Donnerstag, Oktober 3

Felix H. Boller hofft auf eine rasche Explosion des Schneemanns und erinnert sich an das Jahr, als der Böögg in London zu Besuch war.

Herr Boller, am Samstag wird in Heiden in Appenzell Ausserrhoden endlich der Scheiterhaufen mit dem Böögg darauf angezündet. Freuen Sie sich auf dieses besondere Ereignis?

Dass der Böögg Zürich verlässt, ist tatsächlich selten. Wenn er am Samstag im Exil explodiert, ist das für mich und alle Zünfter ein grossartiger, freudiger Moment.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Böögg auswärts verbrannt wird. 2003 schaffte er es sogar bis nach London.

Genau. Damals waren die Zürcher Zünfte an die Lord Mayor’s Show eingeladen. Eine Kopie des Zürcher Bööggs wurde im November auf einem Schiff in der Londoner Themse angezündet – ein Spektakel. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Böögg übrigens zweimal im Hafen Enge angezündet. Und 1991, zur Feier des 700-jährigen Bestehens der Eidgenossenschaft, stand der Böögg in der Schwyzer Gemeinde Brunnen und schaute hinüber zum Rütli. In guter Erinnerung haben wir auch noch das letzte Mal, als er wegen der Corona-Pandemie in der Schöllenenschlucht verbrannt wurde.

Wird der Böögg langsam, aber sicher zum wandernden Ereignis?

In dieser besonderen Lage ist es toll, dass wir mit unserem Brauchtum in Appenzell Ausserrhoden zu Gast sein dürfen. Aber das muss die Ausnahme bleiben.

1500 Zünfter und ihre Familien reisen am Samstag nach Heiden. Wie bekommen Sie das organisatorisch hin?

Jede Zunft organisiert die Reise selbst. So sind vor und nach dem offiziellen Anlass in Heiden auch individuelle Programme möglich. Um die Infrastruktur in Heiden ist das dortige Organisationskomitee besorgt. Das ist anspruchsvoll, und wir sind sehr dankbar für diese Arbeit. Ich bin sicher, dass alles perfekt laufen wird.

Heiden ist nicht gerade bekannt für seine Grossanlässe.

Das würde ich nicht sagen. Alle vier Jahre findet hier das Biedermeier-Fest statt. Das ist ein sehr schönes – und grosses – Ereignis.

Es wird am Samstag weder Umzug noch Pferde geben. Wie ist es mit den Kostümen?

Die Gesellschaft zur Constaffel, alle 25 Zünfte, das Zentralkomitee der Zünfte Zürichs, die Interjungzünftige Vereinigung und die Gesellschaft zu Fraumünster werden mit einer Delegation vertreten sein. Alle werden in ihren Kostümen und Trachten erscheinen. Wir wollen damit auch den Aufwand unserer Gastgeber würdigen. Dies wird ein sehr schönes Bild!

Das Sechseläuten und das Anzünden des Bööggs sind Ur-Zürcher Bräuche. Fühlt es sich nicht sonderbar an, dieses Brauchtum vor «Fremden» auszuleben?

Nein. Das Sechseläuten und die Böögg-Verbrennung sind ein altes Zürcher Kulturgut, das in seiner Ausstrahlung weder Partei- noch Stadtgrenzen kennt und eine sehr grosse Wertschätzung über die Stadt und den Kanton Zürich hinaus geniesst. Deshalb glaube ich nicht, dass es zu Missverständnissen kommen könnte. Auch waren die Ausserrhoder grossartige Gäste am Sechseläuten. Wir fühlen uns bei ihnen schon fast zu Hause.

Auf einmal ist der Gastkanton Appenzell Ausserrhoden Ihr Gastgeber, und die Zürcher sind bloss zu Gast. Wie empfinden Sie und die anderen Zünfter diesen Rollentausch?

Bei einem schönen Volksfest ist es letztlich unerheblich, wer Gast ist und wer Gastgeber; der gelungene Anlass zählt. Den Ausserrhodern hat es in Zürich sehr gefallen. Und ich bin sicher, dass es uns in Heiden gleich gehen wird.

Der bisherige Sommer war katastrophal. Wenn der Böögg nun rasch abbrennt und explodiert, wird sich das dem Volksmund nach ändern. Was ist Ihr Tipp?

Ich lehne mich ein bisschen aus dem Fenster und sage: 5 Minuten und 32 Sekunden.

So schnell?

Aber ja doch. Das Zürcher Holz des Scheiterhaufens ist mittlerweile sehr trocken, auch der Appenzeller Anteil am Holz dürfte die Brenndauer nicht gross verlängern. Und natürlich wünsche auch ich mir einen prächtigen Sommer. Es darf also ruhig etwas schnell gehen.

«Böögg-Azönde» am 22. Juni in Heiden

olc. Die Veranstalter raten den Gästen, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, weil nur eine beschränkte Anzahl Parkplätze zur Verfügung steht. Von 14 bis 18 Uhr verkehren zwischen St. Gallen und Heiden Doppelstockbusse. Die Appenzeller Bahnen verdoppeln ihre Taktfrequenz. Zwischen Rorschach und Heiden gilt am Nachmittag fast durchgehend Halbstundentakt.

Hoffentlich brennt er dieses Mal auch wirklich. Es gab ja schon früher einige Pannen.

Stimmt. Einmal ist der Böögg in den Zürichsee gekippt, und wegen eines Bubenstreichs brannte er einmal schon am Nachmittag. Andere Male hat er fast nicht gebrannt, ist vom Holzstoss gefallen oder entführt worden. Das sind alles fröhliche Episoden in der langen Tradition des Sechseläutens, die wir nicht missen möchten.

Etwas unerfreulicher ist der Umstand, dass Heiden in der Vergangenheit schon zweimal von Feuern zerstört worden ist.

Ich bin mir ganz sicher, dass das schöne Heiden unseren Besuch schadlos überstehen wird.

Ist die Tradition flexibler und wandelbarer, als viele behaupten?

Der Sechseläuten-Umzug hat in seiner langen Geschichte schon viele Veränderungen erfahren. Gleichzeitig muss sich ein so traditionsreicher Brauch auch eine gewisse Beständigkeit bewahren. Sonst ist es irgendwann nicht mehr der gleiche Brauch. Uns und dem vielfältigen Publikum am Anlass und vor dem Fernseher gefällt es sehr.

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