichte das Volumen von Neuemissionen dieser Finanzierungsinstrumente ebenfalls 2021 ein Rekordniveau von mehr als 1000 Mrd. $. Doch der anschliessende Rückgang fiel deutlich geringer aus.
Moody’s sieht das Volumen seither konstant bei rund 1000 Mrd. $ – und erwartet dieses Niveau auch für das laufende Jahr.
(Zur Entwicklung und Bedeutung der verschiedenen Kategorien nachhaltiger Anleihen unten mehr.)
Betrachtet man jedoch den Anteil nachhaltiger Anleihen am Gesamtvolumen neu aufgelegter Fonds, so zeigt sich auch hier ein klarer Trendbruch: Bis 2022 stiegen nachhaltige Anleihen in der Gunst der Investoren stark an – auf einen Anteil von 14%. Seither haben sie Terrain eingebüsst, auch wenn S&P Global Ratings davon ausgeht, dass nachhaltige Anleihen ihren Anteil von 11% aus dem Vorjahr auch in diesem Jahr verteidigen können.
Die Ratingagenturen Moody’s und S&P Global Ratings begründen den Anteilsverlust nachhaltiger Anleihen und ihre Erwartung einer Stabilisierung mit teilweise gegenläufigen Trends. Grosse Konzerne, vor allem Öl- und Gasproduzenten, haben ihre Klimaambitionen zurückgeschraubt und benötigen weniger Finanzierungen für alternative Energieprojekte.
Dazu kommt der politische Stimmungswandel in den USA, der sowohl öffentlich finanzierte grüne Projekte bremsen als auch das Engagement von Finanzinstituten in diesem Bereich bremsen könnte. Alle namhaften US-Banken sind bereits aus der Net-Zero Banking Alliance ausgetreten, und die von ihnen generierten Emissionen nachhaltiger Anleihen waren 2024 trotz eines insgesamt steigenden Anleihevolumens rückläufig.
Angesichts einer ohnehin bereits niedrigen Penetration – gemäss den Analysten der Bank of America sind zwar 22% der 2024 emittierten nachhaltigen Anleihen in Dollar denominiert, davon entfallen aber nur knapp 30 Mrd. $ auf US-Emittenten – erwartet Moody’s trotz des politischen Gegenwinds keinen weiteren Rückgang des US-Emissionsvolumens. Dies, zumal verstärkte private Investitionen in energie- und wassereffiziente Datencenter, in die Nuklearenergie sowie in erneuerbare Energien weiter steigen dürften.
Europa und Asien sollen es richten
Das grösste Volumen nachhaltiger Anleihen stammt seit jeher aus Europa – 2024 stand der Kontinent gemäss Moody’s für nahezu die Hälfte der Neuemissionen, gefolgt von Asien-Pazifik mit rund 25%.
Aus diesen Regionen erwarten die Ratingagenturen auch 2025 ein stabiles Angebot, insbesondere da neu eingeführte Regulierungen für mehr Transparenz und Vertrauen sorgen sollen, dass mit nachhaltigen Anleihen tatsächlich Projekte finanziert werden, die einen zusätzlichen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft leisten.
Konkrete Projekte finanzieren
Wer mit einem ESG-Blick Aktien auswählt – Titel grüner Unternehmen ins Portfolio legt und Klimasünder aussondert – kann zwar den persönlichen finanziellen Fussabdruck verringern, einen direkten zusätzlichen Nutzen für die Umwelt bringt das aber nicht. Die «dreckigen» Aktien hält dann einfach jemand anderer.
Anders sieht das bei der Emission nachhaltiger Anleihen aus. Mit ihnen wird frisches Geld aufgenommen, mit dem in der Regel projektbezogen direkt neue Aktivitäten finanziert werden. So entsteht eine zusätzliche positive Wirkung – von der Forschung an neuen Technologien über den Bau von Windparks bis hin zum Schutz der Artenvielfalt in Gewässern.
Nachhaltige Anleihen sind in unterschiedliche Segmente unterteilt: Green Bonds dienen der Finanzierung von Projekten mit einem ökologischen Nutzen und sind so ausgestaltet, dass der Emissionserlös ausschliesslich für vorab definierte Projekte verwendet wird.
Social Bonds dienen gesellschaftlichen Zielen – oft der Finanzierung von Infrastruktur, beispielsweise für Trink- und Abwasser, Verkehr oder Projekte zur Arbeitsplatzsicherheit. Werden mit einer zweckgebundenen Anleihe Aktivitäten finanziert, die sowohl einen ökologischen als auch einen sozialen Nutzen versprechen, spricht man von Sustainability Bonds.
Ziel- statt projektgebunden
Das jüngste – und umstrittenste Segment nachhaltiger Anleihen sind Sustainability-linked Bonds. Diese Anlageform unterscheidet sich von Green, Social und Sustainability Bonds dadurch, dass der Emissionserlös nicht an spezifische Projektinvestitionen gebunden ist, sondern dem allgemeinen Finanzierungsbedarf eines Unternehmens dient.
Die ESG-Kriterien von Sustainability-linked Bonds sind an übergeordnete Parameter geknüpft, die für die Auswirkungen des Geschäftsmodells auf die Umwelt oder die Gesellschaft insgesamt relevant sind, oder zumindest sein sollten.
Für Aufsehen sorgte in diesem Zusammenhang der Moderiese Chanel, der bei der Emission eines Sustainability Linked Bonds eine Reduktion der CO2-Emissionen um 10% bis 2030 in Aussicht stellte. Nach der Ausgabe des Bonds stellte sich heraus, dass diese bereits vor der Lancierung um 20% unter die in der Dokumentation festgelegte Vergleichsbasis gesenkt worden war.
Solches Vorgehen und allgemein schwache Dokumentationen bei nachhaltigen Anleihen haben Vorwürfe von «Greenwashing» aufkommen lassen und die Investitionsfreude in nachhaltige Anleihen insgesamt gedämpft. Sustainability-linked Bonds sind derzeit kaum gefragt, obwohl sie genau jenen Unternehmen helfen würden den Finanzmarkt für Nachhaltigkeit anzuzapfen, die im Grunde kein «grünes Geschäftsmodell» mit spezifischen Projektfinanzierungsmöglichkeiten anbieten können.
Holcim etwa hat als Pionierin im Zementbereich einen Sustainability-linked Bond ausstehend mit dem Ziel, den CO2-Ausstoss je Tonne Zement von im Schnitt 561 Kilogramm bis 2030 auf 475 Kilogramm zu senken – inzwischen wird gar eine Reduktion auf 420 Kilogramm angestrebt.
Im Kommen sind sogenannte Transition Bonds. Mit ihnen soll frisches Geld aufgenommen werden, um projektfinanziert die Transformation eines Unternehmens hin zu mehr Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Klare Richtlinien fehlen allerdings noch, und bisher ist dieses Segment fast ausschliesslich auf Japan konzentriert.
Statt Klimaschutz, Schutz vor der Klimaveränderung
Das mit Abstand grösste Segment sind und bleiben die klassischen Green Bonds. Sie machen mehr als die Hälfte des gesamten Emissionsvolumens nachhaltiger Anleihen aus.
Angesichts der bereits fortgeschrittenen Klimaerwärmung gewinnt jedoch die Finanzierung der Anpassung an die neue Realität immer mehr an Bedeutung.
So haben die Niederlande beispielsweise ihre Richtlinien für die Ausgabe grüner Anleihen dahingehend ergänzt, dass das Instrument auch zur Finanzierung des Hochwasserschutzes eingesetzt werden kann. Moody’s erwartet zudem, dass US-Versorger ihre Anstrengungen zur Verbesserung der Netzsicherheit – beispielsweise einen wirksameren Schutz vor Waldbränden – künftig verstärkt über Green Bonds finanzieren.
Nachdem die International Capital Market Association (ICMA) Richtlinien für die Finanzierung einer nachhaltigen Meeresökonomie veröffentlicht hat – diese sogenannte Blue Economy ist ein Teil des Gesamtkonzepts der Green Economy und qualifiziert ebenfalls für nachhaltige Anleihen – steigt laut Moody’s die Zahl der Emittenten in diesem Bereich. Sie nutzen das «Blaue Label» zur Finanzierung von Meeres- und Küstenprojekten – von der Sicherung der Wasserversorgung bis zum Bau von Hafenanlagen.
Insgesamt, so die Analysten von Moody’s, hat sich das Volumen von Projekten, die nicht primär auf den Klimaschutz, sondern auf die Anpassung an den Klimawandel abzielen, in den letzten fünf Jahren auf einen Anteil von fast 25% der neu über Green Bonds aufgenommenen Mittel verdoppelt.
Nachhaltige Anleihen vor der Bewährungsprobe
Zudem steht das Nachhaltigkeitssegment insgesamt vor einer Neuerung, zumindest was das Volumen betrifft: In den vergangenen zehn Jahren wurden laut S&P Global Ratings gut 700 Mrd. $ an nachhaltigen Anleihen fällig und refinanziert. Allein im Jahr 2025 wird mehr als die Hälfte dieser Summe fällig – und bis zum Ende des Jahrzehnts werden 1900 Mrd. $ dazukommen.
S&P Global Ratings erwartet, dass diese Kapitalrückführung in den Markt nach dem Übergangsjahr 2025 die Nachfrage nach Neuemissionen befeuert.
Es könnte aber auch ein neues Spannungsfeld entstehen: Das Interesse vieler Unternehmen, sich ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele zu setzen, hat inzwischen nachgelassen. Gleichzeitig sind aber die Anforderungen von Regulatoren und Investoren an die Ausgestaltung und Dokumentation nachhaltiger Finanzinstrumente stark gestiegen.
Die Analysten von S&P Global Ratings stellen daher die Bereitschaft der Emittenten in Frage, den aufkommenden Refinanzierungsbedarf wieder durch die Emission von Anleihen zu decken, die explizit alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
Im Hinblick auf die positive Wirkung für Umwelt und Gesellschaft ergibt sich durch die aufkommende Refinanzierungsflut ein weiteres Problem: Wenn nachhaltige Anleihen durch die Ausgabe neuer Anleihen ersetzt werden, fliesst kein neues Geld in neue Projekte. Der Nutzen der bestehenden Investitionen bleibt zwar erhalten, es werden aber keine zusätzlichen positiven Wirkungen geschaffen.
Genau das jedoch zeichnet in der Regel die Emission von Nachhaltigkeitsanleihen aus – und unterscheidet dieses Finanzinstrument hinsichtlich seines Nutzens für Umwelt und Gesellschaft vom ESG-orientierten Aktienhandel.