Der Nahrungsmittelkonzern will die Kosten senken und muss sich überlegen, wie grosszügig die Ausschüttungspolitik sein soll. Ausserdem: Die Aktien von Kühne + Nagel kommen nicht vom Fleck, und der Rückschlag bei Tecan ist eine Einstiegsgelegenheit.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
2025 verleiht so manchen Aktien im Schweizer Leitindex neuen Schub, wie ich in den vergangenen Wochen bereits ausführlicher besprochen habe. Doch es gibt auch die anderen; es gibt die, die auch im neuen Jahr am Ende des SMI-Tableaus zu finden sind. Zum Beispiel Kühne + Nagel.
Wie lange Patron Klaus-Michael Kühne da wohl noch zuschauen wird? Zwar gibt es durchaus Faktoren, die den Kriechgang erklären, fast der gesamte Sektor steht unter Druck. Ob berechtigt oder nicht, jüngst sorgten internationale Schlagzeilen für schlechte Stimmung unter den K+N-Anlegern: Weitere Zölle – von US-Präsident Donald Trump praktisch täglich frisch ausgedacht und verkündet – wären Gift für das weltweite Handelsvolumen und damit auch für Logistiker. Gleichzeitig nährt der zwar brüchige Waffenstillstand im Nahen Osten Hoffnung darauf, dass sich die Situation auch mit Blick auf den Konflikt mit den Huthi am Roten Meer entspannt. Damit würde die Seefracht günstiger, zum Leidwesen von Kühne + Nagel.
Tatsache ist aber auch: Seit dem Start von CEO Stefan Paul im August 2022 haben die Aktien gegen 20% an Wert verloren, das negative Kursmomentum setzt sich fort. Anders sieht es bei DSV aus. Die Aktien der dänischen Konkurrentin notieren nach der Ankündigung der Übernahme von Schenker markant höher als Anfang 2023, auch wenn sie im laufenden Jahr ebenfalls an Terrain eingebüsst haben.
Wie mein Kollege Manuel Boeck bereits im Dezember schrieb, hofft der Markt auf positive Synergieeffekte aus dem Zusammenschluss der Nummern drei und vier zum Primus der Branche. Eine Wachstumsstrategie, die Kühne + Nagel stets abgelehnt hat.
Ein Hinweis auf die Gemütslage in der Zentrale in Schindellegi sind oft die Insider-Transaktionen. Kühne hat mutmasslich im Dezember etwas unter dem heutigen Kursniveau Aktien über seine Stiftung erworben: Gemäss der Offenlegung der Schweizer Börsenaufsicht SIX Exchange Regulation haben kurz vor Weihnachten 25’000 Titel mit einem Gesamtwert von mehr als 5 Mio. Fr. den Besitzer gewechselt. Das ist im Vergleich mit früheren Transaktionen, als Kühne auch schon mehr als 1 Mio. Titel aufs Mal erwarb, noch gar nichts, und es könnte mit privaten Gründen zusammenhängen.
Ich würde die Transaktion somit nicht direkt als Vertrauenszeichen für Konzernchef Paul lesen. Ende Jahr tat ein anderes, nicht-exekutives Verwaltungsratsmitglied es Kühne gleich – wohl Präsident Jörg Wolle. Diese Transaktion umfasste 9700 Titel im Wert von gut 2 Mio. Fr.
Klaus-Michael Kühne ist bekannt dafür, den Anteil seiner Stiftung immer wieder mittels grosser und sehr grosser Transaktionen auszubauen – und er hat in der Vergangenheit kein schlechtes Händchen bewiesen, so etwa 2022. Vergangenes Jahr ging die Wette aber nicht auf, zumindest bis heute nicht. Im März 2024 kaufte er mutmasslich K+N-Aktien im Wert von rund 34 Mio. Fr. Bereits damals war der Kurs unter Druck geraten, notierte aber zwischen 240 und 250 Fr. und stieg daraufhin tatsächlich nochmals auf über 270 Fr., bevor es im vierten Quartal 2024 nach unten ging.
Gegenwärtig scheint die Marke von 200 Fr. ein unterer Widerstand zu sein. Kühne und Wolle haben den Markt vielleicht erneut gut getimt. Dafür, dass sich der Aktienkurs bald längerfristig von 200 Fr. lösen kann, spricht derzeit aber wenig. Wenn sich im Konzern nichts bewegt, müsste sich zumindest das Umfeld stabilisieren und mehr Klarheit insbesondere mit Blick auf mögliche US-Zölle herrschen – ein eher unwahrscheinliches Szenario.
Inhaltsverzeichnis
- Vorfreude auf Nestlé
- Was ist bei Tecan los?
Kaum einem Anleger dürfte die Misere bei Nestlé in den vergangenen Monaten entgangen sein. Die Aktien notieren weiterhin nur wenig über dem Mehrjahrestief von 73.66 Fr. Gestern Dienstag und damit knapp zwei Tage vor Publikation der Ergebnisse für 2024 kam ohne relevante Neuigkeiten auffallend viel Bewegung in die Titel.
Dabei werden die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr am Donnerstagmorgen kaum noch für Überraschungen sorgen. Die eigene Prognose eines organischen Wachstums von 2% und leicht höheren Markterwartungen sowie das Ziel einer bereinigten operativen Gewinnmarge von 17% dürften erreicht werden. Immerhin, bin ich geneigt zu schreiben, nach all den Enttäuschungen und der mangelnden Kommunikation, mit der Nestlé 2024 den Aktienmarkt aufgeschreckt hat.
Aber was soll der Markt für 2025 erwarten? Nicht viel, lautet der Tenor. Klar ist: Die Profitabilität wird deutlich sinken. Finanzchefin Anna Manz wollte sich am Investorentag im November nicht dazu äussern, in welchem Umfang, hielt aber einen Margenrückgang von eher weniger als einen Prozentpunkt für einen guten Ausgangspunkt. Dafür sollen insbesondere die Marketingausgaben auf gegen 9% des Umsatzes steigen (2023: 7,7%), um die Kernmarken zu stärken, wie es die Strategie des neuen CEO Laurent Freixe vorsieht. Beim organischen Wachstum hält die Zürcher Kantonalbank eine Vorgabe von 2 bis 4% für realistisch.
Auf die mittlere Frist haben sowohl Freixe als auch Manz die Erwartungen im Vergleich mit den früheren Zielen bereits deutlich nach unten geschraubt und räumen sich viel mehr Spielraum und Zeit ein, indem sie keine konkrete Zielspanne für das organische Wachstum (mehr als 4% wären schön) und Profitabilität (irgendwann wieder mehr als 17% operative Marge) kommunizieren. Unter Ex-CEO Mark Schneider lagen die Ziele vor dem ernüchternden 2024 bei mittelfristig 4 bis 6% respektive 17,5% to 18,5%.
Die konservative Kommunikation des Managements hat der Markt vor knapp drei Monaten zwar nicht goutiert und als unambitioniert taxiert. Sie könnte sich aus meiner Sicht aber angesichts der Investitions- und Sparpläne – bis 2027 sollen 2,7 Mrd. Fr. eingespart werden – und der riesigen Herausforderungen im Lebensmittelsektor noch als vorteilhaft erweisen. Weniger, dafür intensiver, ist die Losung. Dreissig Kernmarken aus dem heutigen Portfolio sollen herausgeputzt werden. Gleichzeitig haben zum Beispiel die weiter wachsende Verbreitung von Abnehmspritzen und anderer Gesundheitstrends sowie die steigenden Preise für Kakao und Kaffee das Potenzial, das Marktumfeld nachhaltig zu verändern.
Nestlé steht vor schmerzhaften Einschnitten, ebenso die Aktionäre. Freixe hat erkannt, dass für den langfristigen Erfolg mehr Geld in die Zukunft des operativen Geschäfts und weniger in Form von Ausschüttungen fliessen muss. Das Aktienrückkaufprogramm wurde nicht neu aufgelegt, wie das unter Schneider wohl der Fall gewesen wäre. Dass Nestlé die Dividende nicht um mindestens 5 Rappen erhöht, sondern bei 3 Fr. je Titel belässt, wie das einige Analysten befürchten, halte ich in der gegenwärtigen Situation zwar für praktisch ausgeschlossen – nur schon wegen der Reputation.
Der Konzern kann aber auch nicht einfach so weitermachen wie bisher, wie folgende Überschlagsrechnung zeigt: Der Gesamtsumme von knapp 8 Mrd. Fr. für die Dividenden 2024 – bei angenommenen 3.05 Fr. je Aktie – steht wohl ein freier Cashflow von gemäss Bloomberg rund 9,5 Mrd. Fr. gegenüber. Ich halte das erst noch für eine ziemlich optimistische Annahme. Und künftig soll laut Freixe auch wieder Geld in den Schuldenabbau fliessen: Der Schuldenberg beträgt rund 50 Mrd. Fr. Das Verhältnis von Nettoschulden zum Ebitda könnte 2024 über 3 gestiegen sein.
Die Gesundung Nestlés braucht Zeit, daran erinnerte Freixe am Investorentag immer und immer wieder. Fragt sich aus meiner Sicht nur: Werden CEO Freixe und Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke das Erreichen ihrer Ziele noch in ihren Rollen bei Nestlé erleben?
Laurent Freixe erreicht in gut zwei Jahren das ordentliche Pensionsalter von 65 Jahren. Paul Bulcke wird im September 71 Jahre, er darf gemäss Statuten noch bis zur Generalversammlung im Frühjahr 2027 weitermachen. Meine These lautet daher: Freixe wird Bulcke dann als Verwaltungsratspräsident beerben, und muss neben allen operativen Herausforderungen lieber schneller als langsamer einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin (Anna Manz?) heranziehen.
Das war nur ein kurzes Aufatmen. Der Aktienkurs von Tecan hat sich zum Jahresbeginn um mehr als 20% verteuert und stieg zeitweise auf über 240 Fr., mittlerweile ist der Gewinn aber mehrheitlich verpufft.
Was steckt dahinter?
Bisher habe ich nichts erfahren, dass sich die Skepsis spezifisch auf den Schweizer Laborausrüster beziehen würde. Im Gegenteil: Tecan war an der Börse zuletzt in guter Gesellschaft. Bei der deutschen Sartorius sowie weiteren Ausrüstern der Pharma- und Biotech-Branche wie den US-Unternehmen Thermo Fisher und Danaher sieht die Aktienkursentwicklung sehr ähnlich aus.
Insbesondere das überraschend gute Resultat von Sartorius verlieh dem Segment Ende Januar Schwung, nachdem 2024 als Horrorjahr in die Börsengeschichte eingegangen war. Das Thema Lagerabbau bei den Kunden, das die Laborausrüster im Nachgang des Pandemiehochs belastet hatte, schien überwunden zu sein. Die Deutschen erwarten für das laufende Jahr eine schrittweise Nachfrageerholung, auch wenn das Wachstum weiter unter dem langjährigen Schnitt bleiben dürfte. Bereits davor hatte Tecan gemeldet, das deutlich gesenkte Umsatzziel für das vergangene Jahr erreicht zu haben und sorgte damit für Aufatmen am Markt.
In der Zwischenzeit haben an der Börse vermehrt die Zweifler übernommen. Tatsächlich bleibt die Visibilität schlecht, darauf liessen auch die Äusserungen von Tecan-CEO Achim von Leoprechting an der Investorenkonferenz des Research- und Brokerage-Anbieters Octavian Mitte Januar schliessen, wie ich höre. Ein wichtiger Grund für die schwache Nachfrage seitens der Pharmaforschung sei der vermehrte Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI), die neue Moleküle gezielter entwerfe als bei alten Verfahren.
Auch von der US-Regierung unter Trump erwartet die Branche kaum positive Impulse. Vor wenigen Tagen hat das National Institute of Health, eine Behörde des US-Gesundheitsministeriums, angekündigt, die Obergrenze für administrative und operative Kosten im Bereich der Biotech-Forschung um rund 15% oder schätzungsweise 4 Mrd. $ kürzen zu wollen. Darunter würden laut einer Einschätzung der Universität Princeton nicht nur Overhead-Kosten, sondern auch Ausgaben für die Laborwartung und -ausrüstung fallen. Zwar wurde das Vorhaben in der Zwischenzeit von einem Gericht gestoppt, aber die Stossrichtung ist klar.
China bleibt ausserdem eine Blackbox. Noch immer warten die Schweizer auf die Implementierung eines Stimulusprogramms, von dem sie zu profitieren hoffen. Doch wie in vielen Branchen schläft auch im Pharma- und Biotech-Sektor die lokale Konkurrenz nicht, in der Medikamentenentwicklung haben die chinesischen Unternehmen gemäss einem Artikel des «Wall Street Journal» stark aufgeholt.
Das alles sorgt für Unsicherheit und damit auch für Druck auf den Aktienkursen. Grundsätzlich sind die strukturellen Nachfragetreiber aber intakt. Die Pharma- und Biotech-Konzerne werden ihre Investitionen wieder aufnehmen müssen, unabhängig von KI – und einige werden bei Tecan bestellen müssen, weil sie durch die Regulierung der US-Arzneimittelbehörde FDA an bestimmte Zulieferer gebunden sind. An den Gewinnerwartungen für das laufende Jahr hat sich zuletzt jedenfalls nichts verändert. Das Tecan-Management dürfte ausserdem aus der schlechten Kommunikation im vergangenen Sommer gelernt haben.
Aus diesem Grund halte ich den neuerlichen Kursrückschlag bei den Aktien für eine Einstiegsmöglichkeit.
Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market
Gabriella Hunter