Dienstag, März 11

SVP und FDP forderten in der ausserordentlichen Session «Asyl und Souveränität» harte Massnahmen. Die Mitte wollte sich aber nicht von rechts «treiben lassen».

Nationale Grenzen sind in Europa wieder en vogue. Zumindest in Positionspapieren. In der Realpolitik scheitern die Pläne häufig an Mitte-Links. In Deutschland wollte der designierte Bundeskanzler Friedrich Merz während des Wahlkampfs noch die Grenzen schliessen. Jetzt, in den Koalitionsverhandlungen, klingt er deutlich zurückhaltender. Deutschland wolle sich «in Abstimmung mit den Nachbarländern» an den gemeinsamen Grenzen Rückweisungen vornehmen, heisst es im Sondierungspapier.

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Und auch in der Schweiz entscheidet sich das Parlament für die weiche Variante. Wie in praktisch jeder Session hat sich der Nationalrat am Montag zu einer von der SVP einberufenen ausserordentlichen Asylsession getroffen. Dabei überwies die grosse Kammer eine Motion der Staatspolitischen Kommission des Ständerats, welche parallel auch die nationalrätliche Schwesterkommission eingereicht hat. Diese will vermehrt Grenzkontrollen durchführen, um Personen ohne gültige Aufenthaltsberechtigung «konsequent wegzuweisen und die grenzüberschreitende Kriminalität einzudämmen».

Der Bundesrat hat sich zwar für den Vorstoss ausgesprochen. Allerdings kamen das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) in einem vertraulichen Papier zum Schluss, dass systematische Grenzkontrollen teuer wären, die irreguläre Einwanderung aber aufgrund des teilweise schwierigen Vollzugs von Ausschaffungen wenig eindämmen würden. Und sogar der ständerätliche Kommissionspräsident Daniel Fässler sprach im Vorfeld der Debatte vor allem von psychologischen Effekten.

Die SVP wollte dennoch deutlich weitergehen. Sie forderte am Montag, Asylsuchende, die über sichere Drittstaaten kommen, in Zukunft direkt an der Grenze zurückzuweisen. «Das jetzige System belohnt Missbrauch», sagte Nationalrat Piero Marchesi. Viele Asylsuchende würden ihr Asylgesuch in demjenigen Land stellen, in dem sie sich ein weniger hartes Leben aufbauen könnten als in ihrem Herkunftsstaat oder einem anderen durchreisten Drittstaat. «Wir müssen die Migrationspolitik selbst in die Hand nehmen und die Grenzen schützen.»

Der Freisinn unterstützte die Motion. Doch der Vorstoss scheiterte an den geschlossenen Stimmen der Linken und Teilen der Mitte-Fraktion. Letztere hatte sich im Vorfeld gegen die Motion ausgesprochen – die nach Personen aufgeschlüsselten Abstimmungstabellen zur ausserordentlichen Session waren bei Redaktionsschluss allerdings noch nicht aufgeschaltet. Laut Bundesrat Beat Jans widerspräche eine solche Regelung unter anderem der Bundesverfassung, der Flüchtlings- und der Menschenrechtskonvention.

Familiennachzug wieder nicht eingeschränkt

Ein ähnliches Muster zeigte sich beim Familiennachzug. In Deutschland will die sich abzeichnende Koalition von Union und SPD den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte, also für vorläufig Aufgenommene ohne Flüchtlingsstatus, komplett aussetzen. Auch in der Schweiz versucht die SVP schon lange, den Familiennachzug einzuschränken. Im Jahr 2024 zogen rund 36 000 Personen im Rahmen des Familiennachzugs zu Ausländerinnen und Ausländern in die Schweiz, 6600 Personen zu Schweizerinnen und Schweizern. Der Vorstoss der SVP scheiterte am Montag erneut an Mitte-Links.

In der Asylpolitik dürfte diese Konstellation – FDP und SVP gegen den Rest – künftig noch öfters zu beobachten sein. In früheren Jahren stand die SVP mit ihren asylpolitischen Vorstössen häufig isoliert da. Doch seit der Freisinn unter Parteipräsident Thierry Burkart seinen Kurs verschärft hat, stehen die Chancen für Verschärfungen besser. Die SVP hält den Druck hoch. «FDP und Mitte stehen in der Pflicht», schrieb sie kürzlich in einer Medienmitteilung. Ohne bürgerlichen Schulterschluss lasse sich «das Asylchaos» nicht stoppen.

Bei der Mitte sorgt das immer wieder für Diskussionen. «Wir lassen uns nicht von der SVP treiben», sagt Fraktionschef Philipp Matthias Bregy der NZZ. Die Fraktion habe sich jedes Begehren einzeln angeschaut und auf deren Wirksamkeit geprüft. «Wir brauchen Lösungen, nicht Problembewirtschaftung.» Bei der Partei ist der Unmut über die Druckversuche der SVP sowie ihre ausserordentlichen Asylsessionen deutlich zu spüren.

Die SVP argumentiert mit den hohen Asylzahlen. Doch eigentlich handle es sich bei den ausserordentlichen Sessionen um ein Minderheitenrecht, kritisiert Bregy. Es erlaube Parlamentariern, Themen auf die Traktandenliste zu hieven, die sonst untergehen würden. Mittlerweile werde das Instrument immer häufiger «zweckentfremdet», um Kernthemen Aufmerksamkeit zu verschaffen, die ohnehin regelmässig im Rat diskutiert würden.

Um eine ausserordentliche Session einzuberufen, braucht es die Zustimmung eines Viertels der Mitglieder eines Rates oder des Bundesrats. Die Mitte ist neben der SVP die einzige Fraktion, welche ohne Hilfe von anderen Fraktionen dazu imstande ist. Dennoch hat sich Bregy überlegt, die Hürden für ausserordentliche Sessionen zu erhöhen. Doch das Recht ist in der Verfassung verbrieft, es zu ändern, wäre schwierig. So muss die Mitte wohl weiterhin mit ausserordentlichen Sessionen von links und rechts leben.

Verdächtigte einsperren

Und zuweilen stimmt die Mitte durchaus mit der SVP. So auch am Montag. So hat sich die Fraktion bei einem Vorstoss von Pascal Schmid für ein Ja ausgesprochen. Der Thurgauer SVP-Nationalrat fordert, dass Personen im Asylverfahren, die wegen eines Verbrechens verurteilt wurden, künftig von jeglichem Bleiberecht in der Schweiz ausgeschlossen werden. Schmid verwies auf den brutalen Angriff eines Afghanen Anfang Februar im Appenzellerland. «Es vergeht kaum ein Tag ohne schwere Straftaten von Asylmigranten in der Schweiz», sagte Schmid. Man müsse die Bevölkerung schützen. Der Vorstoss kam durch – auch mit Hilfe von Mitte-Stimmen. Doch hier zeigte sich für einmal der Freisinn skeptisch, wie der Freisinnige Nationalrat Peter Schilliger ausführte. Der Rechtsrahmen sei bereits vorhanden, es mangle an einer konsequenten Umsetzung.

Angenommen wurde auch ein Vorstoss des Aargauer SVP-Nationalrats Christoph Riner. Dieser will die Bewegungsfreiheit von Personen im Asylverfahren und abgewiesenen Asylbewerbern einschränken, gegen die ein Strafverfahren eröffnet wird. Riner schwebt dabei «die Eingrenzung und Unterbringung in besonderen Zentren oder durch dauernde Überwachung» vor. Die Forderung geht weit: Sie soll auch für Personen gelten, gegen die kein Urteil gesprochen wurde.

Das sei unverhältnismässig, wehrte sich Bundesrat Beat Jans erfolglos. Ohnehin zeigte er sich wenig erfreut über die Motionen. Zwar nehme er den Schutz der Bevölkerung ernst: «Ich will, dass meine Töchter nach Hause spazieren können, ohne über die Schulter schauen zu müssen», sagte der Asylminister. Dafür zu sorgen sei eine Kernaufgabe des Staates. Doch es sei niemandem gedient, wenn man Vorstösse überweise, die nicht umsetzbar oder gar kontraproduktiv seien.

Jans zählte zahlreiche Massnahmen auf, welche der Bund in den letzten Jahren für die Sicherheit ergriffen habe. Das Fedpol hat letztes Jahr beispielsweise 126 Einreiseverbote wegen Terrorismusverdachts ausgesprochen, und das Staatssekretariat für Migration führt bei allen Asylsuchenden standardisierte Sicherheitsprüfungen durch. Ausserdem wolle der Bundesrat schon lange in der Deutschschweiz ein Zentrum für besonders renitente Asylsuchende einrichten, sagte Jans, doch bisher habe sich kein Kanton gefunden.

Die Diskussionen gehen am Donnerstag weiter. Dann findet die ausserordentliche Asylsession im Ständerat statt.

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