Nach Israel geht auch die Palästinensische Autonomiebehörde gegen den Satellitenkanal vor und verbietet ihn bis auf weiteres. Offiziell wird al-Jazeera vorgeworfen, sich in «innerpalästinensische Angelegenheiten» eingemischt zu haben. Doch die Gründe liegen tiefer.

Vor etwas mehr als drei Monaten waren es noch israelische Soldaten, die in Ramallah die Büros von al-Jazeera gestürmt hatten. Die Bilder und Videos von der Aktion waren damals um die Welt gegangen und hatten Empörung ausgelöst. Zuvor hatte Israels Regierung den katarischen TV-Sender verbieten lassen – wegen angeblich staatsfeindlicher Aktivitäten und Bedrohung der inneren Sicherheit des jüdischen Staates.

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Jetzt droht al-Jazeera erneut Ärger. Aber diesmal sind es nicht die Israeli, die gegen das Medienunternehmen vorgehen – sondern die Palästinenser selbst. Am Mittwochnachmittag verkündete ausgerechnet die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), dass dem Kanal im Westjordanland bis auf weiteres die Sendelizenz entzogen werde.

Unliebsame Berichterstattung

Die Begründung liest sich dabei ziemlich ähnlich wie diejenige der Israeli ein paar Monate zuvor: al-Jazeera verbreite aufwieglerische Inhalte und mische sich in innerpalästinensische Angelegenheiten ein, hiess es vonseiten des Kommunikationsministeriums. Man habe deshalb beschlossen, die Ausstrahlung des Senders vorerst einzustellen und alle seine Aktivitäten einzufrieren, wie die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur Wafa berichtete.

Dabei hat sich al-Jazeera mit seiner Berichterstattung eigentlich die palästinensische Sache auf die Fahne geschrieben. Kaum ein Sender berichtet so umfassend aus dem Westjordanland und aus Gaza wie der vom Golfemirat Katar alimentierte Satellitenkanal. Vor allem im völlig zerstörten Gazastreifen ist al-Jazeera das einzige Medienunternehmen, das dank einer gut ausgebauten lokalen Infrastruktur und zahlreichen Mitarbeitern vor Ort umfassend berichten kann und tagtäglich die Live-Bilder des Krieges in die Welt trägt. Ausländischen Journalisten verweigert Israel seit Kriegsbeginn die Einreise.

All das zählt in den Augen der Zensoren in Ramallah derzeit aber wenig. Denn den Behörden von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas war der Sender mit seiner Berichterstattung in letzter Zeit ein Dorn im Auge. In den vergangenen Wochen hatte al-Jazeera auch regelmässig aus dem nördlichen Westjordanland berichtet. Dort war es in der Stadt Jenin jüngst zu heftigen Kämpfen zwischen palästinensischen Sicherheitskräften und Kämpfern islamistischer Gruppen gekommen.

Eine Folge der Grosswetterlage

Seit Wochen versucht Abbas’ Behörde mit harter Hand gegen unbotmässige Milizen und Ableger von Islamistengruppen wie der Hamas und dem Islamischen Jihad vorzugehen. Der greise Präsident hofft, so sein ramponiertes Image aufzubessern. Denn seine Behörde gilt vielen Palästinensern als korrupte und schwache Erfüllungsgehilfin der israelischen Besetzung im Westjordanland. Nun macht sich Abbas die Schwächung der Hamas in Gaza – die als Hauptkonkurrenz seiner Administration gilt – zunutze und greift durch. Al-Jazeera hatte dies wiederholt scharf kritisiert.

Der Palästinenserpräsident dürfte dabei wohl auch die jüngsten Entwicklungen in der Region im Blick haben. Denn spätestens seit der Niederlage des mit der Hamas verbündeten Hizbullah in Libanon und dem Sturz des Asad-Regimes in Syrien verschieben sich im Nahen Osten die Gewichte. Die Regionalmacht Iran, die zu den wichtigsten Hamas-Unterstützern zählt, musste herbe Rückschläge einstecken. Die den Islamisten feindlich gesinnten Golfmonarchien um Saudiarabien hingegen gehören gemeinsam mit der Türkei zu den Gewinnern. Nicht zuletzt dürfte Abbas darauf hoffen, dass seine PA nach dem Krieg wieder eine grössere Rolle im Gazastreifen spielen wird.

Die als Hamas-freundlich empfundene Berichterstattung von al-Jazeera ist in Ramallah angesichts dieser neuen Grosswetterlage offenbar nicht mehr willkommen. Dabei ist der autoritär regierende Abbas allerdings nicht der Erste, der dem TV-Kanal aus Doha wegen angeblicher Parteilichkeit den Stecker zieht. Bereits Jahre zuvor waren Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate gegen al-Jazeera vorgegangen und hatten von Katar sogar vergeblich dessen Einstellung gefordert.

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