Mittwoch, Oktober 9

An der Democratic Convention in Chicago warnen Trump-kritische Republikaner vor einer Wiederwahl von Donald Trump. Doch was bringt das?

Es scheint, als ob die Demokraten einen Chorus republikanischer Trump-Deserteure orchestrieren, der diese Woche in Chicago ein Crescendo hinlegt.

Den Anfang machte am ersten Abend des Parteitags der frühere pro-Trump-Aktivist und Podcaster Rich Logis. In einer Videobotschaft erzählt er seine Wandlung vom Trumpist, der in den Medien gegen Demokraten wetterte, zum Trump-Gegner. Die Verteufelung der Covid-Massnahmen sowie der umstürzlerische Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 durch Trump-Anhänger hätten seine politische Entfremdung von Trump bewirkt. Die Botschaft von Logis richtete sich explizit an Republikaner und Unabhängige: «Ich habe einen schweren Fehler gemacht, aber es ist nie zu spät, seine Meinung zu ändern.»

Die Pressesprecherin von Trump legt Zeugnis ab

Zwei Frauen, ehemals aus dem Trump-Orbit, traten am Dienstag auf die Bühne in Chicago. Der Medienstar Ana Navarro aus Coral Gables in Florida machte den Anfang. Die republikanische Polit-Expertin und Instagram-Influencerin ist unter anderem aus der Talk-Show «The View» auf ABC bekannt. Sie, die einst aus Nicaragua geflüchtet war, verglich Trump mit einem kommunistischen Diktator, der die Medienfreiheit unterdrückt und Wahlniederlagen verleugnet. Furore machte am selben Abend die ehemalige Pressesprecherin von Donald Trump, Stephanie Grisham, in einer kurzen Ansprache. «Trump hat keine Empathie, keine Moral und kennt keine Wahrheitstreue», sagte sie.

Seine Unterstützer verhöhne er als «basement dweller», was soviel heisst wie Erwachsene, die bei ihren Eltern im Keller hausen, wusste Grisham zu berichten. Ihr Bruch mit Präsident Trump kam am 6. Januar 2021. Sie trat am Abend des Sturms auf das Kapitol von ihrem Amt im Weissen Haus zurück. Zuvor hatte sie vergeblich versucht, einen Tweet im Namen von Melania Trump zu verfassen, um den Gewaltausbruch der Trump-Fans in Washington zu bremsen. Die Antwort der First Lady lautete knapp: Nein. Am Parteitag der Demokraten wurde der Austausch via Textnachricht im Hintergrund eingespielt.

Republikaner wenden sich gegen Trump

Die ehemalige Pressesprecherin von Trump empfiehlt nun Kamala Harris zur Wahl. Grisham steht für zahlreiche Mitarbeiter der Trump-Regierung, die den ehemaligen Präsidenten nicht zur Wahl empfehlen. Mehr als die Hälfte von Trumps Kabinettsmitgliedern verzichten laut der «Washington Post» auf eine offizielle Unterstützung der Kandidatur Trumps, wie der frühere Justizminister William Barr, oder erklärten ihn als unwählbar, wie Ex-Vizepräsident Mike Pence und Ex-Verteidigungsminister Mark Esper.

Am Parteitag der Demokraten tritt auch der ehemalige republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger auf, der zusammen mit Liz Cheney und anderen neun Republikanern nach den 6. Januar 2021 für das Impeachment von Donald Trump stimmte. Alle 10 Republikaner, die sich gegen Trump richteten, sind aus dem Kongress ausgeschieden. Kinzinger wie auch Stephanie Grisham sind aktiv im Netzwerk «Republicans for Harris», das die Harris-Kampagne kürzlich gegründet hat. Sie will damit gemässigte und Trump-skeptische Republikaner in Swing States ansprechen. In Arizona engagieren sich rund 100 Republikaner für Harris, laut Kampagne.

Keine Massenbewegung, aber doch relevant

Dieser Aktivismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Never-Trump-Bewegung ein Randphänomen darstellt. Die republikanische Partei steht geschlossen hinter Trump; es ist eine Minderheit, die sich offen gegen den solitären Fixstern am republikanischen Firmament auflehnt. Doch die Demokraten machen ein Potenzial von Republikanern aus, die durch den Machtgewinn der Trump treuen «Make-America-Great-Again»-Fraktion einen Kollateralschaden erlitten haben.

Die MAGA-Republikaner haben in den vergangenen Jahren mittels der sogenannten «Precinct-Strategie» auf lokaler Ebene langjährige republikanische Funktionäre aus dem Amt befördert und mit aktivistischen Trump-Anhängern ersetzt. Verlierer dieses parteiinternen Kampfes wollen die Demokraten nun aktiv bewirtschaften. Insbesondere in Swing States wie Arizona und Georgia ist während den letzten Wahlen ein offener Konflikt zwischen den Trump-Anhängern und dem republikanischen Establishment ausgebrochen. Dort könnte der Appell der «Republicans for Harris» bei einer Minderheit von unzufriedenen Republikanern durchaus auf fruchtbaren Boden fallen.

Dabei ist das Ziel weniger, Republikaner dazu zu bringen, für Harris zu stimmen, sondern davon abzuhalten, Trump zu wählen. In den zu erwartenden engen Rennen in den Swing States können bereits ein paar tausend Wähler matchentscheidend sein. Und so spielen kleinste Wählergruppen plötzlich ein übergrosse Rolle, eine Tatsache, die sich beide Parteien im Wahlkampf zu Nutze machen.

Die Republikaner präsentierten an ihrem Parteitag in Milwaukee auch ehemalige Demokraten, die zu den Republikanern konvertiert waren und ihr Erweckungserlebnis zum Besten gaben. Der afroamerikanische Bürgermeister von Dallas, Eric Johnson, erklärte, er habe die Partei gewechselt, weil die Demokraten sich nicht um die Sicherheit von Minderheiten kümmerten. Die Republikaner versuchen in diesen Wahlen, gezielt schwarze Männer zu mobilisieren.

Exit mobile version