Beim Staatsbesuch spricht der Präsident der Tschechischen Republik unter anderem über Sicherheitspolitik. Seine Nato-Karriere ist ihm dabei deutlich anzumerken.
Mittwochnachmittag auf dem Bundesplatz. Auf einer Bühne stehen Bundespräsidentin Viola Amherd und Petr Pavel, Staatspräsident der Tschechischen Republik. Die Nationalhymnen und der Fahnenmarsch sind bereits gespielt, Amherd und Pavel haben die militärische Ehrenformation abgeschritten. Nun tritt der Hauptmann der Schweizer Armee nach vorne, salutiert und meldet die Ehrenformation ab. Petr Pavel nickt ihm zu. Formell grüsst hier ein Staatsmann einen Hauptmann. In Herz und Geist mag Pavel zurücksalutiert haben.
Petr Pavel war bis im Jahr 2015 Leiter des Generalstabs der tschechischen Armee, danach amtete er als Vorsitzender des Nato-Militärausschusses. 2023 kandidierte er unter dem Namen «General Pavel» fürs Staatspräsidium der Tschechischen Republik und wurde überraschend gewählt. Nun ist er auf Einladung von Bundespräsidentin Viola Amherd zu einem Staatsbesuch in die Schweiz gekommen.
Dabei sprach Pavel Klartext: «Die Welt ist in Aufruhr», sagte der Präsident am Mittwochmorgen bei einer Rede vor den Aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments. Kein Konflikt bedrohe den Frieden in einem Ausmass, wie es der «ungerechtfertigte Krieg» Russlands gegen die Ukraine tue. Putin wolle die Ukraine «ausradieren» und bedrohe die regelbasierte Ordnung.
«Wir sitzen im selben Boot»
Dabei nahm der Präsident die Schweiz ins Gebet. «Neutralität heisst nicht Gleichgültigkeit», sagte Pavel. Er sei froh, dass die Schweiz die EU-Sanktionen gegen Russland unterstütze. Ebenfalls begrüsse er, dass das Parlament eine Lösung für das Verbot der Weitergabe von Schweizer Kriegsmaterial an Drittländer suche. Nebenbei erwähnte er noch die einst neutralen Länder Finnland und Schweden, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine der Nato beigetreten sind.
Die Botschaft war klar: «Wir sitzen alle im selben Boot.» Autokratische Länder wie Russland, China, Iran oder Nordkorea hielten zusammen, «also müssen wir es auch tun» und internationales Recht verteidigen. Das gelte auch für die Schweiz: Russland sehe das Land ohnehin nicht als neutral. Ausserdem habe die Schweiz mit ihrem Einsatz für den Frieden einen natürlichen Platz in der demokratischen «Familie».
Der letzte Punkt kam dem SVP-Aussenpolitiker Franz Grüter in Pavels Rede offenbar zu kurz. Die SVP bekämpft die EU-Sanktionen und möchte die Schweiz zu einer umfassenden Neutralität verpflichten, die nicht zwischen Aggressoren wie Russland und Opfern wie der Ukraine unterscheidet. Grüter wollte nun von Pavel wissen, wie dieser die Bedeutung neutraler Staaten in Friedensverhandlungen einschätze. Pavels Antwort war kurz: Er anerkenne die Rolle der Schweiz in der Diplomatie und werde dem Land nicht empfehlen, den Status zu ändern. Dann kam sofort wieder das Aber: «Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alles Demokraten sind. Russland zählt uns zur selben Gruppe.»
«Neutralität bedeutet nicht, keine Meinung zu haben»
Auf Viola Amherd schienen Pavels Worte eine belebende Wirkung zu haben. Die Vorsteherin des Verteidigungsdepartements möchte die Zusammenarbeit mit «europäischen Partnern» wie der Nato bekanntlich ausbauen. An einer Pressekonferenz mit Pavel bekräftigte sie mit ungewohnter Frische: «Neutralität bedeutet nicht, keine Meinung zu haben.» Der Bundesrat habe klar deklariert, dass die Schweiz auf der Seite des Völkerrechts stehe. Die Schweiz könne sich nicht in Konflikte einmischen, wolle aber einen Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten. «Wir müssen die Verteidigungsfähigkeit stärken.» Sich auf den Schutz der Nachbarländer zu verlassen, sei keine Option.
Weniger deutlich wurden die beiden Präsidenten in Bezug auf die Wahl Donald Trumps. Es sei zu früh, um sich zu dessen Aussenpolitik zu äussern, sagte Pavel. Europa wolle weiterhin mit den USA zusammenarbeiten und den wiedergewählten amerikanischen Präsidenten wenn nötig an gemeinsame Ziele erinnern, so Pavel.
Ebenso unkonkret blieb der tschechische Präsident in Bezug auf die Verhandlungen der Schweiz mit der Europäischen Union. Osteuropäische EU-Mitglieder zeigten sich in der Vergangenheit skeptisch angesichts der helvetischen Souveränitätsängste. Doch Pavel gab sich unverbindlich diplomatisch: Er verstehe den Wunsch nach Souveränität. Doch beide Seiten müssten von den Beziehungen profitieren. Dann machte Pavel noch auf Tempo: Er unterstütze, dass die Verhandlungen mit der Schweiz «bald abgeschlossen» würden, sagte er. Der EU-Kommissions-Vizepräsident Maros Sefcovic hatte im Oktober Druck aufgesetzt und angekündigt, er wolle die Verhandlungen bis Ende Jahr abschliessen.