Donnerstag, Oktober 31

Die Finanzmarktaufsicht zeigt es ihren Zweiflern. Sie findet einen neuen Chefaufseher, der die nötigen Qualifikationen mitbringt, um die mächtige UBS einzuhegen. Stefan Walter wird aber mehr brauchen als Fachwissen, um die Finma effektiv zu führen.

Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) erhält einen neuen Direktor. Mit Stefan Walter hat die Behörde eine, aus heutiger Perspektive, überzeugende Wahl getroffen.

Erfreulich ist, dass die Finma überhaupt jemanden gefunden hat, der die hohen Anforderungen erfüllt. Das haben in den vergangenen Monaten manche auf dem Finanzplatz bezweifelt.

Grossbaustelle Finma

Allen voran der abrupte Abgang des früheren Direktors Urban Angehrn hat im September 2023 nämlich die Frage aufgeworfen, ob die Finma richtig aufgesetzt und geführt ist. In wichtigen Fragen entscheidet bei der Aufsichtsbehörde der Verwaltungsrat, auch wenn die Mehrheit von deren Mitgliedern nur über kleine Pensen verfügt und die Geschäftsleitung die diskutierten Themen viel enger begleitet hat.

Diese Arbeitsteilung wurde im Finanzmarktgesetz bei der Gründung der Finma bewusst angelegt, um die Sorgen der Banken und Versicherer wegen eines übermächtigen Aufsehers zu besänftigen. In der Krise um die Credit Suisse warf die Arbeitsteilung aber die Frage auf, wer bei der Aufsicht tatsächlich das Zepter führt, wenn es darauf ankommt.

Wegen des Gesetzesrahmens ist eine gute Zusammenarbeit des Direktors mit Finma-Präsidentin Marlene Amstad wichtig. Einige Akteure am Schweizer Finanzplatz können und konnten das ausgezeichnet, andere überhaupt nicht. Stefan Walter muss sich in der ersten Kategorie einreihen, will er Erfolg haben.

Walter kennt die Welt der Grossbanken

Die Berufung von Stefan Walter zeigt, dass den Unkenrufen zum Trotz Kandidaten mit dem nötigen Kaliber ihren Hut in den Ring geworfen haben. Er dürfte mit Bankchefs und ausländischen Chefaufsehern auf Augenhöhe diskutieren können.

Der 59-Jährige hat einen Grossteil seines Berufslebens an Schlüsselstellen der Bankenregulierung verbracht. Als Generalsekretär des Basler Ausschusses für Bankenregulierung war er an der Ausarbeitung der heute weltweit massgebenden «Basel III»-Kapitalrichtlinien beteiligt. Bei der EZB verantwortete er sechseinhalb Jahre lang die Aufsicht über die systemrelevanten Grossbanken der Euro-Zone.

Diese Erfahrung wird Walter auf dem Schweizer Finanzplatz zugutekommen, der heute von der UBS dominiert wird. Die Schweiz muss dringend vermeiden, dass ihre grösste Bank dereinst in ähnliches Fahrwasser wie die Credit Suisse gerät und gerettet werden muss. Eine schlagkräftige Finma, die der UBS Paroli bieten kann, ist eine wichtige Voraussetzung dafür.

Stefan Walter ist zwar nicht der Bankpraktiker, den sich einige gewünscht haben; mit Ausnahme einer zweijährigen Tätigkeit bei der Beratungsfirma EY hat er immer auf der Seite der Aufseher gearbeitet. Aber zumindest aus dieser Perspektive kennt er die Branche sehr gut.

Entscheidend sind fortan Nehmerqualitäten und Stressresistenz. Die 15 Jahre alte Finma steht nämlich vor einer grossen Bewährungsprobe. Noch immer treibt die Schweiz die Frage um, wie die Credit Suisse 2023 ein derart jähes Ende fand – und wer dafür die Verantwortung trägt.

Natürlich war das in erster Linie die CS-Spitze selbst. Aber auch die Finma, das Finanzdepartement und die Nationalbank haben sich in den Monaten und Jahren vor dem Untergang der zweitgrössten Schweizer Bank nicht mit Ruhm bekleckert. Niemandem gelang es, eine zusehends erratisch agierende, Skandale am Laufband hervorbringende CS-Führung in die Schranken zu weisen.

Wer genau was getan oder eben unterlassen hat, ist Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung zum CS-Aus, die Ende 2024 ihren Abschluss finden dürfte. Hinter und vor den Kulissen in Bern wird dann ein Kampf um die Schuldfrage ausgefochten werden. Wer das Narrativ zum Ende der CS kontrolliert, erhält Einfluss über die künftige Bankenregulierung.

Die Schweiz funktioniert etwas anders

Es ist nicht die Aufgabe des neuen Finma-Direktors, solche Hinterzimmerpolitik zu betreiben. Aber er muss sie verstehen, um seine Behörde effektiv führen zu können. Er muss die Finma nach zahlreichen Abgängen in Führungspositionen wieder stabilisieren, damit sie ihrer Aufsichtsfunktion richtig nachgehen kann. Allen voran gegenüber der UBS.

Dass Stefan Walter Deutscher ist, muss kein Nachteil sein – mindestens aus seiner Basler Zeit wird ihm die Funktionsweise der Schweiz einigermassen vertraut sein. Der neue Finma-Direktor sollte aber lernwillig sein, denn sein neuer Arbeitgeber macht manches ein bisschen anders als die EZB.

Die Finma verfolgt zum Beispiel eine stärker prinzipienbasierte Regulierung, was etwa dazu führte, dass sie im Umgang mit Kryptowährungen oft pragmatische Lösungen gefunden hat. Auch im Umgang mit Klimarisiken am Finanzplatz war die Finma, zumindest in der Vergangenheit, weniger dogmatisch unterwegs als eine EZB, welche ihre Banken mittels Aufsichtsrecht zu grünen Vorzeigeunternehmen formen will.

Es muss Stefan Walter gelingen, der Finma den Respekt des hiesigen Finanzplatzes und der internationalen Partner zu sichern und die Behörde wieder in ruhigere Gewässer zu führen. Er bringt das passende fachliche Profil für diese Aufgabe mit. Wenn er auch über das geforderte Fingerspitzengefühl verfügt, stehen seine Erfolgschancen gut.

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