Mittwoch, Oktober 23

Nestlé verpasst den erhofften Befreiungsschlag. Zwar kehrt der Nahrungsmittelriese im Schlussquartal 2024 zum Volumenwachstum zurück. Doch die entscheidenden Kennzahlen enttäuschen fast durch die Bank – auch die Konkurrenz schneidet teilweise besser ab.

Der Befreiungsschlag von Nestlé bleibt aus: Seit mittlerweile mehr als zwei Jahren befinden sich die Aktien in einem Abwärtstrend. Steigende Inflation und eine gedrückte Konsumentenstimmung lasten auf dem Geschäft des Nahrungsmittelriesen aus Vevey, bei dem trotz (oder gerade wegen) üppiger Preiserhöhungen das Wachstum ins Stottern geraten ist.

Mit besonderer Spannung wurden die heute vorgelegten Zahlen für das Gesamtjahr 2023 erwartet. Nicht wenige Investoren hofften darauf, dass Nestlé im Schlussquartal endlich die Trendwende geschafft haben könnte – und wurden enttäuscht. Nestlé lag bei fast allen wichtigen Kennzahlen unter den Erwartungen des Marktes.

Die Aktie – ohnehin nicht gut gelaufen in den letzten Monaten – sackt heute Donnerstag weiter ab und verzeichnete am Morgen ein Minus von über 5%. Tagesverluste von 5% oder höher sind in den letzten zehn Jahren lediglich fünf mal vorgekommen – zuletzt im Mai 2022. Bis zum Mittag konnte das Minus nur leicht eingegrenzt werden.

Die Misere beginnt beim Umsatz, der 2023 mit knapp 93 Mrd. Fr und einem Minus von 1,5% unter den Erwartungen der Analysten zu liegen kam – und dem Konzern die Grenzen in Sachen Preiserhöhungen aufzeigte. Denn hauptverantwortlich für den Rückgang war ein weiterhin schwaches Mengenwachstum. Nach fünf Quartalen mit rückläufigem Wachstum war es im vierten Quartal mit +0,4% zwar erstmals wieder positiv, Analysten hatten jedoch im Schnitt mit einem Plus von 1,4% gerechnet.

Konkurrenz schneidet teilweise besser ab

Im Bezug auf das Gesamtjahr war das Mengenwachstum nun im zweiten Jahr in Folge negativ, das Minus vergrösserte sich sogar von -1,7% auf -2,5%. Bezeichnend ist, dass das Volumenwachstum im Schlussquartal bei Konkurrenten wie Unilever (im Foodbereich +1,4%) und Danone (+0,8%) zuletzt deutlich besser ausfiel.

Nicht hilfreich waren die Währungseffekte, die negativer ausgefallen sind als erwartet, vor allem für die Profitabilität. In Sachen Margenerholung hinkt Nestlé derzeit der Konkurrenz hinterher. Die bereinigte Ebit-Marge stieg im Gesamtjahr 2023 um 20 Basispunkte auf 17,3%. Auch hier hatte sich der Markt angesichts des Leistungsausweises der Konkurrenz mehr erhofft: Während Unilever ihre Ebit-Marge um 60 Basispunkte auf 16,7% steigern konnte, erreichte Danone immerhin ein Plus von 40 Basispunkten auf 12,6%. Nestlé ist damit zwar noch immer der Margenkönig, doch die Konkurrenz holt schneller auf.

Für besondere Enttäuschung sorgte der Reingewinn, der mit 11,2 Mrd. Fr. rund 5% unter dem Analystenkonsens zu liegen kam. Belastend auf das Reinergebnis ausgewirkt haben sich Restrukturierungskosten von über 700 Mio. Fr. sowie Wertberichtigungen in Höhe von rund 600 Mio. Fr. Auch bei der für 2023 vorgeschlagenen Dividende liegt Nestlé mit 3 Fr. – das entspricht einer Erhöhung von 1,7% – unter dem Konsens, wenn auch nur leicht (3.07 Fr.).

Der vielleicht einzige Lichtblick im Zahlenset ist die Entwicklung des freien Cashflows (FCF). Wurde dieser 2022 noch vom Aufbau von Sicherheitsbeständen belastet, normalisierte sich das FCF-Niveau 2023 auf über 10 Mrd. Fr., was angesichts des negativen Wechselkurseffekts durchaus beachtlich ist. Vor dem Hintergrund des überraschend starken FCF erstaunt wiederum die nur moderate Dividendenerhöhung um 1,7%.

Ausblick wenig inspirierend

Auch beim Ausblick hofften Anleger vergebens auf eine positive Überraschung. Das Management rechnet 2024 mit einem Umsatzwachstum von 4%, was etwa auf dem Niveau von Unilever und Danone liegt. Allerdings lag der Analystenkonsens vor der Zahlenpublikation bei +4,7%. Immerhin wurden die Mittelfristziele (Ebit-Marge zwischen 17,5 und 18,5% im Jahr 2025) bestätigt.

Das Zahlenset von Nestlé deutet darauf hin, dass der Konzern für die Margenerholung mehr Zeit benötigen wird. Damit wurde der Markt auf dem falschen Fuss erwischt, wie die harsche Kursreaktion zeigt. Eine Dividendenrendite von 3,1% tröstet nur leicht über die aktuelle Kursmisere hinweg. Grundsätzlich hat Nestlé über die letzten Jahre geliefert. Das Management hat den Umsatzanteil der margenstarken Bereiche Heimtiernahrung, Nutrition und Kaffee von 44% im Jahr 2010 auf heute 63% gesteigert.

Doch jetzt muss Nestlé zeigen, dass es auf den Wachstumspfad zurückkehren kann. Der Investment Case ist weiterhin intakt. Der verbesserte Produktmix rechtfertigt weiterhin einen Bewertungsaufschlag zur Konkurrenz, zudem ist die Transformation noch nicht abgeschlossen. Bis 2026 dürfte sich der Portfolioumbau weiter fortsetzen, was Chancen für Anleger bedeutet. Allerdings dürften Anleger etwas mehr Geduld benötigen als gedacht, bis die Aktie wieder positive Impulse erhält. CEO Mark Schneider ist nun mehr denn je gefragt, einen überzeugenden Wachstumspfad aufzuzeigen.

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