Samstag, Oktober 5

Die Migros hat die Zahl ihrer Fachmärkte stark reduziert. Nach dem Detailhandelsgeschäft nimmt sie nun ihre Industriebetriebe in den Fokus – und räumt dort auf, wo man sich verzettelt hat.

Es sind immer wieder die Schwarzwäldertorten, die als Sinnbild für die Ineffizienz bei der Migros herhalten müssen. Der Grund: Einzelne Regionalgenossenschaften des Detailhändlers haben noch immer unterschiedliche Rezepte für die Herstellung der Torte. Es versteht sich von selbst, dass dies unnötigen Zusatzaufwand verursacht.

Daneben gibt es aber landauf und landab in den Regionen auch unterschiedliche Verpackungsgrössen, die für die Migros-Industrie die Produktion verkomplizieren. Solche Extrawürste, die dann die Kundschaft im Laden zahlen muss, wird man sich in Zukunft vermutlich nur noch in Ausnahmefällen leisten.

Vielleicht sind auch grosse Schokoladenblöcke ein gutes Symbol dafür, was die Migros-Industrie künftig nicht mehr machen möchte. Solche hat die Tochterfirma Delica einst aus der Schweiz in die USA verfrachtet, um sie dort in einer unterdessen geschlossenen Konfektionierungsanlage zu Osterhasen oder Ähnlichem umzuformen.

Bitte nicht verzetteln!

Die Ansage der Migros-Führung Anfang Jahr war klar: Die Industrie soll sich nicht in kleinen Absatzmärkten verzetteln und muss sich auf die Belieferung der eigenen Detailhandelsketten konzentrieren. Neben dem Supermarktkanal sind das Denner, Migrolino und Migros Online.

Der Kurswechsel in der Industrie ist Teil des grossangelegten Umbaus der ganzen Migros-Gruppe. Mit diesem will der Detailhändler im Kerngeschäft, also in den Supermärkten, wieder effizienter werden. Nachdem die Migros bei den Fachmärkten bereits die meisten Formate entweder verkauft oder zum Verkauf ausgeschrieben hat, rückt nun in den kommenden Monaten die Industrie in den Fokus.

Zur angekündigten Restrukturierung gehört das Abwerfen von Ballast. Für die Industriebetriebe sind das Tätigkeiten, die sich finanziell nicht mehr lohnen, und solche, die weit weg von den Schweizer Kunden sind.

Das ist zum Beispiel das erwähnte Geschäft mit dem Export von Schokolade. Hier ist die Migros zum Schluss gekommen, dass sie mit Chocolat Frey kein Markenhersteller wie Lindt & Sprüngli sein kann und will. Das Unternehmen soll künftig schwerpunktmässig für die Schweiz produzieren.

Auch eine Hautkosmetikmarke in Südkorea namens «Dr. G.» mag höchst innovativ sein. Doch vom Schweizer Supermarktkunden sind solche Aktivitäten weit weg. Überhaupt der Kosmetikbereich: Weil rund 70 Prozent der Industrietochter Mibelle ohnehin im Ausland abgesetzt werden, hat die Migros das einst noch unter dem Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler gestartete Unternehmen Anfang Jahr zum Verkauf ausgeschrieben.

Damit kann sich die Migros-Industrieführung stärker auf das Inland konzentrieren, sie verzichtet so aber auch auf grosse Aufträge wie zum Beispiel die Herstellung von Eigenmarken für die deutsche Drogeriemarktkette «dm». Eine Ausnahme könnte das Kaffeekapselgeschäft sein, das Delica für den Export erfolgreich ausgebaut hat.

Anpassung der Produktionsanlagen

Wenn Mibelle dereinst wegfällt und auch die Schokoladenverkäufe im Ausland zurückgefahren werden, wird die Exportquote der Migros-Industrie als ganzer deutlich zurückgehen. Das ist eine Kehrtwende im Vergleich zur früheren Politik, als man die Exportfähigkeit von Produkten als eine Art Fitnesstest für die Betriebe gesehen hat – und als willkommene Auslastung für die Produktionsanlagen.

Fallen also Exportaufträge aus, wird sich früher oder später die Frage stellen, ob die Migros ihre Produktionsanlagen verkleinern muss. Einen Stellenabbau bei Delica hat das Unternehmen bereits angekündigt.

Doch die neue Führung der Migros-Industrie sieht nicht nur in den Fabriken Einsparpotenzial, sondern auch in der Administration der ganzen Industriegruppe. Hier hat der Vorgänger des jetzigen Industriechefs Matthias Wunderlin eine komplexe Matrixorganisation aufgebaut, die eigentlich die Abläufe vereinfachen sollte. Dies ist aber offenbar nicht überall gelungen. Zuweilen führte das Gebilde oberhalb der Produktionsbetriebe statt zu Synergien zu Doppelspurigkeiten und Mehraufwand, wie es aus der Industrie heisst. Darum sind auch hier Arbeitsplätze gestrichen worden.

Mit dem Aufgeben oder Verkaufen von Auslandaktivitäten oder Nischenprojekten ist es aber bei der Migros-Industrie noch nicht getan. Weil das Ziel günstigere Preise im Laden sind, werden auch die übrigen Produktionsbetriebe über die Bücher gehen müssen.

Eine Massnahme für Einsparungen ist eine Straffung des Sortiments. Es ist denkbar, dass gewisse Produkte, die als Migros-Eigenmarken verkauft werden, dereinst nicht mehr von den eigenen Betrieben, sondern von anderen Herstellern produziert werden. Für die Migros-Kosmetik- und -Putzmittelmarken wie «I am», «Handy» oder «Total» dürfte das ohnehin eines Tages der Fall sein, wenn Mibelle verkauft wird.

Möglicherweise eröffnen sich bei der Migros durch die unlängst angekündigte engere Kooperation mit Edeka neue Chancen. Abgesehen von der Bündelung der Beschaffungsmacht mit dem deutschen Detailhandelsriesen könnte das auch neue Absatzmöglichkeiten für die Migros-Industrie bedeuten.

Die geplante Fokussierung der Industriebetriebe ist für die Migros allerdings eine schwierige Gratwanderung. Neben dem Ruf als sozialer Arbeitgeber muss das Unternehmen den Erwartungen der Migros-Kundschaft entgegenkommen, die ungern auf liebgewonnene Produkte verzichtet, aber gleichzeitig nicht gerne zu viel bezahlen will. Schon jetzt ist klar: Der Umbau wird komplexer als die Angleichung von ein paar Schwarzwäldertorten-Rezepten.

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