Mittwoch, Februar 12

Die deutsche Asyldebatte spitzt sich zu: Der sozialdemokratische Historiker Heinrich August Winkler argumentiert gegen das individuelle Recht auf Asyl. Doch nicht nur aus der SPD gibt es deutlichen Widerspruch.

Der Generalsekretär der SPD, Matthias Miersch, hat die Kritik an der Asylpolitik der deutschen Bundesregierung zurückgewiesen. Nach einer Präsidiumssitzung am Montag erklärte er, dass es eine europäische Lösung für die irreguläre Migration nach Deutschland brauche. Eine «nationalstaatliche Lösung mit Grenzschliessungen und Zurückweisungen wäre Gift», so der Sozialdemokrat.

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Auslöser war die Kritik des Historikers Heinrich August Winkler, der selbst SPD-Mitglied ist. In einem Essay für das Wochenmagazin «Der Spiegel» argumentiert er, dass die Verfassungsschöpfer die heutige Ausgestaltung des Asylrechts nie so vorgesehen hätten.

Das subjektive individuelle Recht auf Asyl sei eine Legende, so der Historiker. Diese Lesart sei aber von der SPD, den Grünen, dem «Merkel-Flügel der CDU» und den Kirchen übernommen worden. Ein Recht auf Asyl in einem bestimmten Land sei den Vätern und Müttern des Grundgesetzes aber niemals in den Sinn gekommen, schreibt Winkler.

Das Non-Refoulement-Prinzip im Völkerrecht verbiete es zwar, politisch verfolgte Menschen in ein Land zurückzuschicken, in dem ihnen Gefahr drohe. Allerdings könnten Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden, wenn das Nachbarland als sicher und demokratisch gelte.

Verfassungsrechtler widerspricht Winklers These

Im TV-Duell gegen den Kanzler Olaf Scholz hatte der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, sich auf Winkler bezogen. Der SPD-Generalsekretär Miersch kritisierte dessen Vorschläge erneut und bezeichnete die Pläne für ein «faktisches Einreiseverbot» für Menschen ohne gültige Papiere als «nationalen Alleingang».

Winklers Beitrag ist unter Verfassungsrechtlern umstritten. Der Jurist und Autor für den Blog «Legal Tribune Online» Patrick Heinemann schrieb auf seinem X-Profil, Winklers Ausführungen seien «verfassungsrechtlich wie historisch unhaltbar».

Anders als von Winkler dargestellt garantiere der Paragraf 16a im deutschen Grundgesetz von Anfang an ein individuelles Asylrecht, ohne dass das Bundesverfassungsgericht oder andere Gerichte es kreativ auslegen müssten, argumentiert Heinemann.

Heinemann schlussfolgert: Dass Asyl ein individuelles Recht sei, wäre auch beim Asylkompromiss von 1993 unstrittig gewesen – sonst wäre der Kompromiss nicht nötig gewesen.

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