Donnerstag, Oktober 10

Ein Sturz mit dem E-Bike kann so schwer enden wie mit dem Töff. Das belegt ein Team des Universitätsspitals Zürich. Ohne Helm fahren? Keine gute Idee.

Sie sind umweltschonend und schnell, mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 45 Kilometern pro Stunde unterwegs. E-Bikes sind beliebt: bei Pendlern, bei Rentnern. Sie erweitern die Mobilität. Aber sie erhöhen auch massiv das Unfallrisiko.

Wie schwerwiegend ein Sturz vom E-Bike sein kann, das belegt eine neue Studie des Universitätsspitals Zürich (USZ). Thomas Rauer, Oberarzt für Traumatologie, hat zusammen mit seinem Team Anfang April einen Artikel im «European Journal of Trauma and Emergency Surgery» publiziert. Seine Schlussfolgerung: Ein Unfall mit dem E-Bike kann in Bezug auf Verletzungen an Kopf und Halswirbel gleich schwer wie mit dem Motorrad enden.

Mit Helm bis zu 14 Mal besser geschützt

Rauer und sein Team haben Daten von 1068 Patientinnen und Patienten ausgewertet, die zwischen 2009 und 2019 am USZ behandelt worden sind. Alle waren Opfer von Velo-, E-Bike- oder Motorradunfällen. Die Studie ist eine der ersten, die Vergleiche anstellt: Wie oft sind Hirnblutungen bei einem Sturz von einem elektrifizierten Fahrrad, wie oft nach einem Unfall mit einem gewöhnlichen Velo oder einem Töff? Und welchen Unterschied macht das Tragen eines Helms?

Fragt man Rauer nach einer Kernaussage seiner Untersuchung, dann sagt er: «Die Studie hebt besonders hervor, wie wichtig der Helm ist.» Mit welcher Eindeutigkeit dies zum Ausdruck komme, habe ihn sogar überrascht, so Rauer.

Von den untersuchten Fällen hatten Velofahrer, die ohne Helm stürzten, zu 26 Prozent eine Hirnblutung erlitten. Bei den E-Bikern ohne Kopfschutz waren hingegen 60 Prozent davon betroffen. Stürzten sie mit Helm, lag die Quote von Hirnblutungen mehr als sechs Mal tiefer bei 9,1 Prozent und war vergleichbar wie bei den Velofahrern.

Als sogar 14 Mal höher erweist sich bei einem E-Bike-Unfall ohne Helm – im Vergleich zu einem Sturz mit Helm – die Wahrscheinlichkeit eines Subduralhämatoms. Diese Blutung zwischen zwei Hirnhäuten stellt gemäss Rauer einen absoluten Notfall dar, der sehr schnell zum Tod führen kann und unmittelbar operiert werden muss. Fast kein Unterschied bestand hingegen zwischen den verunglückten Velofahrern und E-Bikern, die sich mit einem Helm schützen.

Die Studie soll laut Rauer zeigen, dass E-Bike-Unfälle als eine eigenständige Kategorie und fast gleich wie Roller-Unfälle zu betrachten sind. «Deshalb wäre es sinnvoll, ein Sicherheitstraining ähnlich dem für Motorradfahrer für die E-Biker einzuführen und auch die Autofahrer immer wieder auf die E-Biker zu sensibilisieren, die nun schneller unterwegs sind.»

Im Verkehr schwierig einzuschätzen

Denn ein E-Bike ist mitten im Verkehr kaum von einem herkömmlichen Velo zu unterscheiden. Der Autofahrer erblickt das Gefährt in der Ferne, sieht sich locker im Vorsprung und will abbiegen. Doch schon hat sich der E-Biker gefährlich genähert – und dessen Reaktions- und Bremsweg kann bis zu viermal länger sein als bei einem Velo.

Längere Reaktions- und Bremswege mit dem E-Bike

Zu solchen Situationen kommt es immer öfter. Die Zahl der elektrifizierten Fahrrädern steigt – zuletzt besonders diejenige der schnelleren Modelle. Laut Zahlen von Velosuisse haben die Schweizer 2023 zwar insgesamt weniger Velos als in den zwei vorhergehenden Jahren gekauft. Die meisten Sparten waren rückläufig. Einzig die schnellen E-Bikes mit Geschwindigkeiten bis zu 45 Kilometern pro Stunde legten im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 16 Prozent zu. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr mehr als 172 000 E-Bikes im Vergleich zu rund 223 000 Velos ohne Antrieb verkauft.

Mehr als 21 500 Velo-Unfälle

Das stellt den Verkehr vor immer grösseren Herausforderungen. Im Jahr 2023 verunfallten laut dem Bundesamt für Strasse Astra mehr als 21 500 Personen auf Fahrrädern, davon 1063 mit einem E-Bike. Von Letzteren kamen zwölf ums Leben und 312 verletzten sich schwer. Laut Lucien Combaz bestätigt das Ergebnis der USZ-Studie die bisherigen Beobachtungen zu den E-Bikes. Der Kommunikationsleiter der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BFU) sagt: «Die Schwere der Verletzung hat mit der Geschwindigkeit zu tun.» Je höher das Tempo, desto länger der Bremsweg und desto härter der Aufprall.

Die BFU versucht, auf die Politik bei der Gestaltung der Strassen einzuwirken, mit mehr getrennten Velowegen etwa. Auf ihrer Website gibt die BFU zudem Ratschläge für das Fahren mit E-Bikes. Sie sind fast deckungsgleich wie diejenigen der Suva. Dazu gehören etwa Fahrkurse, um etwa auch Bremsmanöver zu trainieren. Beim Kauf von schnellen E-Bikes werden Modelle mit einem Antiblockiersystem (ABS) empfohlen – was allerdings mit höheren Kosten verbunden ist. Das ABS verhindert, dass sich das Vorderrad beim Bremsen abrupt blockiert und sich Rad und Fahrer überschlagen.

Die Experten von Suva und BFU legen einen Helmkauf in einem Geschäft und nicht online nahe. Eine Studie der BFU hat neulich bestätigt, dass Helme mit einem sogenannten Rotationsdämpfungssystem wie etwa dem Mips-System tatsächlich wirksamer sind und Aufprall besser absorbieren.

In einem Punkt sind sich alle einig: Von den Ärzten wie Rauer, zum BFU über die Suva. Ob man nur mit den eigenen Muskeln pedalt oder mit Elektroantrieb – der Helm rettet leben.

Sicher unterwegs mit dem E-Bike

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