Mittwoch, März 12

Würmer, Angst und Umweltbedenken: Der Kanton Zürich macht einen Schritt in Richtung «Reerdigung».

Wenn Politiker über Würmer sprechen, die durch Leichname kriechen. Über zerfallene Körper, die als Blumenerde im Balkontopf landen. Oder über die Umweltverträglichkeit kompostierter Menschen: Dann ist man entweder in einem schlechten Horrorfilm. Oder im Zürcher Kantonsparlament.

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Dort wurde am Montag ein Thema diskutiert, das komplexer kaum sein könnte: die Frage nämlich, ob man selbst bestimmen darf, was nach dem Tod mit dem eigenen Körper geschieht.

Die sogenannte «Reerdigung» war das Thema, eine neuartige Bestattungsform, bei der der Körper erst in einer Art Kokon kompostiert und danach beigesetzt wird. Soll diese, neben Erdbestattung und Kremation, als dritte Bestattungsform legalisiert werden?

Ein Bürger – 76, Mitglied der Senioren-GLP – hatte diese Frage in einer Einzelinitiative aufgeworfen. Und löste damit im Parlament eine Debatte aus, die zuweilen skurrile Züge annahm und doch auch sehr menschlich war in ihrem Ringen darum, auf etwas so Intimes wie den Abschied von Verstorbenen eine passende Antwort zu finden.

«Ethischer, als Blumentopferde weiterzubestehen»

«Die Vorstellung, in der kalten Erde zu liegen, macht mir Angst», bekannte Judith Stofer (AL). «Ich will auch nicht bei tausend Grad verbrannt werden.» Und Brigitte Röösli (SP) sagte: «Die Würmer stören mich, wenn ich an meine Erdbestattung denke.»

Die Idee hinter der «Reerdigung» möge irritieren. Doch dürfe man nicht vergessen, dass schon bei der Einführung der Kremation die Bedenken gross gewesen seien. Heute aber sei sie die häufigste Bestattungsform.

Wenn es nun den Wunsch nach einer neuen Bestattungsform gebe, solle man ihn auch gewähren.

Ueli Bamert (SVP) sah das anders. «Niemand will riskieren, in der Blumenerde Überreste von Verstorbenen zu haben. Auch im öffentlichen Blumenbeet will man sie nicht haben», sagte er. Die Vorstellung, Leichname zu kompostieren, erscheine ihm unethisch. Ausserdem müsse man an die Umweltbelastung denken, die durch im Körper zurückgebliebene Schadstoffe anfallen könne.

Daraufhin die SP-Politikerin Röösli: «Wenn ich daran denke, dass ich meinen Körper auch bei der ‹Körperwelten›-Schau ausstellen darf, ausgehöhlt und mit Plastilin gefüllt, ist es wohl ethischer, wenn ich als Blumentopferde weiterbestehe.»

Die Umweltfrage

Das sei ausserdem ökologisch, gab Benjamin Krähenmann (Grüne) zu bedenken. «Aus dem Körper wird Komposterde, die neues Leben nährt, statt der Umwelt die Nährstoffe zu entziehen.»

Tamara Fakhreddine (FDP) argumentierte schliesslich, es sei liberal und wünschenswert, Bestattungsformen weiterzuentwickeln. Tatsächlich müsse der Kompost aber auf seine Umweltverträglichkeit hin geprüft werden. Ihr Votum hatte die Politikerin wie folgt begonnen: «Zu meiner Interessenbindung: Ich bin Mensch, sterblich und habe mich mit meinem Ende auseinandergesetzt.»

Das hatten offensichtlich viele im Parlament. Zwei Fraktionen – die religiös geprägten von EVP und Mitte – hatten intern derart unterschiedliche Haltungen, dass sie gar Stimmfreigabe beschlossen.

Mit SP, FDP, GLP, Grünen und AL hatte die Idee der «Reerdigung» eine komfortable Mehrheit im Rat. Mit 101 Stimmen wurde die Initiative der Regierung zur Prüfung und allfälligen Umsetzung übermittelt. Eine Öffnung der Zürcher Beerdigungspraxis erscheint damit wahrscheinlich.

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