Erneut hat sich die Nationalbank in einer unsicheren Lage für eine rasche Zinssenkung zur Stimulierung der Wirtschaft entschieden. Mit Blick auf die Zukunft ist das problematisch.
«Angemessen» sei die Geldpolitik nun, betonte Martin Schlegel an der Medienkonferenz zur Erläuterung der erneuten Zinssenkung. Nicht näher erklären wollte der neue Präsident der in letzter Zeit stark veränderten und verjüngten Führung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) auf Nachfrage, was dieses «angemessen» heisst. Ist die Geldpolitik der Nationalbank damit restriktiv, neutral oder expansiv und hält sie den Franken für fair bewertet, stark oder schwach? Und was bedeutet dies für die weiteren Aussichten?
Schlegel sagte lediglich, man habe die Geldpolitik in den vergangenen Quartalen deutlich gelockert, was dazu beigetragen habe, die Inflationsaussichten zu stabilisieren. Die Aussichten seien gegenwärtig global sehr unsicher, Abwärtsrisiken würden überwiegen und man werde vor der nächsten Lagebeurteilung im Juni sich die Daten wieder anschauen und dann entscheiden.
Expansiver als die anderen
Festzustellen ist allerdings, dass sich das neue Direktorium in einer nicht sehr eindeutigen Situation erneut für eine forsche Zinssenkung ausgesprochen hat. Im Dezember votierte es nicht – wie unter Zentralbanken im Normalfall üblich – für eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte, sondern senkte den Leitzins gleich um 0,5 Prozentpunkte. Und während sich sowohl die amerikanische Zentralbank wie auch die Bank of England angesichts der Unsicherheit dafür entschieden haben, mit weiteren Zinssenkungen zuzuwarten, hat die SNB ihren Leitzins nochmals um 0,25 Prozentpunkte auf nur noch 0,25 Prozent gesenkt. Die Politik der SNB ist damit wohl lockerer selbst als diejenige der EZB.
Man kann argumentieren, dies sei angemessen, da derzeit zwar keine ernsthafte Deflationsgefahr auszumachen ist, aber auch kein grösserer Inflationsdruck. Wieso also nicht den Spielraum nutzen und mit noch tieferen Zinsen dafür sorgen, dass der Franken vergleichsweise unattraktiv und damit schwach bewertet bleibt und so der Schweizer Wirtschaft auf die Sprünge helfen?
Die Vertreter der Exportwirtschaft dürfen sich freuen. Doch der Schweizer Wirtschaft geht es insgesamt nicht schlecht. Die SNB schreibt selbst, die Produktionskapazitäten seien in der Schweiz normal ausgelastet und prognostiziert für dieses Jahr unverändert ein reales Wirtschaftswachstum von 1 bis 1,5 Prozent. Der Franken ist seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro etwas schwächer geworden und gegenüber dem Dollar leicht stärker; real hat er an Wert verloren.
Negativzinsen rücken ins unmittelbare Blickfeld
Die gegenwärtige Geldpolitik der SNB wirkt also bereits wieder expansiv, obwohl es der Wirtschaft insgesamt nicht schlecht geht . Dafür spricht auch, dass der reale Gleichgewichtszins in der Schweiz derzeit nahe bei, aber leicht über null liegen dürfte. Addiert man die in diesem Jahr erwartete Teuerung von 0,4 Prozent dazu, müsste ein neutraler nominaler Leitzins derzeit irgendwo um 0,5 Prozent betragen.
Schlegel betont, es bringe nichts, sich Spielraum durch Zuwarten erhalten zu wollen; Geldpolitik müsse frühzeitig handeln. Man mag hoffen, dass die SNB mit ihrer Senkung des Leitzinses auf 0,25 Prozent nun ihren Zinssenkungszyklus beendet hat. Dafür spricht auch, dass die mit der Aufrüstung in Europa verbundene fiskalische Expansion mittelfristig die Konjunktur und Inflation wieder anheizen sollten und auch hohe Zölle die Preise verteuern. Doch dagegen sprechen die Risiken eines durch Trumps Politik ausgelösten weltwirtschaftlichen Wirtschaftseinbruchs und Drucks auf den Franken.
Die zu beobachtende Präferenz für forsches, die einheimische Konjunktur stimulierendes Handeln lässt erwarten, dass die SNB unter neuer Führung bei einer Verschlechterung der konjunkturellen Lage oder Erstarkung des Frankens nicht zögern wird, dezidiert auf Negativzinsen zu setzen. Nahe dran ist sie jetzt schon. Weniger als drei Jahre nach deren Ende rücken somit Negativzinsen mit all ihren negativen Nebenwirkungen wieder ins unmittelbare Blickfeld. Und die SNB läuft Gefahr, sich ohne grosse Not in eine Dauerstimulierung der Wirtschaft mit strukturell zu tiefen Zinsen hinein zu manövrieren.