Der britische Rechtsaussenpolitiker sagt im Wahlkampf vor den Unterhauswahlen lieber, was er alles nicht will und was abgeschafft werden soll. Dabei legt er sich im traditionsverliebten England sogar mit dem National Trust an.

Viel Konkretes zur Kultur gibt es von ihm nicht – kein Wunder, denn damit ist kaum massenwirksam Werbung zu machen. Lieber steht Nigel Farage in Pubs und lässt sich dort mit einem Pint Bier fotografieren, als dass er über Kulturförderung nachdenken würde. Leidenschaftlich äussert sich die von ihm geführte Reform-Partei hingegen auf ihrer Website über Immigration, Wirtschaftsthemen, das nationale Gesundheitssystem NHS und den Brexit natürlich, zu dessen Fürsprechern und Ermöglichern Farage gehörte.

Kulturelle Themen interessieren ihn vor allem, wenn er sie mit patriotischen Anliegen verknüpfen kann. Wobei die Trennlinie zwischen Patriotismus und Nationalismus im Fall von Farage kaum mehr klar zu ziehen ist. Was für ihn und seine Partei zählt, ist die «Aufrechterhaltung britischer Kultur, Identität und britischer Werte». Insgesamt enthalten seine im weitesten Sinne kulturpolitischen Pläne wenig Konstruktives – dafür aber einen Katalog mit geplanten Abschaffungen.

Klare Feindbilder

Erwartungsgemäss verabscheut Farage die Diversität, wie sie sich im Gleichstellungsgesetz von 2010 zeige, das seiner Meinung nach Diskriminierung im Namen von «positiven Massnahmen» verlange. Abschaffen will er «Vorschriften zu Vielfalt, Gleichstellung und Eingliederung, die Standards und die wirtschaftliche Produktivität gesenkt haben». Er plant eine Gesetzgebung zur «Unterbindung linker Voreingenommenheit und politisch korrekter Ideologie, die persönliche Freiheit und Demokratie bedroht». Verbieten möchte er auch die Cancel-Kultur und «linke Hassmobs», das Gendern sowieso. Etwas unvermittelt heisst es dann noch: «Stoppt die Anwendung der Scharia im Vereinigten Königreich».

Wie die Reform-Partei sich dies genau vorstellt, ist nicht zu lesen. Stattdessen hat sie klare Feindbilder identifiziert. Farage sieht rot, wenn er an die «unangepasste, verschwenderische BBC» denkt, die er für institutionell parteiisch hält. Die TV-Lizenz müsse weg: «In einer Welt des Fernsehens auf Abruf sollten die Menschen die freie Wahl haben», schreibt die Reform-Partei, als wären die Briten vor ihren Fernsehern gefesselt und zur Dauersichtung von BBC-Programmen gezwungen.

Kultur – das ist für Farage vor allem eine Frage der ideologischen Grundhaltung. Die Förderung von Film, Theater, Literatur, Musik und Museen wird nicht einmal erwähnt. Da wird es vielleicht zu kompliziert für Slogans.

Hassobjekt National Trust

Grosse Ansagen lassen sich schon eher machen, wenn es um Schulen geht mit ihrem gesinnungsformenden Potenzial. Für sie fordert Nigel Farage ein «patriotisches» Curriculum. Die Universitäten sollen mit Bussgeldern und Etatkürzungen bestraft werden, wenn sie Zeichen politischer Voreingenommenheit erkennen lassen oder die freie Meinungsäusserung unterbinden. Wobei für den Politiker kein Widerspruch besteht zwischen der Forderung nach einer strikt patriotischen Erziehung und dem Aufruf zur freien Meinungsäusserung.

Auch die im traditionsverliebten England so wichtige Denkmalpflege bewegt den «Vater des Brexits». Sein Hassobjekt ist die Denkmalpflegevereinigung National Trust, mit 5,37 Millionen Mitgliedern die grösste Wohltätigkeitsorganisation des Landes. Der National Trust gilt als viertgrösster Landeigentümer des Königreichs und ist nicht nur einflussreich in Umwelt- und Naturschutzfragen, sondern auch in Bereichen, die die Deutungshoheit über die Vergangenheit betreffen. Kürzlich hat die Organisation die Verwicklung ihrer historischen Güter in Sklaverei und Kolonialismus untersucht. Farage ist der National Trust, wie er in einer Sendung des rechten Kanals GB News sagte, «zu woke, zu politisch korrekt», er habe seinen ursprünglichen Zweck aus den Augen verloren. Worin der seiner Meinung nach lag, behielt er für sich.

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