Mittwoch, März 12

Normalerweise rezykliert er Proteine. Jetzt haben Forscher gezeigt: Wenn Bakterien angreifen, schüttet der zelleigene Mülleimer antimikrobielle Stoffe aus. Manche davon könnten gegen resistente Keime helfen.

Im Notfall wird selbst der Mülleimer zur Waffe. So scheint es jedenfalls in der menschlichen Zelle zu laufen.

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Dieser Mülleimer ist eine winzige Struktur namens Proteasom. Das Proteasom ist nur wenige Millionstel Millimeter gross und vielfach in jeder Zelle vorhanden. Seine Aufgabe ist es an sich, nicht mehr benötigte oder kaputte Proteine in kleine Schnipsel zu zerschneiden.

Doch wenn eine Zelle mit Bakterien infiziert ist, stellt das Proteasom auf den Verteidigungsmodus um. Dann produziert es gezielt Proteinschnipsel, die für Bakterien tödlich sind. Das hat das Team der Immunologin Yifat Merbl vom Weizmann-Institut in Israel diese Woche in einer Publikation im wissenschaftlichen Journal «Nature» beschrieben.

Verstecktes Potenzial zur Bakterienbekämpfung

Die Forscher um Merbl haben in ihren Experimenten gezeigt, dass das Proteasom im Falle einer Infektion alte Proteine gezielt so zerlegt, dass Proteinschnipsel mit antibakterieller Wirkung entstehen.

«Das ist ein sehr überraschendes und bemerkenswertes Ergebnis», sagt Petr Broz. Er ist Mikrobiologe und erforscht an der Universität Lausanne, wie sich Zellen gegen Bakterien verteidigen. Dass gewisse Proteinschnipsel gegen Bakterien wirksam sein können, sei zwar seit längerem bekannt. Man findet sie auf der Haut, in der Tränenflüssigkeit, dem Mund, der Lunge, sogar in der Muttermilch. Sie können Bakterien töten, indem sie deren Aussenhülle durchlöchern. Doch dass es durch blosses Zerschneiden von menschlichen Proteinen möglich ist, solche antimikrobiellen Schnipsel herzustellen, sei eine neue Erkenntnis. Die Studie habe ein grosses verstecktes Potenzial für antibakterielle Stoffe innerhalb menschlicher Proteine aufgezeigt, so Broz.

Damit haben die Forscher einen neuen Mechanismus des Immunsystems entdeckt, der den Körper vor bakteriellen Infektionen schützt. Und sie haben gezeigt, dass das Proteasom deutlich zum Schutz von Zellen beiträgt. Blockierten die Forscher bei Zellen das Proteasom, konnten sie diese leichter mit Bakterien wie Salmonellen infizieren.

Eine Quelle für neuartige Antibiotika?

Von ihrer Forschung erhoffen sich die Wissenschafter mehr als nur ein besseres Verständnis des Immunsystems. In einer weiteren Versuchsreihe haben sie, wie sie sagen, «im Müll gegraben». Unter den Schnipseln, die das Proteasom aus den aussortierten Proteinen herstellt, haben sie nach den vielversprechendsten Kandidaten zur Abwehr von Bakterien gesucht.

Und sie sind fündig geworden: Manche der Proteinschnipsel waren bei der Behandlung von Lungenentzündungen und Blutvergiftung bei Labormäusen ebenso wirksam wie herkömmliche Antibiotika. Das weckt die Hoffnung, dass diese Proteinfragmente als neuartige Antibiotika genutzt werden könnten. Das Proteasom erzeuge eine ganz neue Klasse potenzieller natürlicher Antibiotika, sagte die Leiterin der Studie Yifat Merbl gegenüber der BBC.

Stellt sich diese Hoffnung als begründet heraus, könnte das weitreichende Konsequenzen haben. Denn resistente Bakterienstämme werden zu einem immer grösseren Problem. Weltweit gehören Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien heute zu den häufigsten Todesursachen.

Auch Petr Broz teilt die Hoffnung, dass die Ergebnisse der Studie zu neuen Antibiotika führen könnten. Das grösste Problem, das bis dahin noch zu überwinden sei, sei die Stabilität. Denn Proteinfragmente zerfallen im Körper schnell. Als Pille würden sich Antibiotika auf dieser Basis eher nicht verabreichen lassen.

Idealerweise, sagt er, würde man das Proteasom direkt ansteuern. «Wir wissen jetzt, dass jede Zelle das Potenzial hat, antibakterielle Stoffe herzustellen», sagt Broz. «Wenn wir die Produktion gezielt anschalten könnten, müssten wir die Antibiotika gar nicht von aussen in den Körper bringen.»

Statt mit klassischen Antibiotika könnte man Bakterien dann mit ganz natürlichem Müll bekämpfen.

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