Lawrence Wong steht eigentlich für Kontinuität in dem wohlhabenden Stadtstaat. Doch um den hohen Lebensstandard Singapurs zu erhalten, wird er Flexibilität beweisen müssen.

Singapur bekommt einen neuen Regierungschef. An diesem Mittwoch legt der 51-jährige Lawrence Wong den Amtseid ab. Er folgt auf Lee Hsien Loong, der den Stadtstaat seit 2004 regierte und Sohn des Staatsgründers Lee Kuan Yew ist. Wong ist erst der vierte Regierungschef seit der Unabhängigkeit 1965 und gehört wie seine Vorgänger der People’s Action Party an.

Die Jugend kehrt der regierenden Partei den Rücken

Wong stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Sein Vater kam auf der chinesischen Ferieninsel Hainan zur Welt, zog als Bub nach Malaysia. Nach Abschluss der Sekundarschule suchte er sein Glück in Singapur. Er machte im Vertrieb Karriere. Wongs Mutter war 40 Jahre lang Lehrerin.

Wong arbeitete sich mit Fleiss und Intelligenz nach oben. Er hat einen Bachelor- und einen Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften, die er dank einem Stipendium in den Vereinigten Staaten erwarb. Anschliessend erlangte er einen Master in öffentlicher Verwaltung an der Harvard Kennedy School.

Nach der Rückkehr aus Amerika trat er 1997 in Singapurs öffentliche Verwaltung ein. Er arbeitete für diverse Ministerien und war drei Jahre persönlicher Assistent des nun scheidenden Regierungschefs Lee Hsien Loong. Aus dieser Zeit stammen die engen Bande zwischen den beiden.

2011 wurde Wong erstmals ins Parlament gewählt. Zwei Wochen später war er bereits Minister für Erziehung und Militär. Seine Bewährungsprobe bestand er während der Pandemie, als er als Finanzminister einem ressortübergreifenden Komitee angehörte, das Singapur durch schwierige Monate navigierte.

Wong wird in unruhigen Zeiten Regierungschef. Singapur ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 80 000 Dollar zwar eines der reichsten Länder der Welt. Und Wong dürfte wie sein Vorgänger den Fokus darauflegen, Singapur als Drehkreuz für die Finanzbranche, Handel und Hightech auszubauen. Allerdings steht er in der Innen- und Aussenpolitik vor immensen Herausforderungen.

Das Image der seit 1965 regierenden People’s Action Party ist durch zahlreiche Skandale ramponiert. Der Sprecher des Parlaments trat wegen einer ausserehelichen Affäre zurück. Auch der einstige Verkehrsminister S. Iswaran musste gehen. Er wird sich wegen diverser Bestechungs- und Korruptionsaffären vor Gericht zu verantworten haben.

Die Wähler verpassten der Partei bereits bei der Wahl 2020 eine Warnung. Zwar errang sie 83 von 93 Sitzen im Parlament, doch sie verlor neun Prozentpunkte. Schmerzhaft war, dass die oppositionelle Workers’ Party, die zehn Abgeordnete im Parlament stellt, unter den 21- bis 25-Jährigen populär ist.

Singapurs junge Generation hat die Zeiten hoher Wachstumsraten nicht erlebt und andere Vorstellungen vom Leben als ihre Eltern. Wong muss Lösungen finden, wie seine Partei bei der nächsten Wahl, die bis Ende 2025 erfolgt sein muss, bei der jungen Generation punkten kann. Misslingt ihm dies, dürften seine innerparteilichen Rivalen ihre Chancen wittern.

Was tun, wenn Donald Trump gewählt wird?

Auch in der Aussenpolitik steht Wong wegen des amerikanisch-chinesischen Konflikts vor grossen Herausforderungen. Bisher pflegte der Stadtstaat gute wirtschaftliche Beziehungen mit China und militärische mit Amerika. Allerdings hat das Ansehen der Vereinigten Staaten in ganz Südostasien unter dem Krieg in Gaza gelitten. Auch der Unwillen Amerikas, sich an der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration von Ost- sowie Südostasien zu beteiligen, stösst in Singapur auf Unverständnis.

Ein Horrorszenario ist für Wong ein militärischer Konflikt um Taiwan: Muss Singapur dann Stellung beziehen und den Hafen für die amerikanische Marine öffnen? Was passiert, wenn Donald Trump zum amerikanischen Präsidenten gewählt wird? Während seiner ersten Amtszeit hatte er Südostasien ignoriert. Wong steht vor schwierigen Jahren.

Exit mobile version