Die Schlacht bei Waterloo am 18. Juni 1815 beendete Napoleons Herrschaft, führte zum Ende des Kaiserreichs – und bereitete den Boden für die liberale Ordnung Europas.

«Als die französische Kavallerie uns in unseren Quadraten angriff (was sie mit grösster Hartnäckigkeit und Tapferkeit tat, ohne sich jemals mehr als 100 oder 150 Schritte zurückzuziehen und immer wieder anzugreifen), verhielten sich unsere Männer, als wären sie auf einem Feldtag: Sie feuerten in Reihen und mit bestmöglicher Zielgenauigkeit. Unter einem verheerenden Kanonenfeuer und mehreren Granaten, die mitten unter uns explodierten, rührte sich kein Mann von der Stelle. Schliesslich waren wir den vereinten Kräften aller ihrer Waffen ausgesetzt und wechselten je nach Lage von Linien zu Quadraten und von Quadraten zu Linien. Es gab einen besonders kritischen Moment, in dem nur die aussergewöhnliche Standhaftigkeit der Truppen den Tag rettete.»

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Mit diesen Worten berichtete Oberst James Stanhope vom 1. Infanterieregiment einen Tag später über die entscheidende Phase der Schlacht bei Waterloo. Am späten Vormittag des 18. Juni 1815 waren die von Napoleon geführten Franzosen bei Waterloo, einem kleinen Dorf südlich von Brüssel, auf die alliierten Truppen des Vereinigten Königreichs und Preussens getroffen. Diese standen unter dem Befehl des britischen Generals Wellington und des preussischen Feldmarschalls Blücher.

Der Hauptangriff der französischen Infanterie hatte um halb zwei Uhr begonnen. Die etwa 72 000 Mann starken französischen Truppen setzten Wellington mit seinen 68 000 Mann den ganzen Tag lang hart unter Druck, bis schliesslich gegen 19 Uhr 30 der letzte Angriff der Kaisergarde begann. Trotz Gegenangriffen handelte es sich im Wesentlichen um eine Verteidigungsschlacht für Wellingtons Armee, die hauptsächlich aus britischen, aber auch aus verbündeten niederländischen, belgischen und deutschen Einheiten bestand.

Diese Armee war bereits am 16. Juni in Quatre-Bras in eine langwierige Schlacht verwickelt gewesen. Die Preussen waren am selben Tag bei Ligny von Napoleon schwer geschlagen worden. Doch auch die Franzosen hatten schwere Verluste zu beklagen. Über 13 000 ihrer Männer waren gefallen. Das liess ihnen für die nachfolgenden Operationen wenig Spielraum. Ausserdem konnten sich die Preussen ohne Niederlage zurückziehen.

Die Briten und die Preussen hatten sich am 17. Juni aus den Kämpfen gelöst und zogen sich auf parallelen Linien nach Norden zurück, verfolgt von Napoleons Truppen. Wellington von Napoleon persönlich, allerdings ohne dass seine Truppen in Unordnung gerieten. Darüber hinaus verfolgten die französischen Truppen die Preussen unter Gebhard von Blücher, anstatt sie abzufangen, so dass alle ausser ihrer Nachhut ungehindert zu ihren Verbündeten zurückkehren konnten.

Kanonen, die im Schlamm versinken

In der Gewissheit, dass er von mindestens einem preussischen Armeekorps unterstützt werden würde, wandte sich Wellington den Franzosen in einer dicht gedrängten Formation auf einem Abhang in der Nähe von Mont-Saint-Jean quer zur Strasse nach Brüssel zu.

Am 18. Juni starteten die Franzosen zunächst einen Scheinangriff auf das Schloss Hougoumont vor der rechten Flanke Wellingtons. Damit hätten sie eine Position geräumt, die die Flanke jedes französischen Vorstosses bedrohte. Der Angriff schlug jedoch fehl und zog im Laufe des Tages viele französische Truppen in unaufhörliche, verlustreiche und erfolglose Angriffe auf die Stellung.

Der Hauptangriff auf das Herz der britischen Truppen war von Napoleon um für neun Uhr morgens geplant. Doch seine Soldaten waren noch nicht bereit. Dies war zum Teil auf den starken Regen in der Nacht zurückzuführen, was den Transport der Kanonen erschwerte. Die Lafetten waren so schwer, dass sie nur auf festem Boden aufgestellt werden konnten. Sie versanken im Schlamm. Der weiche, nasse Boden milderte zudem die Wirkung des französischen Bombardements. Anstatt mit tödlicher Wirkung nach vorn zu springen, blieben die Kanonenkugeln dort liegen, wo sie auf den Boden trafen.

Darüber hinaus war die Kombination aus Schlamm und nassen Pflanzen ein erhebliches Hindernis für den Vormarsch der Angreifer, insbesondere für die Franzosen, die bergauf vorrücken mussten. Diese Kombination verringerte sowohl die Geschwindigkeit als auch die Schlagkraft der angreifenden Truppen.

Die französischen Truppen hatten sich in der vergangenen Nacht über ein grosses Gebiet verteilt, was ihre Angriffsvorbereitungen verzögerte. Napoleon war bereits durch einen Feldzug erschöpft. Erst am 15. Juni hatte er mit dem Überqueren der Grenze begonnen. Ihm und seinen Truppen fehlte es an der notwendigen Energie für die Schlacht.

«Vive l’Empereur!»

Erst um halb zwei Uhr nachmittags wurde der französische Frontalangriff gestartet. Im Laufe des Tages sollte es noch weitere Angriffe geben, zunächst von der französischen Kavallerie und später von der Kaisergarde. Doch deren Bedeutung wurde von den wachsenden Problemen der Franzosen überschattet. Vor allem zu schaffen machten die schweren Verluste, der fortgeschrittene Tag und das sich verändernde Kräfteverhältnis, das sich ergeben hatte, weil die preussischen Truppen eingetroffen waren.

Aus diesen Gründen war der erste grosse französische Angriff der entscheidende Moment der Schlacht. Wenn die Franzosen die britischen Streitkräfte durchbrechen und sich genügend Zeit verschaffen wollten, um diesen Vorteil voll auszunutzen, dann war jetzt der richtige Zeitpunkt dafür. Vier Infanteriedivisionen formierten sich in Angriffsformation über eine Front von mehr als einem Kilometer. Es gab keinen Überraschungseffekt. Die Soldaten riefen «Vive l’Empereur!». Die Gegner schwiegen.

Die Franzosen rückten in vier dichten Kolonnen vor, wodurch sie für die britischen Kanonen noch leichter zu treffen waren. Als die französischen Truppen sich dem Kamm näherten, waren sie ausserdem dem schweren Musketenfeuer aus nächster Nähe ausgesetzt, wodurch sich der Vormarsch verlangsamte.

Trotz dem Abwehrfeuer und ihren schweren Verlusten gelang es den französischen Einheiten kurz nach zwei Uhr, die Hecke vor der West-Ost-Strasse auf dem Kamm zu überqueren oder diese doch fast zu erreichen. Einige der Verteidiger an der schwächsten Stelle von Wellingtons Front konnten sich nicht behaupten. Vier der fünf Bataillone der Brigade Bijlandt, einer niederländisch-belgischen Truppe, die in einen schweren und verlustreichen Feuerkampf mit den Franzosen verwickelt war, zogen sich in Unordnung zurück und rissen eine schwere Lücke in die Verteidigung. Die Offiziere versuchten den Rückzug zu verhindern, konnten sich jedoch nicht durchsetzen. Napoleon schien gesiegt zu haben, viel schneller als zwei Tage zuvor in Ligny und ohne seine Reserven einzusetzen.

Tödliche Salven der Briten

Der Rückzug von Bijlandts Männern sollte der Höhepunkt des französischen Erfolgs sein. Doch die französischen Truppen waren unzureichend auf die Kämpfe vorbereitet. Diese verlangten einerseits defensive Stärke, um die britischen Gegenangriffe abzuwehren, anderseits die Fähigkeit, den Vormarsch aufrechtzuerhalten. Und die vorrückenden französischen Einheiten verfügten nicht über leichte Kanonen.

Britische Bataillone, die hinter dem Kamm in Reserve standen, rückten vor, um die Überreste von Bijlandts Brücke zu verstärken, obwohl der Divisionskommandant, Generalleutnant Sir Thomas Picton, durch einen Kopfschuss tödlich verwundet wurde und zu Boden sank. Wie schon 1805 bei Trafalgar sorgte die gute Feuerdisziplin der Briten, die jene der Franzosen übertraf, für tödliche Salven. Darüber hinaus hielt die Infanterie stand und konnte weiter vorrücken.

Für die Franzosen wurde dies umso schwieriger, als auf diesem Höhepunkt der Schlacht die britische Kavallerie entschlossen eingriff, den Gegenhang hinaufstürmte, die britische Infanterie durchbrach und dann die unvorbereitete französische Infanterie hart traf, wobei sie etwa 2000 Gefangene sowie zwei Regimentsadler erbeutete.

Die vorrückende Kavallerie rückte dann zu weit vor und wurde von einem Gegenangriff der französischen Kavallerie hart getroffen. Die britische Linie hielt stand, das französische I. Korps war schwer dezimiert und hatte schwere Verluste erlitten. Das Gleiche war dem II. Korps bei Hougoumont widerfahren. Hinzu kam, dass das VI. Korps bald abgezogen wurde, um sich den Preussen zu stellen.

Die Franzosen, die Wellington gegenüberstanden, waren zahlenmässig deutlich unterlegen. Dies machte es umso wichtiger, dass sie den notwendigen Angriff an der richtigen Stelle durchführten und so Schwung gewinnen konnten, um ihren Vorteil zu nutzen, bevor ihre Gegner sich formieren konnten. Aufgrund der schlechten Führung Napoleons sowie der Geschicklichkeit und Widerstandsfähigkeit der Verteidigung gelang ihnen dies jedoch nicht.

Hitze und Gestank

Insbesondere Wellington war als Befehlshaber weitaus mehr praxisorientiert als Napoleon. Er zeigte Ausdauer, Geschick und Tapferkeit. Einen Grossteil der Schlacht verbrachte er auf der rechten Seite seiner Position, wo die Kämpfe am heftigsten waren, und setzte sich schwerem Beschuss aus. Wellington war sehr darauf bedacht, die Infanterie zwischen Linien- und Quadratformationen umzugruppieren, um die besondere Natur des französischen Angriffs zu vereiteln, sei es die Infanterie, die als Reaktion darauf eine Linienformation benötigte, um die defensive Feuerkraft zu maximieren, oder die Kavallerie, die Quadrate benötigte, um rundum Schutz zu gewährleisten.

Es gab auch eine zweite Schlacht, nämlich den Angriff der Preussen auf die Franzosen. Diese rückten im östlichen Teil der Schlacht vor, wobei der Kontakt zwischen der Kavallerie um halb vier Uhr und jener der Infanterie etwa eine Stunde später begann. Das Dorf Plancenoit südlich von Waterloo wurde ab sechs Uhr abends von Franzosen und Preussen erbittert umkämpft, wodurch ein Grossteil der französischen Reserve gebunden war. Nach der Niederlage der kaiserlichen Garde durch die Briten rückten diese vor und schlossen sich den Preussen an, um die französische Armee in die Flucht zu schlagen.

Auf dem gesamten Schlachtfeld waren die Kämpfe hart, ebenso wie die Kampfbedingungen. Der Rauch und der Geruch der Musketen erschwerte die Sicht. Die Soldaten konnten kaum noch atmen. Die Situation war unübersichtlich, verwirrend. Dazu herrschte grosse Hitze. Zum Teil wegen des Rauchs, der in der schweren, heissen Nachmittagsluft lag, aber auch wegen des Schweisses der Pferde und der Männer auf dem kleinen Schlachtfeld. All dies führte zu einem unerträglichen Gestank, der neben reichlich menschlichem und tierischem Urin und Kot auch den Schwefel aus dem Schiesspulver enthielt, das bei den heftigen Schusswechseln aus den Musketen und Kanonen explodierte.

Auch der Lärm setzte die Nerven der Männer stark unter Druck, insbesondere das stetige Geräusch der Musketen, die geladen und abgefeuert wurden. Dazu kamen die Explosionen der Artillerie und die Geräusche der Geschosse, die ihr Ziel trafen, darunter auch die Brustpanzer der französischen Kürassiere, also der schweren Kavallerie. Diese griff zwischen vier und sechs Uhr wiederholt an, ohne ein britisches Infanteriequadrat durchbrechen zu können. Doch die Kavallerie erlitt schwere Verluste. Die französischen Kavalleristen kosteten das Scheitern der Briten aus. Sie hielten sich von den britischen Quadraten fern, und sie verspotteten die Soldaten mit Gesten, indem sie mit ihren Schwertern wedelten.

Wellingtons Verteidigung war weitaus effektiver als der französische Angriff. Sie war mehrschichtig aufgebaut, die Kanonen in vorderster Linie, dahinter die sauber geordneten Infanterieabteilungen, die sich gegenseitig Feuerunterstützung leisteten. Das war eine koordinierte Verteidigung und auch eine Verteidigung in der Tiefe. Beides hätte möglicherweise nicht funktioniert, wenn die Franzosen in der Lage gewesen wären, wirksame Infanterie und Kanonen zur Unterstützung der Kavallerie heranzuführen, aber dies gelang ihnen nicht.

«Das schöne Finale»

Der eigentliche Sinn von Exerzierübungen und Disziplin lag in der Verteidigung: eine Einheit darauf vorzubereiten, angesichts von Tod und Verletzungen intakt und gefügig gegenüber ihrem Kommandanten zu bleiben. Die Kampfbereitschaft beruhte auf dem Zusammenhalt der Einheit, nicht zuletzt, weil im Salvenfeuer geschossen wurde, einem Verfahren, das nicht nur die Kontinuität des Feuers gewährleisten, sondern auch eine relative Überlegenheit herstellen sollte, die den Ausgang des Kampfes beeinflussen konnte.

Ein Leutnant der britischen Artillerie berichtete über den Vormarsch der kaiserlichen Garde auf dem Höhepunkt der Schlacht: «Wir sahen die französischen Mützen knapp über dem hohen Getreide und vierzig oder fünfzig Meter von unseren Kanonen entfernt. Ich glaube, sie standen in engen Kolonnen der Grand Divisions, und als sie den Kamm unserer Stellung erreichten, versuchten sie, sich in Linie aufzustellen; aber das zerstörerische Feuer unserer mit Kartätschen geladenen Kanonen und die gut gezielten Salven der Infanterie verhinderten ihre ordentliche Formation.»

Weiter schrieb er: «Sie blieben etwa zehn Minuten unter diesem Feuer und rückten ein wenig vor, aber als sie sahen, dass es unmöglich war, unsere Position zu erobern, gaben sie nach und wichen nach rechts aus. Daraufhin befahl der Herzog einen allgemeinen Angriff, und innerhalb weniger Augenblicke waren unsere Infanterie und die Franzosen so miteinander vermischt, dass unser Feuer für diesen Tag beendet war.»

Die kaiserliche Garde zog sich zurück und schloss sich dem Rückzug an, der, wie Leutnant George Gawler es ausdrückte, «in wildester Verwirrung» verlief. Wellington bemerkte lakonischer: «Der Feind hielt dem Angriff nicht stand», während Stanhope feststellte: «Die Ankunft der preussischen Kavallerie, die in Massen, so weit das Auge reichte, die rechte Flanke des Feindes umzingelte, war ein grandioses Schauspiel.»

«Die Franzosen waren schon zuvor geschlagen», fährt Stanhope fort, «aber das war das schöne Finale. Die Preussen verfolgten sie die ganze Nacht, gaben ihnen keine Gnade und erbeuteten weitere Artillerie, die zuvor nicht in unsere Hände gefallen war.» Die Franzosen, die eine harte und hartnäckige Verteidigung von Placenoit aufgebaut hatten, wurden nun in die Flucht geschlagen, wobei nur wenige Einheiten ihre Formation beibehielten.

Nach St. Helena

Damit war die Niederlage der Franzosen besiegelt. Napoleons letzte Armee war in ihrer ersten Kampagne des Jahres 1815 zusammengebrochen. Dies war zum Teil auf sein eigenes Versagen zurückzuführen. Es war ihm nicht gelungen, Briten und Preussen auseinanderzuhalten, und es fehlte ihm die taktische Phantasie, die er umso mehr gebraucht hätte, als der Schlamm nach heftigen Regenfällen die Bewegung seiner Einheiten behinderte.

Wellington bemerkte: «Napoleon manövrierte überhaupt nicht. Er rückte einfach im alten Stil in Kolonnen vor und wurde im alten Stil vertrieben.» Die Franzosen wurden sowohl militärisch als auch taktisch übertrumpft, und die britischen Truppen waren sich dieser Leistung bewusst. Seit dem grossen Römischen Krieg – also seit Caesars Feldzügen in Britannien – habe es keine so hart umkämpfte Schlacht gegeben, schrieb der Gefreite John Abbott: «Wir setzten unsere Bajonette an und verpassten den stolzen Messieurs eine Tracht Prügel, an die sie sich noch lange erinnern werden.»

Wellingtons Armee verlor etwa 16 200 Mann, die Preussen etwa 7000, die Franzosen hatten etwa 31 000 Tote und Verwundete zu beklagen. Mehrere tausend weitere Soldaten wurden gefangen genommen und noch viel mehr desertierten nach der Schlacht.

Aber wie entscheidend war dieser Sieg? Napoleon wurde nicht getötet, weil er sich im Gegensatz zu Wellington während der Schlacht nicht in Gefahr begab. Er entkam und erreichte Paris am 21. Juni, nachdem er am 19. Juni militärische Vorbereitungen für die Aufstellung einer neuen Armee angeordnet hatte, um weiterkämpfen zu können. Als die Briten und die Preussen jedoch in Frankreich vorrückten, war der Widerstand minimal. Der Hauptmann der kaiserlichen Garde, Jean-Roch Coignet, berichtete über die geschlagene Armee bei Waterloo: «Der Kaiser versuchte, unter den fliehenden Truppen wieder etwas Ordnung herzustellen, aber seine Bemühungen waren vergeblich.»

Napoleons Niederlage führte zu einem Machtverlust in Paris. Die Abgeordnetenkammer war feindlich gesinnt, so dass er am 25. Juni die Stadt verliess. Paris fiel am 7. Juli. Am 14. Juli ergab sich Napoleon einem britischen Kriegsschiff. Ohne Gerichtsverfahren wurde er schnell auf die weit entfernte Insel St. Helena verschifft, wo er 1821 starb. Seine Gefangenschaft war eine Folge und ein Zeichen der britischen Macht, die durch die Vorherrschaft der britischen Marine gesichert wurde.

Der Einfluss Russlands

Wäre Napoleon bei Waterloo nicht besiegt worden, wäre er mit ziemlicher Sicherheit den österreichischen und russischen Truppen zum Opfer gefallen, die auf Ostfrankreich vorrückten. Dass jedoch die Niederlande geschützt und Frankreich von anglo-preussischen und nicht von österreichisch-russischen Truppen zurückerobert wurde, war für die europäische Geschichte von entscheidender Bedeutung. 1799 hatte Russland seine Macht demonstriert und im Krieg gegen Frankreich Truppen in die Niederlande, die Schweiz und nach Süditalien entsandt. 1805 wurde eine österreichisch-russische Armee bei Austerlitz in der heutigen Tschechischen Republik besiegt.

Noch dramatischer war, dass Zar Alexander I., der sich 1807 in Tilsit mit Napoleon verbündet und Europa in Einflusssphären aufgeteilt hatte, im September 1815 östlich von Paris eine Parade von 150 000 russischen Soldaten abnahm. Auch Franz I. von Österreich und Friedrich Wilhelm III. von Preussen nahmen daran teil und trugen russische Uniformen.

Dass Westeuropa 1815 vor einem stärkeren Einfluss Russlands bewahrt wurde, ist nicht das Erste, woran man denkt, wenn man Waterloo hört. In Grossbritannien ist die Erinnerung daran verschwommen, was auch darauf zurückzuführen ist, dass die Nationalgeschichte im Schulunterricht immer weniger Bedeutung hat. Waterloo ist heute vor allem durch den Song von Abba bekannt, der fälschlicherweise mit den Worten beginnt: «My my, at Waterloo Napoleon did surrender».

Napoleon war durch einen Militärputsch an die Macht gekommen. Frankreich unter seiner Führung war eine Art «Schurkenstaat», dessen DNA von Kriegslust geprägt war. Und die Schlacht bei Waterloo war entscheidend für die Weltordnung des 19. Jahrhunderts. Sie bereitete den Boden für den liberalen Kapitalismus, der Europa in vielerlei Hinsicht zum Besseren verändern sollte. Nicht zuletzt, indem er Frankreichs Nachbarn wie der Schweiz die Selbstbestimmung ermöglichte.

Jeremy Black ist Historiker und war bis 2020 Professor an der University of Exeter. 2010 erschien im Verlag Random House seine Monografie «The Battle of Waterloo».

Die grössten Schlachten der Geschichte

rib. In der Geschichte Europas wurden unzählige Schlachten geschlagen. Sie forderten Millionen von Toten und brachten unermessliches Leid über die Menschen. In den kommenden Wochen publizieren wir an dieser Stelle Essays, die sich mit grossen Schlachten befassen, und fragen, wie sie die Geschichte bestimmten. In der NZZ-Ausgabe vom 10. Mai schreibt der Historiker Olaf Jessen über die Schlacht bei Verdun.

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