Montag, November 25

Die Schweizerische Rettungsflugwacht hat zwei neue Simulatoren für Helikopter und Ambulanzjets eingeweiht. Künftig können Piloten, aber auch Rettungssanitäter als Cockpitcrew gemeinsam in Opfikon üben.

Es sind zwei höchst unterschiedliche Simulatoren, die die Schweizerische Rettungsflugwacht, Rega, jetzt innerhalb des Lufthansa-Zentrums Aviation Training in Opfikon eingeweiht hat: Einer ist für Helikoptercrews, der andere für die Piloten von Ambulanzjets gedacht.

Besonders wichtig für die Rettungsflieger ist der neue Helikoptersimulator für den H145 D3: Denn diese Version mit Fünf- statt Vierblattrotor des Herstellers Airbus Helicopters wird bis 2026 das künftige Einheitsmuster bei der Rega. Insgesamt 21 Maschinen dieses Zweiturbinentyps will sie dann von 14 Basen aus schweizweit betreiben.

Dass sich die Rega künftig auf eine Einheitsflotte von H145 D3 festlegt und ihre bisherigen H145 D2 mit Vierblattrotor sowie elf bisher ebenfalls im Gebirge eingesetzte AW109SP des Herstellers Leonardo verkauft, hat viel mit Kosteneinsparungen durch nur noch einen Helikoptertyp bei Crewtraining und Wartung zu tun.

Vermutlich spielt aber auch eine geplatzte Bestellung eine Rolle: Leonardo hatte einen Auftrag der Rega in Aussicht, wenn es gelänge, einen mittleren Helikopter mit einer Enteisungsanlage für die Rotorblätter auszustatten. Diese gibt es bis jetzt nur für schwere Helikopter. Im Erfolgsfall hätte dieser Helikopter auch unter Vereisungsbedingungen, also bei Schnee, Eisregen und tiefen Temperaturen in Wolken, wie ein modernes Verkehrsflugzeug fliegen können.

Drei dieser neuen Helikopterversionen mit der Bezeichnung AW169FIPS bestellte die Rega bereits 2015 bei Leonardo. Eigentlich hätten sie dieses Jahr ausgeliefert werden sollen. Doch daraus wurde nichts. Denn der italienische Hersteller teilte den Rega-Verantwortlichen mit, dass das neue Enteisungssystem die vereinbarten hohen Leistungsanforderungen der AW169FIPS nicht erfülle. Der Vertrag wurde daraufhin aufgelöst.

Erstaunlicherweise bietet der neue Helikoptersimulator künftig auch eine Trainingsmöglichkeit für den heutigen Leonardo AW169, obwohl dieser Typ bei der Rega gar nicht zum Einsatz kommen wird. Der Simulator ist modular aufgebaut. So kann das Cockpit der H145 innert weniger Stunden durch ein komplettes Cockpit der grossen AW169 ersetzt werden. Diese Möglichkeit wird in Zukunft zwar nicht von der Rega genutzt, aber über das Trainingszentrum der Lufthansa den Betreibern des Leonardo AW169 bei freien Simulatorkapazitäten angeboten.

Da aber in den nächsten Jahren zwei Drittel aller Cockpitcrews auf die H145 umgeschult werden müssen, kommt der neue Simulator gerade recht. Denn auf ihm kann ein Grossteil der notwendigen Stunden wetterunabhängig absolviert werden. Der Rest findet im echten Helikopter statt.

Reisekosten werden drastisch reduziert

Zudem mussten die Piloten für dieses Training bisher extra nach Deutschland in ein Simulatorzentrum reisen. Auch ohne Umschulung auf einen neuen Helikoptertyp trainieren die Rega-Crews jährlich 1000 Stunden im Simulator. Gemäss Heinz Leibundgut, Chefpilot Helikopter, erhöht dies nicht nur die Sicherheit bei Rettungseinsätzen, sondern auch diejenige für die eigenen Mitarbeitenden, die sonst oft hohe Risiken bei der Rettung eingehen. «Das Training einer Crew ist essenziell – für die Crew und für den Patienten», betont er.

Im neuen Helikoptersimulator fliegt immer ein Pilot oder eine Pilotin zusammen mit einem Rettungssanitäter oder einer Rettungssanitäterin. Denn auch im realen Einsatz übernimmt der Rettungssanitäter Aufgaben im Cockpit, während der Pilot steuert. Der Instruktor in Opfikon sitzt dann hinter der Crew und kann ihr zum Beispiel per Knopfdruck am Computer schlechtes Wetter wie Schnee oder Wolken vorgaukeln. Er kann sie aber auch mit Notfällen wie dem Ausfall einer der beiden Turbinen konfrontieren. Dabei überprüft der Instruktor auch, wie das Team zusammenarbeitet und ob die notwendigen Abläufe zielgerichtet und nach Checkliste abgearbeitet werden.

Der rund zwölf Tonnen schwere und knapp acht Meter hohe Simulator des Herstellers Reiser Simulation and Training ist von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) nach der höchsten Stufe «Level D» zertifiziert. Er kann mithilfe einer ausgeklügelten Hydraulik nahezu alle Bewegungen eines Helikopters nachahmen. Eine fotorealistische Darstellung der ganzen Schweiz auf der Projektionsfläche vor dem Cockpit ergibt zusammen mit den Bewegungen des sogenannten Full-Flight-Simulators eine äusserst realistische Darstellung des Flugverhaltens.

So können im Simulator auch Notverfahren geübt werden, die im realen Flugbetrieb mit einem gewissen Risiko und auch hohen Kosten verbunden wären. Auch der Betrieb mit Nachtsichtgeräten oder das Fliegen mit Unterlast wird simuliert und trainiert. Dass dabei weder Lärm noch Schadstoffe entstehen und kein CO2 ausgestossen wird, sind weitere Vorteile des Simulatorfliegens. Noch entspricht der Simulator dem Typ H145 D2, ab Sommer 2024 wird er auf den zukünftigen Einheitstyp der Rega H145 D3 aufgerüstet.

Von einem weiteren neuen Simulator profitieren auch die Pilotinnen und Piloten der drei Rega-Ambulanzjets. Denn bisher mussten sie für die obligatorischen Trainingseinheiten zweimal pro Jahr ins kanadische Montreal fliegen. Dort stand bislang der nächstgelegene Full-Flight-Simulator für den Bombardier Challenger 650. Dieser zweistrahlige Ambulanzjet auf der Basis eines bewährten Businessjets ist bei der Rega weltweit in drei Exemplaren als fliegende Intensivstation im Einsatz. Die Cockpitbesatzung besteht aus je einem Kapitän und einem Co-Piloten.

«Wir holen jedes Jahr 1000 Patienten», betont Daniel Landert, Chefpilot Jet bei der Rega. «Dabei sind wir jährlich 4800 Stunden in der Luft.» Damit seien die Challenger 650 der Rega diejenigen Jets mit der wohl weltweit höchsten Auslastung dieses Typs. Die Anforderungen an die Cockpitcrew seien im Ambulanzflugbetrieb womöglich auch höher als bei einer Fluglinie. Denn während die Swiss etwa 100 Destinationen weltweit ansteuere, seien es bei der Rega rund 400.

Oft müssten auch kleine Flugplätze im Sichtflugbetrieb, also ohne Instrumentenlandesystem wie an grossen Flughäfen, weltweit angeflogen werden. Mithilfe des neuen Simulators der österreichischen Firma Axis Flight Training Systems spart sich die Rega die zweimal jährlichen Transatlantikreisen jedes ihrer 28 Cockpitmitglieder der Ambulanzflugzeuge und den jeweils mindestens dreitägigen Aufenthalt in Kanada.

Auch andere Firmen nutzen das Lufthansa-Zentrum

Er wird aber nicht nur von der Rega genutzt, auch andere Betreiber des Challenger 650 können künftig bei freier Kapazität ihre Crews in Opfikon trainieren lassen. Denn beide neuen Simulatoren der Rega werden bei freier Kapazität auch Drittkunden angeboten und von der Lufthansa Aviation Training Switzerland betrieben.

Diese ist eine Tochtergesellschaft der Lufthansa Aviation Training in München. Rund 150 festangestellte Mitarbeiter verschiedener Fachrichtungen arbeiten in Opfikon an der Ausbildung oder dem Training von Cockpit- und Kabinencrews, dazu kommen mehr als 200 freie Mitarbeiter. Jährlich durchlaufen 12 000 Absolventen hier ihr jeweiliges Training.

Herzstück des Ausbildungszentrums sind die Full-Flight-Simulatoren für die Pilotenausbildung und das Training der Cockpitcrews. Acht dieser Simulatoren im Wert von jeweils mehreren Millionen Franken stehen hier. Jeder wiegt zwischen 11 und 14 Tonnen. Deshalb steht das Gebäude in Opfikon auch auf 160 Pfählen, die bis zu 30 Meter tief in den Boden gebohrt wurden. Nur dadurch ist eine sichere Statik der Hightech-Geräte gewährleistet. Sie sind Tag und Nacht an bis zu 365 Tagen pro Jahr im Einsatz.

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