Mittwoch, Februar 26

Im März diskutiert das Parlament erneut, ob es mehr Grenzschutz braucht. Ein vertrauliches Papier zeigt: Auch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) sieht darin keinen Gewinn.

Der Druck, die Grenze besser gegen illegale Einwanderung zu schützen, steigt kontinuierlich. In den Koalitionsverhandlungen in Deutschland wird die Frage zu einem zentralen Streitpunkt. Und in der Schweiz ist es die SVP, die systematische Grenzkontrollen verlangt: Das Grenzwachtkorps sei zum «Empfangskomitee für Asylmigranten» verkommen, sagte der Thurgauer Nationalrat Pascal Schmid am Dienstag an einer Medienkonferenz der Volkspartei.

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Doch was wäre der Effekt von zusätzlichen Kontrollen – und wie hoch wären die Kosten? Das haben das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) in einem vertraulichen Papier aufgelistet. Fazit: Zusätzliche Grenzkontrollen sind möglich, doch die Kosten würden je nach Intensität stark ins Gewicht fallen. Und die irreguläre Einwanderung kann durch zusätzliche Kontrollen allein kaum beeinflusst werden.

«Unmöglich, Grenze abzuriegeln»

SEM und BAZG haben das Fact-Sheet, das der NZZ vorliegt, im Auftrag der Staatspolitischen Kommission (SPK) des Ständerats ausgearbeitet. Dies im Zusammenhang mit einer Motion des SVP-Ständerats Marco Chiesa. Chiesa hatte verlangt, dass einreisende Personen an der Schweizer Landesgrenze systematisch kontrolliert werden. Interessant ist die Einschätzung der Behörden, weil zwei Departemente unter unterschiedlicher politischer Führung involviert sind: Für das BAZG ist Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) zuständig, für das SEM Justizminister Beat Jans (SP).

Unklar scheint jedoch allein schon, was mit systematischen Grenzkontrollen gemeint ist. In der Schweizer Gesetzgebung kommt der Begriff nicht vor. Gemäss dem Bericht hat die Corona-Pandemie gezeigt, dass es unmöglich sei, die gesamte Grenze abzuriegeln. Laute die Vorgabe aber, dass die Grenze «möglichst lückenlos» kontrolliert werden solle, hätte dies drastische Folgen: Alle Personen dürften die Grenzen nur noch an bestimmten Übergängen überqueren, und zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit.

Auch die Armee müsste mithelfen

Auch der Mittelbedarf wäre laut dem Papier gewaltig. Der Bericht spricht von nicht bezifferbaren Kosten und einem «nicht bezifferbaren und gegen oben offenen Personalausbau beim BAZG». Gewisse Grenzübergänge müssten zudem von den Kantonen abgedeckt werden, und auch die Unterstützung durch die Armee wäre zwingend. Jedoch: Selbst wenn dank den engmaschigen Grenzkontrollen deutlich mehr Personen eine Wegweisungsverfügung erhielten, sei damit noch nichts gewonnen.

Das System der Wegweisungen funktioniere nämlich nur, wenn jedes Land und innerhalb der Schweiz jeder Kanton bei aufgegriffenen Personen konsequent die Ausschaffung prüfe und vollziehe – wenn nötig unter Zwangsanwendung. Dafür zuständig wären die Kantone. Mehr Aufgriffe von Personen an der Grenze bedeuteten deshalb nicht automatisch, dass weniger Migranten in oder durch die Schweiz reisten. Sondern nur, «dass es danach weniger Migrantinnen und Migranten gibt, gegen welche noch keine Wegweisungsverfügung erlassen wurde».

Derart rigide Grenzkontrollen hätten dafür «massive Auswirkungen auf die Wirtschaft». Das Ausmass der gesamtwirtschaftlichen Kosten lasse sich zwar nur schwer berechnen. Täglich würden die Grenzen jedoch von 2,2 Millionen Menschen überquert, so heisst es in den Ausführungen des SEM und des BAZG. Grenzübertritte würden durch das Regime deutlich verlangsamt, was der Attraktivität der Grenzkantone schade und so den Fachkräftemangel verschärfe.

Umsetzung erst in drei bis fünf Jahren möglich

Weniger drastisch fielen die Auswirkungen aus, wenn die Grenzkontrollen nur gezielt intensiviert würden. Eine zusätzliche Patrouille rund um die Uhr für jede der vier Hauptmigrationsachsen würde zu zusätzlichen Personalkosten beim BAZG in Höhe von mindestens 7,6 Millionen Franken führen. Bei drei zusätzlichen Patrouillen in allen Regionen wären es mindestens 17,6 Millionen Franken. Denkbar sei auch ein Ausbau bei den technischen Hilfsmitteln. Die Umsetzung würde drei bis fünf Jahre in Anspruch nehmen.

Auf die Wirtschaft hätten diese Varianten zwar keine Auswirkungen. Doch der Nutzen wäre ebenfalls gering: Im Papier des SEM und des BAZG heisst es, die Schweiz führe als Nicht-Schengenstaat schon heute verdachtsunabhängige Kontrollen durch. Dabei gehen sie davon aus, dass die Zollkontrollen der Schweiz bereits im Normalbetrieb mit der Intensität jener Länder vergleichbar seien, die die Kontrollen an den Binnengrenzen wieder eingeführt hätten.

Das BAZG hat auch eine Variante ohne zusätzliche Personalkosten vorgelegt, die unverzüglich realisiert werden könnte. Dabei würden einfach Zollfachleute kurzfristig für Aufgaben des Grenzwachtkorps eingesetzt. Das hätte allerdings zur Folge, dass die Kontrollen des Warenverkehrs ausgedünnt werden müssten. Als die Grenzkontrollen während der Euro und der Olympischen Spiele im letzten Sommer während einiger Wochen ausgebaut wurden, führte dies zu einem Rückgang der Zollkontrollen um 14 Prozent.

Systematische Grenzkontrollen hat die SPK des Ständerats inzwischen abgelehnt. Sie verlangt aber, dass die Schweiz auf die zusätzlichen Kontrollen durch die Nachbarstaaten und insbesondere durch Deutschland reagiert. Sie müsse Massnahmen ergreifen, um Personen ohne gültige Aufenthaltsberechtigung «konsequent wegzuweisen und die grenzüberschreitende Kriminalität einzudämmen». Die damit verbundenen Hoffnungen scheinen nicht sonderlich gross zu sein: Es solle auf diese Weise insbesondere «das subjektive Sicherheitsgefühl» der Bevölkerung gestärkt werden.

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