Freitag, Dezember 27

Der weltgrösste Goldminenkonzern macht nach der Übernahme des Konkurrenten Newcrest Mining reinen Tisch. Die Börse reagiert ungnädig. In den Aktien ist viel Pessimismus eingepreist, womit es für positive Überraschungen künftig wenig braucht.

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Der Gegensatz könnte kaum grösser sein: Während die Euphorie um künstliche Intelligenz «heisse» Tech-Aktien wie Nvidia, AMD und Meta Platforms immer stärker anheizt, ist die Stimmung im Edelmetallsektor auf dem Gefrierpunkt. Paradebeispiel ist der Rücksetzer von fast 8%, den Investoren in Newmont am Donnerstag verdauen mussten.

Frustration ist verständlich. Der Branchenleader aus den USA nimmt nach der rund 17 Mrd. $ teuren Übernahme des australischen Wettbewerbers Newcrest Mining eine Bereinigung vor. Der Leistungsausweis zum vierten Quartal sieht deshalb alles andere als schön aus. Zudem wird die Integration der beiden Unternehmen Kraft und Zeit erfordern.

Der neue Konzern weist für die Berichtsperiode einen Verlust von 3,2 Mrd. $ aus. Darin enthalten ist eine Wertberichtigung von 1,9 Mrd. $; teils auf Anlagen, die nun zum Verkauf stehen. Hinzu kommen knapp 430 Mio. $ an Integrationskosten. Bereinigt um Einmaleffekte resultiert ein Gewinn von knapp 490 Mio. $ oder 50 Cent pro Aktie. Analysten hatten mit 44 Cent gerechnet.

«Das Jahr 2023 brachte eine Reihe besonderer Herausforderungen mit sich, die jetzt hinter uns liegen», sagte CEO Tom Palmer bei der Ergebnispräsentation. Dazu zählte ein monatelanger Streik am Standort Peñasquito in Mexiko sowie ein Produktionsunterbruch bei zwei Minen in Kanada wegen Waldbränden. «All dies führte dazu, dass unsere Endproduktion nicht die volle Leistungsfähigkeit unserer Assets reflektiert», meinte Palmer.

Entsprechend ist die Produktion rückläufig. Newmont hat letztes Jahr knapp 5,6 Mio. Unzen Gold gefördert. Das sind 7% weniger als 2022, aber etwas mehr als der Konsens erwartet hatte. Hinzu kommen gut 890’000 Unzen an Goldäquivalenten aus der Produktion von Kupfer, Silber, Blei und Zink.

Das Hauptproblem sind die Kosten. Auf umfassender Basis (All-In Sustaining Costs, AISC) nahmen sie im Vergleich zu Vorjahr um 19% auf 1444 $ pro Unze Gold zu. Im vierten Quartal waren es 1485 $. Zum Vergleich: Barrick Gold und Agnico Eagle Mines, die beiden nächstgrösseren Rivalen, wiesen für 2023 Gesamtkosten von 1364 bzw. 1227 $ pro Unze aus.

Enttäuschend ist ebenso, dass der freie Cashflow auf bloss 88 Mio. $ geschrumpft ist. Dies, nachdem im Vorjahr rund 1070 Mio. $ resultierten. Der Rückgang hat vorab mit einer unvorteilhaften Veränderung des Working Capital, höheren Investitionen sowie Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Akquisition von Newcrest zu tun.

Konzentration auf das Kerngeschäft

Es ist aber nicht alles schlecht. Durch die im November vollzogene Übernahme festigt Newmont die Position als weltgrösster Goldförderer. Beim Quartalsabschluss hat der Konzern erwartungsgemäss eine Bereinigung seines Portfolios angekündigt, um die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken.

In diesem Zusammenhang würde es nicht überraschen, wenn das Management die Gelegenheit zum «Kitchen sinking» genutzt hat: Werden alle schlechten Nachrichten gleich zu Beginn kommuniziert, ist die Sache erledigt. Es gibt später (hoffentlich) keine negativen Überraschungen mehr, womit künftig Raum für bessere Neuigkeiten besteht.

Das Kerngeschäft von Newmont konzentriert sich fortan auf zehn erstklassige Standorte zur Goldförderung und sechs Kupfer-Projekte, wobei in letzterem Fall die Akquisition von Newcrest massgeblich beiträgt. Die nachgewiesenen Goldreserven belaufen sich auf 128 Mio. Unzen, annähernd 45% davon befinden sich in Nordamerika und Australien.

Dieses Jahr soll die Produktion im Kerngeschäft 5,6 Mio. Unzen Gold sowie 1,9 Mio. Unzen Goldäquivalente betragen. Bis 2028 wird ein Ausbau des Fördervolumens auf total 8,3 Mio. Unzen Goldäquivalente anvisiert, davon 6,7 Mio. Unzen Gold. Die Gesamtkosten für 2024 werden auf 1300 $ pro Unze veranschlagt und sollen in den folgenden vier Jahren auf weniger als 1200 $ sinken.

Im Zug der Neuausrichtung werden sechs Minen zum Verkauf gestellt. Die Hälfte davon befindet sich in Kanada. Insgesamt wird die Goldproduktion der sechs Standorte dieses Jahr auf 1,3 Mio. Unzen budgetiert, wobei die Gesamtkosten gemäss der Unternehmensprognose mit 1750 $ pro Unze deutlich höher sind als im Kerngeschäft.

Das Management von Newmont hat gestern bestätigt, dass es im Zug der Integration jährliche Synergien von 500 Mio. $ heben will. Neu sollen weitere 500 Mio. $ durch die Verbesserung der Produktivität hinzukommen. Zudem werden Schulden abgebaut, um das Kreditrating im Bereich «Investment Grade» zu halten.

Per Ende 2023 hatte der Konzern 6,4 Mrd. $ an Nettoschulden auf der Bilanz, was dem 2,3-Fachen des Ebitda entspricht. Die Bruttoschulden beliefen sich auf rund 9 Mrd. $ und sollen auf 8 Mrd. $ gesenkt werden, wozu der freie Cashflow und Einnahmen aus den Devestitionen verwendet werden. Ist das Ziel von 8 Mrd. $ einmal erreicht, werden die restlichen freien Mittel an die Aktionäre ausgezahlt.

Das bedeutet eine Änderung der Ausschüttungspolitik. Die jährliche Grunddividende von 1 $ pro Aktie wird beibehalten. Zusätzliche Auszahlungen auf Basis des Geschäftsgangs erfolgen aber nicht mehr in Bargeld, sondern über ein Aktienrückkaufprogramm im Umfang von 1 Mrd. $ mit zwei Jahren Laufzeit, was mehr Flexibilität gewährleisten soll. Ende März wird somit eine vierteljährliche Dividende von 25 Cent pro Aktie ausgezahlt, nachdem es letztes Jahr jeweils 40 Cent pro Quartal waren.

Was nun?

Die Nachrichten vom Konzernsitz in Colorado kommen nicht überraschend. Die meisten bedeutenden Minenkonzerne haben in den vergangenen Wochen durchwachsene Quartalszahlen präsentiert. Die Aktien des südafrikanischen Förderers Gold Fields etwa wurden im US-Handel gestern Donnerstag nach einem mässigen Abschluss ebenfalls fast 6% abgestraft. Der VanEck Gold Miners ETF (GDX) schloss 2,5% schwächer.

The Market hat Ende Dezember in einem Ausblick zur Branche argumentiert, dass auf Goldminenkonzerne ein spannendes Jahr wartet. So war das natürlich nicht gemeint! Der GDX-ETF steht seit Anfang Januar 16% im Minus. Newmont und Barrick haben 21 bzw. 25% eingebüsst. Die Silberwerte Pan American Silver und Hecla Mining sind etwa ähnlich stark unter Druck gekommen. Selbst Agnico und Alamos Gold als qualitativ beste Werte sind 12 bis 15% gesunken, wogegen der S&P 500 rund 7% fester notiert.

Dass sich die Stimmung im Edelmetall-Sektor dermassen eingetrübt hat, dürfte vor allem an der weiterhin überraschend gute Konjunkturentwicklung in den USA liegen. Sie sorgt dafür, dass Inflation und damit die Zinsen auf erhöhtem Niveau verharren. Ging der Markt zuvor davon aus, dass die US-Notenbank die Zinsen im März senkt, wird nun erst Mitte Juni mit einem ersten Schritt gerechnet. Parallel dazu hat sich der Dollar aufgewertet.

Beide Entwicklungen sind tendenziell schlecht für den Goldpreis. Bemerkenswert ist deshalb, dass er sich bisher über 2000 $ pro Unze halten kann. Während aus Finanzinstrumenten wie Gold-ETF Investorengelder abfliessen, ist die fundamentale Nachfrage nach Edelmetallen weiterhin robust. Je länger die Zinsen zudem auf erhöhtem Niveau bleiben, desto grösser das Risiko eines Unfalls in der Wirtschaft oder im Finanzsystem, wogegen Gold erfahrungsgemäss eine gute Absicherung ist.

Was Newmont im Speziellen betrifft, strapazieren die Aktien schon seit einiger Zeit die Geduld. Die Übernahme von Newcrest hat letztes Jahr schwer auf dem Kurs gelastet. Derzeit bewegt er sich nahe des 5-Jahres-Tiefs. Jetzt muss das Management endlich liefern. Es muss beweisen, dass sich der Deal tatsächlich auszahlen wird. Wie die Kursreaktion von dieser Woche verdeutlicht, zweifelt die Börse nach wie vor daran. Besonders bei den Förderkosten hat Newmont viel Arbeit vor sich.

Aus strategischer Sicht ist das Unternehmen vielversprechend aufgestellt. Es ist in der anhaltenden Konsolidierung der Branche jetzt einen Schritt voraus und besitzt 30% mehr Goldreserven als Barrick. Ebenso verfügt es über 40% mehr an Kupferreserven als die Nummer zwei der Branche, was mit Blick auf das Wachstum attraktiv ist.

Auf diesem deprimierten Kursniveau erscheint es daher falsch, die Aktien abzuschreiben. Denn sowohl im historischen Vergleich wie auch relativ zum Goldpreis ist das Potenzial beträchtlich. Das sieht offenbar auch der renommierte Investor Stanley Druckenmiller so, in dessen Portfolio die Aktien von Newmont neu aufgetaucht sind. Das schliesst aber natürlich nicht aus, dass es an der Börse vorerst möglicherweise ruppig bleibt.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Christoph Gisiger

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