Auf welche Titel die Fondsmanager Jens Ehrhardt von DJE Kapital, Henrik Muhle von Gané sowie Stephan Hornung und Christian Struck von Discover Capital bauen.
Jens Ehrhardt geht nur verhalten optimistisch in das neue Jahr. Der kommende US-Präsident Donald Trump werde mehr Schulden machen als all seine Vorgänger, ist der 82-jährige Gründer von DJE Kapital überzeugt: «Deshalb wird die Börse zunächst weiter gut laufen.» Die Schattenseiten der Verschuldungspolitik, namentlich steigende Anleiherenditen und Inflation, könnten ab der zweiten Jahreshälfte durchschlagen.
The Market hat bei drei bankunabhängigen Fondsgesellschaften nach den Favoriten der Gründer am deutschen Aktienmarkt gefragt: Ausser Ehrhardt präsentieren auch Henrik Muhle, Mitgründer der Fondsgesellschaft Gané, sowie Stephan Hornung und Christian Struck, Gründer von Discover Capital, ihre besten deutschen Ideen für 2025.
Die wachsame Haltung von Ehrhardt wird von manchem der Berufskollegen geteilt. Sie hat Folgen für die Zusammenstellung der Portfolios.
Deutsche Telekom: US-Wachstumswert, von Bonn aus regiert
«Die Deutsche Telekom ist beinahe eine US-Aktie», sagt Jens Ehrhardt. Der Bonner Konzern hat einen Marktwert von rund 144 Mrd. € und hält 50,7% am ebenfalls kotierten Konzern T-Mobile US. Die US-Beteiligung ist an der Börse umgerechnet rund 125 Mrd. € wert. Somit bleiben weniger als 20 Mrd. € Börsenwert für das gesamte Geschäft der Deutschen Telekom ausserhalb der USA. In dieser Betrachtung sind die Schulden nicht einbezogen.
Die Marktposition in den USA gilt als stark. Der Wettbewerber AT&T leidet unter einem angekratzten Ruf aufgrund von Netzwerkausfällen und Datenschutz-Pannen, wie das «Wall Street Journal» konstatierte. T-Mobile US gewinne weiterhin mehr Mobilfunk-Vertragskunden und liege auch nach anderen Kennziffern vor der Konkurrenz aus Verizon und AT&T, urteilte Lynnette Luna, Analystin bei S&P Global Market Intelligence, in einem Branchenüberblick von Mitte Dezember. Allerdings sind die beiden Hauptrivalen an der Börse auch nur mit weniger als dem Siebenfachen des für 2025 geschätzten Ebitda bewertet, T-Mobile US dagegen mit dem fast Elffachen dieser Gewinnkennziffer.
Als Risiken sieht Ehrhardt eine Dollarschwäche, die den Euro-Gegenwert des T-Mobile-US-Gewinns schmälern würde. Weil die Zinsen in der Eurozone 2025 stärker sinken dürften als die in den USA, sei eine solche Entwicklung aber nicht sehr wahrscheinlich. Auch die hohen Investitionen in das deutsche Glasfasernetz sieht er als Risiko. Die Nutzungszahlen sind bislang nicht überwältigend. Dennoch passen die relativ konjunkturresistenten Einnahmen aus den Kundenverträgen zur vorsichtigen Aufstellung von Fondsmanager Ehrhardt.
The Market hat Deutsche Telekom im Oktober empfohlen und danach auf die geringe Bewertung des europäischen Geschäfts hingewiesen.
Deutsche Börse: Der Oligopolist verdient an Marktturbulenzen
Deutsche Börse werde weiter von hohen Handelsumsätzen profitieren können, gerade am Markt für Termingeschäfte, sagt Ehrhardt. Die Marktposition bei Derivaten sei stark, so dass die Eschborner ihre Marge gut verteidigen könnten. Das Management der Deutschen Börse mache seit Jahren einen soliden und vorrausschauenden Job. Auch die Expansion bei Software für Vermögensverwalter begrüsst Ehrhardt: «Wenn die Deutsche Börse sich nur auf das Stammgeschäft beschränken würde, wäre das Wachstum geringer.»
Die Börsen-Aktien passen ebenfalls zu Ehrhardts verhaltenen Erwartungen für 2025. Denn ein Kursrutsch würde die Handelsvolumina weiter hochtreiben. Negativ wäre dagegen eine lange Zeit mit geringen Kursschwankungen. «Aber danach sieht es nicht aus», befindet der Finanzmarktveteran. Im Vergleich zu den teils recht teuren internationalen Konkurrenten sei die Deutsche Börse relativ günstig bewertet.
The Market hat die Deutsche Börse im März empfohlen, im Oktober auf die starke Marktposition bei Derivaten hingewiesen und hält die Aktien weiter für attraktiv.
Eon: Hohe Dividende aus dem wachsenden Stromnetz
«Eon ist relativ günstig im Vergleich zu anderen Stromnetzbetreibern», sagt Ehrhardt über den Konzern, dessen Geschäftsmodell The Market im Mai 2024 beschrieben hat. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt bei 10, das des britischen Netzbetreibers National Grid zum Beispiel dagegen bei 13 und damit 30% höher.
Der Vermögensverwalter sieht es als Vorteil, dass die Entgelte reguliert sind und an die Inflation angepasst werden. Allerdings gebe es Unsicherheiten, etwa im Zusammenhang mit der Klage von Eon gegen die Bundesnetzagentur bezüglich der Zinssätze für die Jahre 2024 bis 2028, wofür der Bundesgerichtshof Mitte Dezember eher negative Hinweise gab.
Die Dividendenrendite von mehr als 5% mache die Aktien attraktiv, sagt Ehrhardt. Ausserdem ist das Geschäft wenig konjunkturempfindlich. Was eine besonders wertvolle Eigenschaft werden könnte, falls 2025 ein eher schwieriges Jahr werden sollte.
Allianz: Viel Kapital fliesst an die Aktionäre
Henrik Muhle baut auf den Versicherungskonzern aus München. Die Allianz wolle über drei Jahre 23% des Kapitals an die Aktionäre zurückgeben (bezogen auf die derzeitige Marktkapitalisierung). «Das sorgt für eine sehr solide Startrendite von rund 7% pro Jahr,» sagt der Co-Gründer des Vermögensverwalters Gané. Rund 5% liefert die Dividende, weitere 2% der angekündigte Aktienrückkauf.
Das beim Kapitalmarkttag Mitte Dezember angekündigte Wachstum beim Gewinn pro Aktie von 7 bis 9% per annum bis 2028 nach den 5 bis 7% der vorigen drei Jahre hält Muhle für machbar, wenn auch ambitioniert. «Das sieht mir ein bisschen nach einer ‹Hockey-Stick-Prognose› aus, mal sehen ob der Konzern das schafft.» Das Wachstum habe lange Zeit eher bei 5% pro Jahr gelegen. Doch auch bei einem solchen Gewinnplus von 5% wären die Aktien mit einer Gesamtrendite von 12% (einschliesslich Dividenden und Rückkäufen) aus seiner Sicht lohnenswert.
The Market hält den Weltmarktführer Münchener Rück und den Rück- und Erstversicherer Talanx für noch besser geführt.
Ionos: Europas Marktführer bei Webseiten für Unternehmer
Seit Anfang 2024 ist das Gané-Team bei Ionos investiert. Das Unternehmen ermöglicht es vor allem Kleinunternehmern, eigene Internetseiten zu präsentieren («Web Hosting»). Ausserdem baut das Tochterunternehmen von United Internet eine deutsche Cloud auf. «80% des Umsatzes sind wiederkehrend», sagt Muhle.
Der Umsatz soll 2025 um 10% wachsen und 2026 um 9%, schätzen die bei Capital IQ erfassten Analysten. Die Ebitda-Marge soll von 29% (2024) auf gut 30% noch leicht steigen.
Ein Auslöser für einen steigenden Kurs könnte ein höherer Streubesitz sein. «Eine verbesserte Aktionärsstruktur würde die Chancen auf den Aufstieg vom SDax in den MDax erhöhen», sagt Muhle. Derzeit hält United Internet 64%. Die Beteiligungsgesellschaft Warburg Pincus hat ihren Anteil Anfang Dezember um fast die Hälfte auf 8,7% reduziert, was der Fondsmanager begrüsst.
The Market hat Ionos im September zu Kauf empfohlen.
Hugo Boss: Potenzial trotz Governance-Fehltritt
Der Modehersteller hatte ein durchwachsenes Jubiläumsjahr. Er erwartet 4,2 bis 4,35 Mrd. € Umsatz für 2024, nach einer Prognosesenkung. Das zeitliche Ziel 2025 für einen Umsatz von 5 Mrd. € musste Konzernchef Daniel Grieder zurücknehmen. Dazu kommt ein Verstoss gegen die Regeln guter Unternehmensführung. Denn Grieder hat offenbar im Jahr 2023 noch nicht öffentlich bekannte Unternehmensinformationen an den als Geschäftspartner umworbenen Immobilien-Hasardeur René Benko weitergegeben. Unter anderem avisierte er wohl die Erhöhung des mittelfristigen Umsatzziels von 4 auf 5 Mrd. €. «Grieder sollte sich für diesen Fehler öffentlich entschuldigen, sobald die rechtlichen Aspekte abgeschlossen sind», rät Investor Muhle.
Von einer Absetzung des CEO hält der Fondsmanager nichts. Grieder habe ein schweres Erbe angetreten und nach erratischen Kursschwenks der Vorgänger eine konsistente Strategie etabliert, die auf erschwinglichen Luxus und jüngere Kunden abzielt. Auch die lange Zeit vernachlässigten Vertriebspartner seien wieder angemessen berücksichtigt und gepflegt worden. Die neuen Produkte seien durchaus ansprechend. «Auf dem Unternehmenscampus spürt man Begeisterung», sagt Muhle. «Hugo Boss ist ein günstiges Unternehmen in einer günstigen Branche.»
The Market hatte bei Hugo Boss im April 2024 zum Einstieg geraten, im Nachhinein betrachtet deutlich zu früh.
RTL: Sonderdividende im Programm
Bei RTL können die Aktionäre auf eine Sondersendung hoffen, die ausgezahlt und nicht ausgestrahlt wird, sagen Stephan Hornung und Christian Struck, die Gründer von Discover Capital und Berater des Squad Value Fonds. Der TV-Konzern fokussiere sich seit Jahren immer stärker auf Deutschland. Der Verkauf des niederländischen Geschäfts für 1,1 Mrd. € werde noch durch die dortigen Kartellbehörden geprüft, der belgische Käufer ist bislang aber nicht in den Niederlanden aktiv. Wenn wie erwartet die Genehmigung für den Verkauf eintrifft, dürfte RTL binnen achtzehn Monaten 8 € je Aktie auszahlen. «Das wäre schon eine sehr hohe Ausschüttung von fast einem Drittel des Aktienkurses», sagt Hornung.
Ausserdem produziert die RTL-Tochter Freemantle Inhalte im Auftrag von Kunden wie Netflix. Schon 2026 soll die Sparte 3 Mrd. € Umsatz hereinholen, bei einer Ebit-Marge von 9%. Der Ebit von rund 270 Mio. € entspricht mehr als einem Drittel der konzernweit für 2024 in Aussicht gestellten 700 bis 800 Mio. €.
Grosse Ziele verfolgt das Unternehmen auch mit dem Streamingdienst RTL+. Der Umsatz dort soll von 283 Mio. € im Jahr 2023 auf rund 750 Mio. € im Jahr 2026 anschwellen. «RTL hat es geschafft, ein starkes, digitales Angebot aufzubauen», sagt Struck. Das Stammgeschäft mit linearem Fernsehen werde dagegen weiter leicht schrumpfen.
Die Kritik, dass RTL-Group-CEO Thomas Rabe als Chef des Mutterkonzerns Bertelsmann und als Aufsichtsratschef bei Adidas allzu stark anderweitig eingespannt sein dürfte, hält Struck für durchaus berechtigt. Positiv hervorzuheben sei der sehr kompetente Finanzchef Björn Bauer. Mit ihrer positiven Sicht steht das Squad-Value-Team nicht allein da: Auch Henrik Muhle von Gané ist bei RTL investiert.
MLP: Loyale Kunden und auskömmliche Gebühren
Der Finanzkonzern MLP hatte Ende September 586’000 Privatkunden und fast 28’000 Unternehmenskunden. 2025 soll der Gewinn auf Stufe Ebit auf 100 bis 110 Mio. € steigen, nach erwarteten 85 bis 95 Mio. € für 2024. Seit 2020 ist das betreute Vermögen im Asset Management im Durchschnitt um 10% pro Jahr geklettert, auf zuletzt 61 Mrd. €.
«Die Zahl der Kunden und Berater wächst, zudem ist die steigende Dividende attraktiv», sagt Hornung. Hervorzuheben sei die Tochter Feri: «Feri ist ein Premium-Vermögensverwalter und in Deutschland zusammen mit Flossbach von Storch die grösste Adresse unter den bankunabhängigen Anbietern», lobt Hornung. Die Imageprobleme aufgrund des wegen seiner früher sehr robusten Verkaufsmethoden zeitweise umstrittenen Finanzvertriebs MLP seien behoben, urteilt er. «Bei Versicherungen, zum Beispiel der privaten Krankenversicherung, benötigen viele Kunden schon Beratung und die darf dann auch etwas kosten.» Viele Kunden seien Ärzte und hätten beruflich keine Berührungspunkte mit dem Finanzmarkt oder der Assekuranz, sagt Struck. Die Loyalität sei hoch: 90% der Kunden, die vor zehn Jahren bei MLP waren, seien immer noch dort.
Gut zwei Drittel des Ertrags seien bereits zu Jahresbeginn vertraglich gesichert, sagt Struck. MLP spricht von «wiederkehrenden Erlösen».
ProCredit Holding: Bank für Unternehmer in Osteuropa
Der dritte Favorit von Hornung und Struck wirkt auf den ersten Blick deutlich weniger planbar: Es handelt sich um die ProCredit Holding, die in Osteuropa Kredite vergibt und immer noch auch in der Ukraine Geschäfte betreibt. Die Aktien seien bereits für weniger als die Hälfte des Buchwerts zu haben, trotz der Eigenkapitalrendite von mehr als 10%.
«ProCredit hat seit Jahren einen niedrigen Anteil an notleidenden Krediten», sagt Struck. Denn die Bank nehme nur Kunden, die tiefen Einblick in die Bücher gewähren würden. Hauptzielgruppe sind Handwerker, Gewerbetreibende und Selbständige, also zum Beispiel Bäcker oder Rechtsanwälte. «Die Bank ist extrem digital und betreibt nur wenige Filialen», lobt er.
Das Aktionariat ist durchaus ehrenwert. 14,5% der Anteile hält die Bundesrepublik Deutschland, weitere 8,7% die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie Belgien und die Niederlande (je 5%). Weitere 14% liegen bei der niederländischen Lotteriestiftung.
17,5% besitzt eine Holding des Gründers Claus Peter Zeitinger und seiner Familie. «C.P.» war in der linken Studentenbewegung aktiv gewesen und hatte Mitte der 1970er Jahre seinen Rauswurf bei Chase Manhattan in Frankfurt provoziert, indem er eine Vietcong-Flagge im Büro aufhängte. Frustriert über die miserablen Ergebnisse der damaligen Entwicklungshilfe gründete er später eine Mikrokredit-Bank. Mit den Erlösen aus dem Verkauf finanzierte er den Start von ProCredit.
Die Expansion finanziert ProCredit zu einem grossen Teil aus dem Geschäft. Die Bank schütte ein Drittel des Gewinns als Dividende aus, zwei Drittel flössen in das Wachstum, sagt Struck. Das Geschäft in der Ukraine sei immer noch profitabel und stehe noch für rund 10% des Buchwerts. Das Landesgeschäft würde von einem Friedensschluss und dem Wiederaufbau stark profitieren. Doch selbst ohne Anrechnung eines Werts für die Ukraine-Tochter würden die Aktien ja immer noch lediglich rund die Hälfte des Buchwerts der übrigen Geschäfte kosten.