Sonntag, November 24

Es müssen nicht immer hohe Geschwindigkeiten sein, die in einem Porsche Spass machen: Zusammen mit dem Bootsbauer Frauscher haben die Stuttgarter einen vollelektrischen Daycruiser namens Fantom Air 850 vorgestellt – befeuert vom künftigen Macan-Antrieb.

Man muss sich eben ein bisschen umgewöhnen – Knoten statt Kilometer pro Stunde, Wasserdämpfung statt Luftfederung, Steuerstand statt Cockpit. Aber sonst findet man doch eine Menge Porsche im Frauscher.

Das hört sich alles etwas seltsam an? Kein Wunder, ist es doch nicht alltäglich, dass Porsche sich aufs Wasser wagt. Aber als der Vorstand vor rund zwei Jahren grünes Licht für das Projekt gab, war die Kooperation zwischen der österreichischen Bootsbauerfamilie Frauscher und dem Stuttgarter Sportwagenproduzenten unter Dach und Fach. Ziel: Ein qualitativ hochwertiges Sportboot mit dem rein elektrischen Antrieb des künftigen Porsche Macan auf die Planken zu stellen. Oder anders ausgedrückt: «das beste Elektro-Sportboot zu bauen, das man für Geld kaufen kann», wie es vollmundig beim Autobauer heisst. Das dies dann nicht ganz billig sein wird, ist zu erwarten.

Die Wahl des Bootsbaupartners fiel auf Frauscher. Die Firma, die heute in Ohlsdorf, Oberösterreich, beheimatet ist, existiert seit 1927, gegründet vom damaligen Grossvater des heutigen Chefs. Der baute schon für die Olympischen Spiele 1936 Segelboote. Ab 1955 produziert Frauscher Mietboote mit Elektro-Antrieb – insgesamt rund 3000 Stück. Zurzeit fertigt der Familienbetrieb in Handarbeit etwa 85 bis 90 luxuriöse Motorboote pro Jahr von 6 bis 14 Meter Länge in einer Preisspanne von 100 000 bis 1,5 Millionen Euro. Sie verfügen über neuste Elektronik und Annehmlichkeiten wie Sonnenverdeck (auch Bimini genannt) und edle Polsterung.

Statt eines V8 surrt nun ein E-Motor im Boot

Basis des Porsche-Bootes ist die Frauscher Fantom Air 858, ein Sportboot mit Kunststoff-Rumpf, die bereits 2017 auf den Markt kam. Sie ist normalerweise mit einem 430 PS starken V8 ausgerüstet und kostet netto 350 000 Euro. «Wir mussten den Rumpf des Bootes komplett umbauen, um die von Porsche gelieferte Batterie einpassen zu können», sagt Michael Frauscher, einer der Geschäftsführer des Familienbetriebes. «Die Batterie sitzt jetzt dort, wo sich normalerweise der Kraftstofftank befindet, aber sie benötigt mehr Platz im Mittelteil des Bootes.»

Um zu verstehen, was Frauscher mit Porsche-Hilfe hier an den Start gebracht hat: Der schwedische Konkurrent Candela verfügt mit dem elektrischen C-8 CC über ein 9 Meter langes Tragflügelboot der Cruiser-Klasse, das auch dank Carbonrumpf bis zu 57 Seemeilen (105 Kilometer) weit fahren kann. Es kostet gut 330 000 Euro.

Die slowenische Elektro-Jacht Greenline 39 E-Drive ist sogar knapp 12 Meter lang und verfügt über einen Wohnbereich unter Deck mit zwei Doppelkabinen und Bad. Sonnenkollektoren produzieren an Bord Energie für Klimaanlage, Mikrowelle, Kühlschrank oder Kochfeld. Kostenpunkt: mehr als 400 000 Euro.

Das Frauscher-Team musste bei der Konstruktion des elektrischen Sportboots zwei Herausforderungen meistern: Das Boot sollte nicht schwerer werden als die Benzinmotoren-Variante und mindestens genauso komfortabel. «Einfach ausgedrückt, war es ein Verpackungsproblem: Wie konnte Frauscher die Eigenschaften der Variante mit Verbrennungsmotor erreichen und gleichzeitig die Gewichtsziele einhalten?»

Ein weiteres Problem: Im Gegensatz zum Auto muss der E-Antrieb samt Akku wesentlich besser gegen Stösse geschützt werden sowie hohe Temperaturunterschiede, Luftfeuchtigkeit und Salzwasser aushalten. Frauscher: «Der Hauptunterschied zum Auto ist, dass ein Elektro-Boot über einen längeren Zeitraum mit einer viel höheren Leistung fährt. Das liegt daran, dass der Wasserwiderstand viel höher ist, als wenn Sie auf Reifen über die Strasse rollen. Daher ist die Kühlung des Antriebsstrangs und der Batterie auch ein grösseres Problem als bei Autos.»

Den Antrieb an sich und den Akku dazu musste Porsche dagegen nicht neu erfinden. Der wird genauso in der nächsten Generation des Macan stecken, der 2024 vollelektrisch kommt und auf dem von den VW-Marken Porsche und Audi entworfenen Baukastensystem Premium Platform Electric (PPE) steht. Im Daycruiser für Binnengewässer und die küstennahe offene See werden maximal und kurzzeitig 544 PS generiert, laut Porsche bekommt er im Auto noch ein bisschen mehr Kraft. Motor und Steuergeräte sitzen im Heck des Bootes, die Kraft wird letztlich über einen Inboard-Z-Antrieb mit Schraube in Vortrieb umgewandelt. Im besten Fall sind 46 Knoten Spitze möglich – das sind 85 km/h.

Der Steuerstand sieht aus wie ein Porsche-Cockpit

Doch bevor wir zum Test in den Gardasee stechen, müssen wir noch den Steuerstand betrachten. Das Designstudio F. A. Porsche zeichnet für die Gestaltung verantwortlich. Das Lenkrad ist fast wie aus dem 911 geliehen, und – natürlich fünf – Rundinstrumente informieren den Skipper über so wichtige Daten wie Drehzahl, Kühltemperatur, Trimmer und Ladezustand. Im Leder der beiden Sitze wie auf der Lenkradnabe findet der Kapitän das Porsche-Logo.

Aus optischen Gründen hat sich Porsche für den Gebrauch eines Doppelgashebels entschieden, auch wenn nur ein Motor verbaut ist – so wird die Symmetrie gewahrt. Mit den Materialien mussten sich die Porsche-Designer neu beschäftigen – sind sie doch wesentlich mehr als im Auto Umwelteinflüssen wie Wasser, Sonne und der dazugehörigen Sonnencrème ausgesetzt. Zur Wahl der Aussenlackierung stehen nur Porsche-Farben. Die ersten 25 «First Edition»-Boote erhalten allerdings alle die Launch-Farbe des Macan: «Eisgrau».

Das Boot zu dirigieren, ist kein Hexenwerk. Lenkrad, Gashebel für Vor- und Rückwärtsfahrt, kleine Schalter fürs Bugstrahlruder, zwei Knöpfe fürs Licht, fertig. Erst recht nicht mit den vier Fahrmodi, die die Elektronik bereithält: Dock, Range, Sport und Sport+, die sich aber alle nur auf bestimmte Tempi auswirken. So dümpelt man in den üblicherweise tempobeschränkten Häfen am besten im Dock-Modus Richtung Ausfahrt, mehr als 8 Knoten (15 km/h) lässt «Dock» nicht zu. Draussen auf dem See werden wir aber schnell mutig trotz ordentlichem Wellengang.

Wie beim Auto spricht der Elektromotor sofort und ohne Verzögerung an und schiebt das 2,7 Tonnen schwere Boot durchs Wasser – oder eher übers Wasser. An die bootsübliche völlig indirekte Lenkung gewöhnt man sich schnell, und dann müssen wir natürlich noch Sport+ ausprobieren: Mit Macht beschleunigt die Frauscher auf 40 Knoten (73 km/h), mehr lässt das aufgewühlte Wasser im Test nicht zu.

Die Akku-Temperatur bestimmt das Tempo mit

Volle Kraft voraus funktioniert allerdings sowieso nur kurzzeitig, weil die wassergekühlte Batterie bei Volllast sehr heiss wird. Um vor Überhitzung zu schützen, regelt die Elektronik selbständig wieder herunter. Etwa 20 Knoten (knapp 40 km/h) gilt als «Bestfahrt», dann sind 45 Kilometer Reichweite oder eine Stunde Fahrt möglich. Damit niemand plötzlich stromlos herumdümpelt, geht das Boot bei niedrigem Akku-Stand auf Schleichfahrt, so dass der Kapitän noch 15 Kilometer hat, um eine Ladestation anzufahren.

Derweil können die Passagiere die beiden Bimini-Tops als Sonnenschutz nutzen, mit der elektrischen Ankerwinsch samt Edelstahlanker spielen oder den Kühlschrank plündern. Irgendjemand muss davor aber den Stückpreis von 561 700 Euro netto überwiesen haben. Zumindest in Sachen hoher Preis für ein Luxusgut von Porsche muss man sich also nicht so sehr umgewöhnen.

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