Freitag, November 15

Das brisante Fussball-Länderspiel ging ohne grössere Zwischenfälle über die Bühne – dank Frankreichs Erfahrung in der Terrorbekämpfung und einem enormen Polizeiaufgebot.

Wer am Donnerstagabend zum Stade de France ging, wähnte sich in einem Kriegsgebiet. Zahlreiche Polizisten mit kugelsicheren Westen und Maschinenpistolen säumten den Weg von der gleichnamigen Metrostation hin zu Frankreichs grösster Sportarena. Spezialeinheiten rasten auf Motorrädern vorbei, Helikopter kreisten, sogar Reiterstaffeln patrouillierten. Für das Nations-League-Duell zwischen der französischen und der israelischen Nationalmannschaft hatte Paris wie versprochen ein massives Sicherheitsaufgebot in Stellung gebracht.

Drohnen, Verkehrssperren, Personenkontrollen

Dass die Équipe Tricolore und die Blau-Weissen aus Israel ausgerechnet hier, in der Banlieue Saint-Denis, gegeneinander antraten, hatte sich der französische Innenminister Bruno Retailleau so gewünscht. Die berüchtigte Vorstadt ist arm, stark migrantisch und muslimisch geprägt. Sie ist zudem eine Hochburg der linken Partei La France insoumise. Und diese hatte schon während der Olympischen Spiele gegen die Anwesenheit israelischer Sportler protestiert. Die Frage war also: Wollte man die israelischen Fussballer und ihre Fans wirklich hier empfangen oder nicht lieber im Stadion Parc des Princes im bürgerlichen Südwesten von Paris?

Retailleau entschied sich dagegen, weil man vor Antisemitismus und Gewaltandrohungen, wie er sagte, nicht einknicken dürfe. Was in den Niederlanden eine Woche zuvor passiert war, sollte sich in Frankreich nicht wiederholen. Maccabi-Tel-Aviv-Ultras und Ajax-Amsterdam-Fans waren dort aneinandergeraten, am Ende wurden israelische Besucher regelrecht durch die Strassen gejagt und verprügelt. Die Devise für Paris lautete, dementsprechend aufzurüsten. Und so setzte die Stadt Drohnen zur Überwachung ein, sperrte Strassen, führte Personenkontrollen im öffentlichen Nahverkehr durch und mobilisierte rund 4000 Polizisten sowie 1600 private Sicherheitskräfte. Auch im Zentrum der Stadt, unweit des jüdischen Quartiers Marais, standen die Mannschaftsbusse.

Angesichts der explosiven Lage kamen nur 16 611 Zuschauer, unter ihnen rund 600 israelische Fans, ins Stade de France, das immerhin Platz für 80 000 Zuschauer bietet. Ein trauriger Rekord; noch nie hatte ein Spiel der französischen Nationalmannschaft so wenig Besucher angelockt. «Was für ein Luxus, ein Polizist für vier Zuschauer», scherzte ein Fernsehjournalist. Gespenstisch leer war auch die Umgebung des Stadions, wo sonst Trikots, Getränke und Fast Food verkauft werden, wo den Händlern dieses Mal aber befohlen wurde, ihre Läden zu schliessen.

Nur vereinzelter Protest

Kurz nach Anpfiff kam es zu einem Handgemenge auf der Tribüne zwischen israelischen und französischen Fans. Aber der Spuk dauerte keine zwei Minuten, da gingen schon Ordner dazwischen. Es sollte der einzige Zwischenfall bei diesem «Hochrisiko-Event» bleiben, der mit einem für Frankreich enttäuschenden 0:0 endete. Nach dem Spiel reisten die Israeli mit eigens angeheuerten und von der Polizei eskortierten Bussen ab. «Das ist sehr gut verlaufen. Wir hatten mehr Mittel als bei Olympia», zitiert «Le Parisien» einen Beamten.

Auch eine propalästinensische Kundgebung in Saint-Denis blieb friedlich. Aufgerufen dazu hatte ein «Kollektiv gegen koloniale Unterdrückung und imperialistische Kriege», ihr Motto lautete: «Wir spielen nicht mit Völkermord.» Vor einigen hundert Demonstranten hatte der linke Politiker Éric Coquerel die Präsenz des französischen Präsidenten Emmanuel Macron und des Premierministers Michel Barnier im Stade de France angeprangert. Frankreich schaue nicht hin, wenn ein Genozid stattfinde, aber es schaue sich ein «zweitklassiges» Fussballspiel an, wetterte Coquerel. Nach der Kundgebung wurden die wenigen Teilnehmer, die versuchten, zum Stadion weiterzuziehen, von der Polizei gestoppt.

In Paris hat man Erfahrungen mit Terroranschlägen und Krawallen, wahrscheinlich erzielte das enorme Sicherheitsaufgebot tatsächlich die erhoffte abschreckende Wirkung. Möglicherweise hatte die Stadt aber auch einfach Glück. Willkommen fühlen durfte sich Israel definitiv nicht.

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