Dienstag, Oktober 8

Die Vermögenswerte der betroffenen NGO werden vom Staat eingezogen. Die wenigen Institutionen, die nun noch aktiv bleiben dürfen, werden unter staatliche finanzielle Kontrolle gestellt.

Nicaraguas Regierung hat 1500 Nichtregierungsorganisationen (NGO) für aufgelöst erklärt, darunter Hunderte von religiösen Organisationen jeglicher Glaubensrichtung. Sie seien über Jahre nicht ihrer Berichtspflicht bezüglich ihrer finanziellen Verhältnisse und ihrer erhaltenen Spenden nachgekommen, heisst es in der Begründung des Innenministeriums. Die Vermögenswerte der Organisationen würden vom Staat eingezogen.

Es ist das gleiche Argument, mit dem das Regime seit den Anti-Regierungs-Protesten von 2018 den Kampf gegen die Zivilgesellschaft intensiviert. In den letzten Jahren sind über 5000 Nichtregierungsorganisationen verboten worden. Noch nie aber waren es so viele auf einen Schlag wie in dieser Woche.

Für rund 2400 weiterhin in Nicaragua aktive Organisationen gelten nun neue Regeln. Die aus Ortega-treuen Parlamentariern bestehende Asamblea Nacional beschloss, dass NGO zukünftig nur noch in Kooperation mit dem Innenministerium arbeiten dürfen. Die Regierung werde die Hilfsgelder verwalten, die den NGO aus dem Ausland zuflössen, und damit sicherstellen, dass die Arbeit der Organisationen die gleichen Ziele verfolge wie die Regierung, erklärte ein Vertreter der regierenden sandinistischen Partei.

Selbst Freundschaftsvereine mit Kuba werden verboten

Einige der jetzt ergangenen Verbote kommen überraschend, wie das der Vereinigung der Freunde Kubas. Der Karibikstaat ist neben Venezuela Nicaraguas engster Verbündeter. Auch Veteranenvereine von Kämpfern der sandinistischen Revolution, die Ortega einst anführte, wurden verboten. Zudem müssen unter anderem Rotary- und Reitklubs, Kleinbauern-Kooperativen und Vereinigungen von Zahnärzten schliessen.

Auf der Verbotsliste findet sich auch die Brasilianisch-Nicaraguanische Handelskammer. Die einst enge Beziehung zwischen Ortega und Brasiliens Präsidenten Lula da Silva hat sich in letzter Zeit dramatisch verschlechtert; in der vergangenen Woche musste Brasiliens Botschafter Nicaragua verlassen. Experten glauben, Ortega wolle Lula da Silva abstrafen, da dieser Ortegas engen Verbündeten Nicolás Maduro nicht als Sieger der umstrittenen Präsidentschaftswahl von Ende Juli in Venezuela anerkannt hat.

Ortega wird immer radikaler

Ortega, der als Anführer der Guerillaorganisation Frente Sandinista de Liberación Nacional (FSLN) im Juli 1979 den Diktator Anastasio Somoza stürzte, war Ende 1984 zum Staatspräsidenten gewählt worden. Nach seiner Abwahl 1990 kehrte er 2007 zurück an die Macht und hat die demokratischen Institutionen seither immer weiter ausgehöhlt. An der Macht hält er sich durch Wahlmanipulationen. 2018 liess er von Studenten angeführte Proteste unterdrücken, wobei zwischen 300 und 500 Personen getötet und rund 1600 verhaftet wurden.

Seitdem geht er noch rigoroser gegen Kritiker vor. Vor den Präsidentschaftswahlen 2021 liess er die komplette Führungsriege der Opposition verhaften. Selbst vor ehemaligen Weggefährten aus Revolutionszeiten machte er nicht halt. Aber auch kritische Kirchenleute liess er verhaften und verurteilen, bevor er sie des Landes verwies. Jüngst versetzte er seinen Bruder, der früher als Armeechef und Verteidigungsminister fungierte, nach regimekritischen Aussagen in den Hausarrest.

Dass das Regime die Repression immer weiter verstärkt, deuten Beobachter als Zeichen einer zunehmenden Paranoia des 78-jährigen Ortega und seiner 73-jährigen Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo. Diese reisse zusehends die Macht an sich. Sie hatte vor einigen Tagen die Entlassung des lang gedienten Chefs von Ortegas Leibwache angeordnet. Die Esoterikerin Murillo soll sich zudem immer tiefer in ihre mystische Welt zurückziehen. Derweil kontrolliert die Familie Ortega-Murillo gemeinsam mit der Spitze des Militärs die Wirtschaft und die Medienbetriebe des Landes.

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