Montag, Oktober 14

Will die Finanzmarktaufsicht Banken an den Pranger stellen, muss sie mit einem Gesetz manövrieren, das nicht durchdacht ist. Das öffne die Tür für willkürliche Entscheide, kritisieren Experten. Dies zeigt sich auch im jüngsten Fall der Bank Mirabaud.

Die Schweizerische Finanzmarktaufsicht (Finma) verfügt grundsätzlich über ein sehr mächtiges Instrument, um fehlbare Banken mit Sanktionen zu belegen: Bei einer schweren Verletzung von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen kann sie die Verfügung gegen die Bank nach einer abgeschlossenen Untersuchung ganz oder auszugsweise publizieren.

Diese Sanktion wird «Naming and Shaming» genannt und ist der Albtraum jeder Bank. Wird sie verhängt, werden die gesamten Untersuchungsergebnisse und alle Würdigungen der Finma zu ihrem Verfahren veröffentlicht.

Auf Anfrage bezeichnen Experten die Wirkung einer Publikation als «massiv». Genannt würden hier «alle hässlichen Details und wer genau wann was gemacht» habe. Wohlgemerkt grundsätzlich ohne Anonymisierung der involvierten Personen, so die Befragten.

Allerdings: Seit ihrem Bestehen hat die Finma praktisch nie ganze Verfügungen publiziert, wie die Behörde auf Anfrage bestätigt. Selbst nicht bei schweren Verletzungen des Aufsichtsrechts, wie sie zum Beispiel die frühere Credit Suisse (CS) im Fall der Moçambique-Affäre oder des Archegos-Skandals begangen hat. Auch die Untersuchung zu den Venezuela-Geschäften der Bank Julius Bär wurde nicht veröffentlicht.

Überflüssige Sanktion

Der Grund dafür ist ein äusserst pragmatischer, wie Experten erklären. So beruht die Sanktion «Naming and Shaming» auf Artikel 34 des Finanzmarktaufsichtsgesetzes (Finmag). Dieses ist seit dem 1. Januar 2009 vollständig in Kraft. Zur Erinnerung: An jenem Tag nahm die neue Eidgenössische Finanzmarktaufsicht ihre Tätigkeit auf.

Wird «Naming and Shaming» als Sanktion verhängt, muss die betroffene Bank im Voraus darüber informiert werden. Sie kann sich dann mit den ordentlichen Rechtsmitteln gegen die Publikation wehren.

Aus Finma-Kreisen ist nun zu vernehmen, dass «jede Bank eine solche Sanktion bis vor die letzte Instanz anfechten würde», da diese einen massiven Eingriff bedeutete. Bis das Bundesgericht darüber entschieden hätte, würden mehrere Jahre vergehen, heisst es.

Dabei ginge es nicht nur um die Frage, ob eine Publikation überhaupt erfolgen darf. Das Gericht müsste auch klären, ob der Bericht ganz oder teilweise veröffentlicht werden soll und welche Stellen eingeschwärzt werden müssten, so die Experten.

«Diese Sanktion ist in der jetzigen Form überflüssig. Denn sie dauert viel zu lange, bis sie publiziert werden kann», sagen die Befragten deshalb. Zudem würde die Arbeit der Finma international als ineffizient eingestuft. Denn Aufsichtsbehörden in den USA, Grossbritannien oder in der EU informieren in der Regel systematisch mit einer Mitteilung, sobald sie ein Verfahren abgeschlossen haben.

Die Schweiz ist hier ein Sonderfall. Denn die Finma darf im Gegensatz zu den ausländischen Behörden weder automatisch noch regelmässig über den Abschluss ihrer Verfahren informieren, sondern nur in Ausnahmefällen.

Erachtet der Regulator einen Fall als besonders schwerwiegend, kann er – statt die gesamte Verfügung zu publizieren – mit einer Medienmitteilung darüber informieren; Basis dafür ist der Artikel 22 im Finmag. Jährlich publiziert die Finma von dreissig bis vierzig abgeschlossenen Verfahren etwa fünf Medienmitteilungen.

Diese enthalten eine Zusammenfassung der Verfehlungen, die Namen der Bank sowie einzelner Personen werden ebenfalls genannt. Die Betroffenen müssen auch über die Publikation einer Medienmitteilung zuvor informiert werden und können sich auch hier gerichtlich wehren. Doch entscheidet das Gericht in diesen Fällen viel schneller, als wenn es um die Publikation des ganzen Berichts ginge.

Mirabaud wehrt sich

Bisher haben sich nur wenige Banken gegen solche Medienmitteilungen gewehrt. Aber die Bank Mirabaud machte jüngst von diesem Recht Gebrauch. Die Finma hatte ein Verfahren gegen die Genfer Privatbank eingeleitet, weil diese ein verschachteltes Konstrukt aus Konten und Transaktionen eines amerikanischen Milliardärs nicht sorgfältig genug geprüft hatte. Der Kunde war in den USA wegen Steuervergehen angeklagt. Die Bank hatte gar nicht gemerkt, dass dieser Kunde dahintersteckte.

Aufgrund der Anklage des amerikanischen Milliardärs in den USA war der Name Mirabaud bereits vor der Aufnahme des Finma-Verfahrens weltweit in den Medien. Trotzdem wollte die Bank die Publikation der Medienmitteilung verhindern, wie aus dem Bundesgerichtsentscheid hervorging. Sie argumentierte, dass eine Publikation via Mitteilung ja einem «Naming and Shaming» gleichkäme, obwohl die härtere Sanktion gar nicht offiziell verhängt worden sei.

Letztlich entschied das Bundesgericht, dass die Finma die Pressemitteilung veröffentlichen darf. Allerdings urteilten die Richter auch, dass es «nicht zu leugnen» sei, dass eine solche Pressemitteilung eine «indirekte Wirkung des ‹Naming and Shaming› haben könne».

Für ein kleineres Institut wie die Bank Mirabaud ist ein solcher Entscheid äusserst schwerwiegend. Und zeigt, dass Banken nicht ganz zu Unrecht kritisieren, dass die Finma willkürlich darüber entscheidet, welche Verfahren so öffentlich gemacht werden und welche nicht.

Tatsächlich verfügt die Behörde somit auch bei diesem Instrument über einen Ermessensspielraum. Doch verweisen die Befragten auch hier auf den engen rechtlichen Rahmen. Artikel 22 besage klar, dass nur ausnahmsweise publiziert werden dürfe und nur, wenn ein besonderes aufsichtsrechtliches Bedürfnis bestehe wie beispielsweise die Gefährdung der Reputation des Finanzplatzes.

Gleiche Wirkung

Eine Compliance-Expertin bezeichnet dieses Regime der Finma als «problematisch». Vom damaligen Gesetzgeber habe es wohl nicht allzu viele Überlegungen dazu gegeben, dass die Wirkung der Sanktion letztlich die gleiche sei wie bei einer Information per Medienmitteilung in Ausnahmesituationen. Die heutige Situation führe zu einer Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer und öffne die Tür zu Willkür, so die Expertin weiter.

Banker sagen, dass man mit der Bank Mirabaud wohl einfach auch habe zeigen wollen, dass die Schweiz keinerlei Nachsicht mehr zeige, wenn es um Fiskaldelikte von amerikanischen Bürgern gehe. Es stellt sich zudem die Frage, warum der Name von Mirabaud genannt werden musste. Es schade doch dem Ruf des Finanzplatzes, wenn eine Schweizer Bank über ungenügende Kontrollstrukturen verfüge, geben Befragte zu bedenken. Im Gegenteil, sagen andere: Es wäre viel schlimmer, einen Mantel des Schweigens darüberzulegen – und später würden die Vorfälle doch bekannt wie zum Beispiel nach einer Anklage der US-Behörden.

Einigkeit herrscht bei allen Befragten darüber, dass Handlungsbedarf besteht. Künftig soll die Finma im Grundsatz dazu verpflichtet werden, über abgeschlossene Verfahren zu informieren, wie der Bericht des Bundesrates zur Bankenstabilität fordert. Auch die Finma begrüsst diesen Vorstoss explizit.

Ein Artikel aus der «»

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