Donnerstag, Oktober 3

Nach mehreren Todesfällen geriet der schwedische Batteriehersteller zuerst in die Negativschlagzeilen und dann in finanzielle Probleme. Die Zukunft des Unternehmens ist ungewiss.

Geldprobleme, Entlassungen, Todesfälle – und jetzt auch noch eine Strafanzeige. So lassen sich die letzten Wochen des schwedischen Batterieherstellers Northvolt zusammenfassen. Das einstige Vorzeigeunternehmen, das Europa aus der Abhängigkeit von China befreien sollte, ist in eine Krise geraten, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Ende September erteilte Northvolt 1600 Kündigungen, ein Teil der Fabrik in Skelleftea, die eigentlich ausgebaut werden sollte, wird geschlossen.

Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, braucht Northvolt dringend Geld – 50 Milliarden schwedische Kronen (4 Milliarden Franken). Verhandlungen mit 23 Banken und anderen Finanzinstituten blieben laut der schwedischen Zeitung «Svenska Dagbladet» bisher ergebnislos, weil Northvolt die Kreditbedingungen nicht erfüllt. Ein kleinerer Eigentümer des Unternehmens, der anonym bleiben möchte, sagt gegenüber der Zeitung: «Es bleibt nicht unendlich viel Zeit. Alles ist gerade in der Schwebe.»

Wie konnte es so weit kommen? Über einen Niedergang in drei Akten.

Die Todesfälle

Die Krise beginnt im November 2023, als in der Batteriefabrik in Skelleftea eine Maschine explodiert. Ein 25-jähriger Mann wird schwer verletzt ins Spital eingeliefert. Wenige Wochen später ist er tot. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen schwerer fahrlässiger Tötung gegen Northvolt.

Der Unfall ereignete sich, als die Maschine gereinigt wurde. Der verstorbene Mann soll keine ausreichende Schutzkleidung getragen haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft weist die Risikoanalyse von Northvolt Mängel auf. Mitarbeitende wurden bereits angehört, in den kommenden Wochen wird das Verhör der Verantwortlichen des Unternehmens folgen, wie Ende September bekanntwurde.

Und das ist nicht der einzige Todesfall. Bei Northvolt kam es zu mehreren schweren Unfällen mit teilweise tödlichen Folgen, so dass kaum von einem Zufall gesprochen werden kann. Allein zwischen Januar und Juli dieses Jahren starben drei Mitarbeiter auf unerklärliche Weise nach ihrer Schicht in der Fabrik.

Die Zeitung «Dagens Nyheter» veröffentlichte Anfang Juli eine Recherche. Darin geht es um weitere Todesfälle, um abgetrennte Körperteile und um Explosionen. Die Arbeitsaufsichtsbehörde soll mehrfach schwerwiegende Mängel festgestellt haben. Welche Schuld Northvolt an den Unfällen trägt, ist derzeit Gegenstand von Ermittlungen.

Die Qualitätsmängel

Als wären die Todesfälle nicht genug, hat Northvolt noch ein anderes grosses Problem: Die Qualität der Batterien stimmt nicht. Das Unternehmen produziert Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos. Ein wichtiger Teil der Batterie ist die sogenannte Kathode – ein chemisches Gemisch aus Nickel, Mangan, Kobalt und Lithium. Die Kathode ist die teuerste Komponente der Batteriezelle, und Northvolt wollte sie selbst herstellen – ein Risiko, denn andere grosse Batteriehersteller kaufen die Kathoden von darauf spezialisierten Unternehmen.

Während die Konkurrenz die Produktion gesteigert hat, bekundete Northvolt Mühe damit, genügend Kathodenmaterial von ausreichend hoher Qualität herzustellen. Um die Batterien schneller an den Kunden zu bringen, sollen laut dem «Svenska Dagbladet» Tests übersprungen worden sein. Doch auch das reichte nicht, um den versprochenen Zeitplan einzuhalten.

Im Juni stornierte BMW einen Milliardenauftrag, weil Northvolt mit der Lieferung zwei Jahre im Rückstand lag und zu viel minderwertige Batterien produzierte. Das Unternehmen musste zurückrudern und kauft nun Kathoden bei einem chinesischen Lieferanten ein.

Auch viele der benutzten Maschinen stammen aus China – auch sie sind minderwertig. Das stellt nicht nur ein praktisches Problem dar, sondern schadet auch Northvolts Image. Das Unternehmen hat sich stets als «grün» vermarktet und damit geworben, eine Alternative zu den chinesischen Batterieherstellern zu sein. Vor diesem Hintergrund hat Deutschland das Unternehmen mit 900 Millionen Euro subventioniert. Die gesamte Wertschöpfungskette sollte unabhängig von China sein. Von dieser Vision ist nicht mehr viel übrig.

Die Finanzprobleme

Der grösste Eigentümer von Northvolt ist Volkswagen, und der Automobilriese steckt gerade selbst in einer Krise. Laut dem Wirtschaftsmagazin «Affärsvärlden» hat Northvolt bisher Kredite und Direktfinanzierungen im Wert von 120 Milliarden schwedischen Kronen (10 Milliarden Franken) aufgenommen. Weitere 50 Milliarden Kronen werden unter anderem für den Ausbau der Kathodenproduktion benötigt. Weiter soll mit dem Darlehen ein Schuldenpaket in Höhe von 1,6 Milliarden Dollar aus dem Jahr 2020 refinanziert werden.

Das Unternehmen hat bereits 1600 Mitarbeiter entlassen, doch das wird kaum helfen, die Ausgaben schnell genug zu senken. Ins Gewicht fallen die Steuern, die jeweils Anfang Monat zu bezahlen sind. Ende Monat folgen die Gehälter. Um Geld zu verdienen, müsste Northvolt dringend mehr Batterien verkaufen, doch laut dem «Svenska Dagbladet» hat es nur 5 Prozent der geplanten Produktion erreicht.

Das Schicksal des Unternehmens bereitet inzwischen auch Politikern Sorge. Die Stimmen, die staatliche Garantien für Northvolt fordern, werden lauter. Denn wenn Northvolt in Konkurs geht, wird China seinen Einfluss im europäischen Batteriemarkt ausbauen. Das hätte nicht nur Folgen für den Hauptstandort Skelleftea oder für den Wirtschaftsstandort Schweden, sondern auch geopolitische Konsequenzen.

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