Dienstag, November 26

In Berghütten gilt seit Jahrzehnten ein besonderer Knigge. Mit diesen zwölf Tipps umwandert man peinliche Situationen.

Berghütten bieten inmitten einer rauen Gebirgslandschaft seit je eine heimelige Atmosphäre. Doch die Kundschaft hat sich verändert. Städter, Wanderer, Wochenendausflügler strömen in die Berge und füllen die Massenlager der Hütten. Einige der Gäste bestellen Cappuccino mit Hafermilch, beschweren sich über fehlende Duschen, tragen Wanderschuhe im Speisesaal.

Eine Berghütte ist kein Hotel. Zunehmend müssen die Hüttenwarte die Gäste daran erinnern, wie man sich in einer Hütte verhält. Der Verband Schweizer Hütten hat deswegen ein Merkblatt mit den wichtigsten Regeln veröffentlicht, den Hütten-Knigge. In den Unterkünften des Schweizer Alpenclubs (SAC) gelten seit Jahrzehnten die gleichen Benimmregeln, sie wurden von Bergsteiger zu Bergsteiger weitergereicht.

1. Fehltritt: nach dem WLAN fragen

SAC-Hütten sind ein Ort des Zusammenseins. Mittlerweile haben viele Hütten WLAN, doch dieses ist dem Hüttenteam vorbehalten. Das ist auch in der Lidernenhütte im Kanton Uri so. Christian Affolter führt die SAC-Hütte gemeinsam mit seiner Frau Eliane Schiess. Er sagt: «Man kommt nicht zu uns, um zu zocken oder an einem Zoom-Meeting teilzunehmen.»

Im Notfall steht den Gästen das Hüttentelefon zur Verfügung. In der restlichen Zeit geniesst man die handyfreie Zone.

2. Fehltritt: mit den Wanderschuhen durch den Speisesaal stampfen

In den SAC-Hütten gibt es für die Füsse eine Uniform aus Plastik. Alle Gäste tragen Crocs. Die Finken stehen im Eingangsbereich der Hütte bereit. Auf keinen Fall kommen die verschwitzten und schmutzigen Wanderschuhe mit aufs Zimmer. Sie bleiben im Schuhraum.

3. Fehltritt: den Hüttenwart siezen

Früher übernachteten vor allem SAC-Mitglieder in den Berghütten, heute ist das Publikum durchmischt. Die vertraute Anrede ist geblieben. In der Lidernenhütte begrüsst Affolter die Gäste mit einem «Hoi, ich bin der Christian». Oberhalb der Baumgrenze ist man per Du. Affolter sagt: «Das Siezen schafft Distanz und Hierarchien. Das brauchen wir beim Bergsteigen nicht.»

4. Fehltritt: das XL-Shampoo einpacken

Eine Dusche für die Gäste ist ein Luxus, den sich die wenigsten Hütten leisten. Wasser und Energie sind in den SAC-Hütten rar. Einige Hütten schmelzen Schnee, um an Wasser zu gelangen, erzeugen mit einem Benzingenerator Strom. In der Lidernenhütte duschen die Mitarbeitenden, die Gäste waschen sich im Waschsaal mit einem Waschlappen. Oder erfrischen sich in einem eiskalten Bergsee.

5. Fehltritt: bei der Ankunft das laktosefreie Menu wünschen

In der Lidernenhütte kocht Affolter auf einem Holzherd ein Viergangmenu für 90 Personen. Eine «Riesen-Challenge» sei das, sagt er. Sonderwünsche machen die Arbeit noch mühsamer. Grundsätzlich gibt es in SAC-Hütten für alle dasselbe Essen, ein vegetarisches Menu ist auf Anfrage immer erhältlich.

Affolter ist bemüht, Unverträglichkeiten und Allergien zu berücksichtigen, sofern die Gäste diese bereits bei der Reservation mitteilen. Viele versäumten das jedoch, sagt Affolter, verlangten erst am Anreisetag nach einem anderen Menu. Er nennt diese Gäste «Spontanier». Für die Hüttenwarte sind kurzentschlossene Gäste ein Ärgernis. Einen Supermarkt gibt es in den Bergen nicht, das Essen wird mit der Bergbahn oder mit dem Helikopter in die Hütte transportiert.

6. Fehltritt: sich auf ein schweigsames Abendessen freuen

In den Bergen werden Fremde rasch zu Vertrauten. Beim Abendessen werden die Gruppen durchmischt an die Tische gesetzt. Ein Namensschild weist die Gäste einem Tisch zu. Die Tischordnung ist verbindlich, man bleibt bis zum Dessert am selben Platz sitzen. Und vielleicht auch noch länger, wenn die Gesellschaft gefällt.

7. Fehltritt: nach der Suppe die Teller zusammenstellen

In SAC-Hütten schöpfen die Gäste das Essen selbst. Die Töpfe werden an den Tisch gebracht. Wer dem Hüttenteam hilft, das Geschirr abzuräumen, sammelt Pluspunkte. Stellen Gäste aber bereits nach dem ersten Gang übereifrig die Teller zusammen, erschweren sie dem Hüttenteam die Arbeit – für Suppe, Salat und Hauptgang gibt es denselben Teller.

8. Fehltritt: die Thermosflasche daheim vergessen

In der Lidernenhütte wird das Trinkwasser mit einem aufwendigen Reinigungssystem aufbereitet, die Gäste können die Trinkflasche im Waschraum auffüllen. Das ist aber die Ausnahme, häufig fliesst in den Hütten kein Trinkwasser. Affolter empfiehlt, eine Thermosflasche einzupacken. Die meisten Hütten bieten am Morgen Marschtee an.

9. Fehltritt: den mitgebrachten Wein trinken

Hüttenwarte freuen sich über durstige und hungrige Gäste. Sie pachten die Hütte von den Sektionen des SAC. Affolter muss drei Viertel des Übernachtungspreises an den SAC abgeben. Bei der Halbpension und den Getränken ist die Abgabe niedriger. Übrigens: Die Übernachtung und die Getränke bezahlt man nach dem Abendessen. Unbedingt genügend Bargeld mitnehmen, Twint und Kartenzahlung funktionieren nicht immer.

10. Fehltritt: ohne Ohrstöpsel im Gepäck loswandern

Schnarchende Zimmernachbarn zerstören die Hüttenromantik, Ohrstöpsel schaffen Abhilfe. Ebenso unabdingbar in den Bergen ist ein dünner Schlafsack. Dieser gewährleistet die Hygiene in den Schlafsälen, die Bettwäsche wird in SAC-Hütten nur unregelmässig gewaschen. Am Morgen bettet man die Bettwäsche so, wie man sie bei der Ankunft vorgefunden hat.

11. Fehltritt: den Abfall in der Hütte liegenlassen

Einen Abfallkübel sucht man in den SAC-Hütten vergebens. Affolter sagt: «Es gibt keine hochalpine Müllabfuhr.» Der Abfall muss mit dem Helikopter ins Tal geflogen werden. Affolter schätzt es, wenn Gäste den Abfall ins Tal tragen. Idealerweise hat man einen Plastikbeutel dabei, um den Abfall zu sammeln.

12. Fehltritt: stundenlang in der Hütte Kaffee trinken

In der Lidernenhütte dürfen Gäste den ganzen Tag verbringen. Doch in den meisten Hütten gilt: Nach dem Frühstück packt man zügig die Sachen, wandert los. Spätestens um 9 Uhr sollten Gäste die Hütte verlassen haben. Das Hüttenteam benötigt die Zeit, um das Haus zu putzen, sich auszuruhen. Die nächsten Gäste sind schon unterwegs.

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