Ein Kaffee-Forscher erklärt, welche Vorteile das Getränk hat und wie man es am besten geniessen sollte.
Leserfrage: Welchen Einfluss hat Kaffee auf unsere Gesundheit?
Professor Chahan Yeretzian trinkt gerne Kaffee, sechs bis acht Tassen am Tag dürfen es schon sein. Damit liegt der Leiter des Kompetenzzentrums für Kaffee an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) deutlich über dem Durchschnittskonsum der Schweizer mit drei Tassen täglich.
«Morgens trinke ich gerne Espresso, später dann handgebrühten Filterkaffee», sagt der Chemiker. Bei vielen schrillen da die Alarmglocken. Setzen solche Mengen Koffein nicht dem Herzen zu? Treiben den Blutdruck in die Höhe? Rauben den Schlaf? Yeretzian winkt ab: «Mir geht es gut, schliesslich ist Kaffee sehr gesund.»
Tatsächlich gilt in der Wissenschaft längst als überholt, was sich hartnäckig in vielen Köpfen hält: dass Kaffee ungesund sei. Das Gegenteil ist der Fall. Grosse internationale Studien zeigen, dass Kaffee vor Krankheiten schützen kann.
Etliche positive Auswirkungen auf die Gesundheit
So senkt langfristiger Kaffeekonsum zum Beispiel das Risiko, neurodegenerative Krankheiten zu entwickeln, etwa Parkinson. Auch vor Diabetes Typ 2, Leberzirrhose, Asthma und Depressionen kann Kaffee schützen.
Während frühere Studien Hinweise darauf lieferten, dass Kaffeekonsum das Krebsrisiko, etwa für Blasen- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs, erhöhen könne, gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) diesbezüglich Entwarnung. Die Internationale Krebsforschungsagentur der WHO hat dafür die Daten von über tausend Beobachtungsstudien und Experimenten ausgewertet – und konnte kein erhöhtes Krebsrisiko durch Kaffee feststellen. In früheren Studien war der Einfluss von Zigarettenkonsum unterschätzt worden, was zu einer falschen Einschätzung führte.
Manche Organe scheint Kaffee sogar vor Krebs zu schützen, etwa Haut, Gebärmutter und Leber. Nur zu heiss sollte man ihn nicht trinken: Temperaturen über 65 Grad schaden der Speiseröhre und können das Krebsrisiko dort tatsächlich erhöhen – das gilt allerdings nicht nur für Kaffee, sondern auch für Tee und andere Heissgetränke.
Auch für das Herz-Kreislauf-System ist Kaffee entgegen weit verbreiteter Annahmen nicht schädlich. Zwar erhöht Koffein kurzfristig den Blutdruck, doch selbst die Deutsche Herzstiftung beruhigt: Nach kurzer Zeit gewöhnt sich der Körper daran. «Wer allerdings bereits unter zu hohem Blutdruck oder Herzrhythmusstörungen leidet, sollte sicherheitshalber auf entkoffeinierten Kaffee ausweichen», sagt Yeretzian.
Denn Koffein ist zwar der bekannteste Bestandteil von Kaffee, aber längst nicht der einzige: 800 bis 1000 Inhaltsstoffe stecken in einer Kaffeebohne, etwa 75 Prozent davon sind entschlüsselt. «Gesundheitlich besonders relevant sind Antioxidantien wie Polyphenole», sagt Yeretzian. Das sind Pflanzenstoffe, welche die Körperzellen vor Schäden durch freie Radikale bewahren. Kaffee enthält vergleichsweise viele Antioxidantien. Das ist freilich keine Aufforderung, den Konsum hochzuschrauben.
Wer es mit Kaffee übertreibt, riskiert Kopfschmerzen, Nervosität, Zittern und Schlafstörungen – übrigens die gleichen Symptome, die bei Kaffeetrinkern auftreten, wenn sie auf Koffeinentzug sind.
Gesunde Erwachsene können laut dem deutschen Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft über den Tag verteilt 400 Milligramm Koffein zu sich nehmen, das entspricht vier bis fünf Tassen Kaffee. Bei Schwangeren und Stillenden sollten es nicht mehr als 200 Milliliter Koffein pro Tag sein. Der Kaffee-Forscher Yeretzian sagt: «Die meisten Menschen vertragen etwa drei Tassen am Tag gut.»
Die Verträglichkeit hängt etwa davon ab, ob Koffein enthalten ist oder nicht – wobei die gesundheitsförderlichen Wirkungen auch bei entkoffeiniertem Kaffee nachgewiesen sind. Auch die Zubereitungsart macht einen Unterschied, als besonders gesund und verträglich gilt hell gerösteter Filterkaffee.
Vorsicht ist hingegen bei Milch und Zucker angesagt, die Kaffee schnell zur Kalorienbombe machen: «Manches, was als Kaffee verkauft wird, würde ich eher als Sahnemischgetränk mit Kaffeearoma bezeichnen», sagt Yeretzian warnend. Ein Schluck Milch sei in Ordnung, weil die cremige Konsistenz den Genuss erhöht und saure oder bittere Noten gedämpft werden. Am gesündesten aber ist Kaffee schwarz.
Dass dem Getränk allen Studien zum Trotz noch immer ein so schlechter Ruf anhaftet, führen Fachleute vor allem auf historische Gründe zurück: Einst konkurrierte Kaffee als Kolonialprodukt mit lokalen Produkten und wurde von der Kirche als Getränk des Orients verteufelt. Zeitweise war Kaffee in der Schweiz sogar verboten. Zudem gilt das Getränk heute nicht unbedingt als Inbegriff einer entspannten Lebensweise, sondern eher als Funktionsdroge für den Alltag. Das aber lässt sich ändern, indem man ihn vor allem als eines sieht: «Einen gesunden Genuss.»
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