Sonntag, Oktober 6

Für ihren neuen Film hätten Brad Pitt und er nicht 35 Millionen Dollar verdient, versicherte Clooney. Was aber ist ein Star noch wert?

Nick Clooney war Journalist. Sein Sohn ist stolz darauf, er vergisst selten, es zu erwähnen. «Dad war ein Newsman», sagte George Clooney auch bei der Pressekonferenz nach seiner Ankunft in Venedig. Was Vater machte, war wichtiger, wollte der Filmstar damit sagen. Nick Clooney war allerdings nicht nur ein Nachrichtenmann. Bekannt war er auch als Moderator einer Spielshow. Ein Clooney kann eben immer beides: Politik und Entertainment.

Vor ein paar Monaten mischte sich George Clooney in die Präsidentschaftswahlen ein. Er legte Joe Biden in der «New York Times» den Ruhestand nahe. Nachdem sich dieser die längste Zeit gesträubt hatte, räumte er dann doch noch das Feld.

«Es war das Selbstloseste, was seit George Washington jemand getan hat», so wagte Clooney den Vergleich mit dem Vater der Nation, der freiwillig auf eine weitere Amtszeit verzichtet hatte. «Es ist sehr schwer, Macht abzugeben», sagte der Star. Sein eigener Beitrag in dieser Angelegenheit sei nicht wichtig, der Applaus gebühre dem Präsidenten. «All the credit goes to him.»

Sicher ist es nicht allein Clooneys Zureden zu verdanken, dass der altersschwache Biden ein Einsehen hatte. Aber das Wort des Schauspielers hat Gewicht. Er ist die Stimme einer Branche, die die Demokratische Partei finanzkräftig unterstützt. George Clooney kann Präsidentschaftswahlen beeinflussen. Aber kann George Clooney auch noch die Kinos füllen?

Zwei Cleaner hinterlassen ein Chaos

Der politische Exkurs an der Pressekonferenz war kurz: Clooney war in Venedig, um einen neuen Film vorzustellen, «Wolfs», eine Slapstick-Komödie. Brad Pitt und er spielen sogenannte Cleaner. Leute, die gerufen werden, wenn etwas verschwinden soll. Ein junger Mann etwa, der leblos und in der Unterhose auf dem Teppich der Hotelsuite liegt, die eine Politikerin fürs Techtelmechtel gebucht hat.

Die Frau ruft die Nummer an, die man in solchen Fällen anrufen soll. Doch in der Kommunikation gerät etwas durcheinander, und es tauchen unabhängig voneinander gleich zwei Cleaner auf. Weil man in dem Beruf ein Eigenbrötler ist und weil sich ausserdem beide für den Grössten halten, kann die gemeinsame Aufräumarbeit nur in hoffnungsloses Chaos ausarten.

Der Schwank unterhält. Gutes Popcorn-Kino. Pitt und Clooney setzen ihre dümmsten Gesichter auf und kabbeln sich unermüdlich. Man schaut das gern, aber wie viele Leute es schauen, ist trotzdem die Frage. «Wolfs» kommt nur in einem «limited release» heraus, nach einer Woche geht’s Ende September direkt ins Streaming. Zwei der grössten Filmstars garantieren also keine grossangelegte Kinoauswertung mehr.

«Offensichtlich sind wir auf dem absteigenden Ast», sagte Clooney und machte einen Witz daraus. Brad Pitt müsse froh sein, dass er überhaupt noch Arbeit habe. «Der ist 74 Jahre alt», sagte Clooney an den Co-Star gewandt, der letztes Jahr 60 geworden ist.

Warten auf Lady Gaga

Dann wurde George Clooney, 63 Jahre alt, kurz ernst. In der Presse hiess es, dass die Hauptdarsteller beide 35 Millionen Dollar für den Film kassiert hätten. Viele, viele Millionen weniger seien es gewesen, stellte Clooney klar. Wenn die Leute dächten, dass dies ein übliches Salär sei, «macht niemand mehr einen Film». Mit uns, meinte er offensichtlich.

Beim Festival steht die Frage im Raum, was Hollywoodstars noch wert sind. Zur 81. Ausgabe kommen sie so zahlreich wie wahrscheinlich noch nie. Joaquin Phoenix und Lady Gaga sind im Anflug für «Joker: Folie à Deux», Daniel Craig stellt die Burroughs-Verfilmung «Queer» vor. Die Branchenblätter schreiben von einem Rekord an «A-listers». Logistisch ist das eine Herausforderung. Die Kanäle sind schmal in Venedig, man muss schauen, wie man aneinander vorbeikommt.

Für das Gästemanagement ging es in den ersten Tagen primär darum, dass sich die Gondeln von Angelina Jolie und Brad Pitt nicht kreuzten. Das einstige Traumpaar streitet sich seit längerem hässlich um das Sorgerecht für Kinder und Weingut. Venedig wollte verhindern, dass man mit Rudergabeln aufeinander losgeht. Sicherheitshalber legte das Festival zwischen Jolies grossartigen Maria-Callas-Film und den Clooney-Pitt-Klamauk ein paar Tage Puffer.

Heiratswillige Schauspielerin gesucht

Dabei ist Venedig doch die Stadt der ewigen Liebe. Vor dem Palazzo del Cinema, dem monumentalen Festivalzentrum, steht in der knallenden Sonne ein kleiner Mann mit einem Transparent um den Hals. Der unscheinbare Herr um die 60 Jahre ist kein Demonstrant, es geht ihm nicht um Palästina oder den Klimawandel. Auf dem Karton kommt ein privates Anliegen zum Ausdruck. «Ich suche eine Schauspielerin», schreibt er, «die meine Frau werden möchte.»

Es müsste natürlich zugehen wie in einem Hollywood-Märchen, damit der Traum in Erfüllung ginge. Aber der Mann ist zumindest nicht falsch hier. Bei der Dichte an Stars sind auch viele begnadete Schauspielerinnen in greifbarer Nähe. Vergleichbares gibt es sonst nur bei den Oscars.

Los ging das Festival vergangene Woche mit dem Ehrenlöwen für Sigourney Weaver. Dann Isabelle Huppert, die das Gesicht der Jury und von Balenciaga ist: Als Testimonial des hippen Modehauses schaut sie besorgniserregend bleich von den Stellwänden überall in der Stadt. Sie kontrastiert dabei mit ihren Kolleginnen, die auf der Leinwand vorleben, was Longevity heisst. Die etablierten Hollywoodladys haben noch einmal richtig Lust, so macht es den Eindruck.

Nicole Kidman will dominiert werden

Nicole Kidman kam mit einem abgefeimten Erotikfilm namens «Babygirl» an die Mostra (Kinostart ist im Januar): Als CEO dominiert sie den Betrieb, doch im Bett will sie dominiert werden. Ein durchtriebener Praktikant lässt sie bald auf allen vieren kriechen. In Hollywood kämen sonst immer die Männer auf ihre Kosten, sagte die niederländische Regisseurin Halina Reijn, das wollte sie ändern. «Hollywood hat eine Orgasmus-Lücke.»

Kidman lässt sich unterwerfen, Angelina Jolie misst sich beeindruckend mit dem Stimmwunder Maria Callas. Die Stars trauen sich etwas. Auch Adrien Brody in «The Brutalist» (Starttermin noch offen): Er spielt einen ungarischen Juden und Bauhaus-Abgänger, der das KZ überlebt hat und dem Kommunismus nach Philadelphia entkommt.

Inspiriert vielleicht von einem Marcel Breuer oder Mies van der Rohe, ist der Monumentalfilm von Brady Corbet das cineastische Gegenstück zu deren minimalistischen Stahlrohrmöbeln. Ein bisschen viel Polster hat das dreieinhalbstündige (!) Drama, aber der Film erinnert in seiner Ambition an Hollywood-Grosstaten wie «There Will Be Blood». Und Adrien Brody brilliert. Zwischenfazit aus Venedig: Wenn sich die Stars so reinhängen, sind sie jeden Cent wert.

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