Donnerstag, Oktober 3

Der Schweizer Pharmariese beeindruckt mit einem starken ersten Quartal. Vor allem die steigende Rentabilität zeigt, dass die in den letzten Jahren vollzogene Transformation langsam Früchte trägt.

Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

Mit Schweizer Pharmaaktien war in den vergangenen Jahren wenig zu holen. Während das gegenwärtige Hype-Thema Fettleibigkeit bei Pharmagrössen wie Eli Lilly und Novo Nordisk sowohl die Gewinne als auch die Aktienkurse in die Höhe schnellen liess, laufen die hiesigen grossen Player Roche und Novartis unter ferner liefen. Vor allem Roche hinkt seit einigen Jahren an der Börse deutlich hinterher – gegenüber ihrem Hoch vor zwei Jahren haben die Valoren mehr als 40% eingebüsst.

Im allgemeinen Hype um die Abnehmspritzen und dem fast schon dramatischen Kursverfall der Roche-Valoren ging zuletzt etwas unter, dass Novartis durchaus Fortschritte in ihrer Transformation von einem diversifizierten Healthcare-Konglomerat hin zu einer fokussierten Pharmafirma gemacht hat. Diese strategische Konzentration schlägt sich – lange genug hat es gedauert – endlich auch in den Geschäftszahlen nieder.

Novartis überrascht erneut

Bereits im vergangenen Jahr schaffte es Novartis regelmässig bei der Vorlage der Quartalszahlen die Markterwartungen zu schlagen; ganze drei Mal erhöhte der Konzern die Jahresvorgaben. Die Erwartungen waren am Ende derart hoch, dass die Börse Anfang Jahr verschnupft darauf reagierte, dass Novartis die Erwartungen nur leicht übertreffen konnte.

Dass die Börse zuletzt meist mit höheren Ausschlägen auf die Quartalszahlen reagierte – positiv wie negativ –, zeigt mir, dass der Markt noch immer nicht genau weiss, woran er bei Novartis ist. Selbst Analysten sagen im Gespräch immer wieder, es falle ihnen bei Novartis schwerer als anderswo, zu wissen, wohin die Reise des Konzerns genau gehen soll.

Dass der Kurs der Novartisaktien auf die heute Dienstag vorgelegten Zahlen für das erste Quartal mit Avancen von rund 5% reagiert, passt gut ins derzeitige Schema. Doch die Resultate lassen sich in der Tat sehen. Dabei überzeugt mich vor allem, dass neben dem Umsatz – dieser erhöhte sich in den ersten drei Monaten um 10% auf knapp 12 Mrd. $, was die Markterwartungen klar übertraf – vor allem der Kernbetriebsgewinn um 16% auf 4,5 Mrd. $ unerwartet deutlich gesteigert wurde. Der Gewinn je Aktie (EPS) lag entsprechend mit 1.80 $ deutlich über dem Konsens (1.69 $).

Massnahmen beginnen zu wirken

Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang zu sein, was Matthew Weston, Analyst von UBS, in einem ersten Kommentar zu den Quartalszahlen festhält. «Wir können in der Zahlenvorlage keine Einmaleffekte für die Outperformance ausmachen.» Tatsächlich erklären sich die besser als erwartet ausgefallenen Zahlen in erster Linie durch eine gesunde Dynamik im Geschäft mit wichtigen Medikamenten wie Entresto (Herzmittel), Cosentyx (Schuppenflechte), Kesimpta (Multiple Sklerose) und Leqvio (Cholesterinsenker). Insgesamt belief sich das Volumenwachstum auf gute 14%.

Fast noch erfreulicher ist die Outperformance in der Margenentwicklung. Die Kern-Ebit-Marge hat sich im Jahresvergleich von 36,2% auf 38,4% verbessert. Der Konsens lag gemäss dem US-Brokerhaus Stifel bei 36,9%. Dies zeigt auch, dass die in den letzten Jahren durch die Reorganisation verbesserte Kostenstruktur langsam Früchte trägt. Novartis ist immer noch dabei, ihre Belegschaft zu reduzieren.

Dem Markt dürfte ebenfalls gefallen haben, dass Novartis im laufenden Geschäftsjahr mit einem Drittel weniger Einbussen durch Generika rechnet. Neu sollen sie sich nur noch auf 2 Mrd. $ belaufen. Hauptverantwortlich dafür ist, dass im laufenden Jahr für Promacta (Blutarmut-Medikament) doch noch kein Generikum auf dem Markt kommen soll.

Prognose deutlich angehoben

Aufgrund der guten Quartalszahlen erhöht Novartis entsprechend die Prognose für das laufende Geschäftsjahr – und zwar deutlich. Für 2024 rechnet der Konzern neu mit einem:

  • Umsatzwachstum im hohen einstelligen bis zweistelligen Prozentbereich (vorher: mittlerer einstelliger Prozentbereich)
  • Wachstum des operativen Kern-Ebits im niedrigen zweistelligen Prozentbereich bis mittleren Zehnerbereich (vorher: hoher einstelliger Prozentbereich)

Finanzchef Harry Kirsch teilte während der Analystenkonferenz mit, dass die erhöhte Prognose zu einem Drittel auf den weniger starken Wettbewerb durch Generika und zu zwei Drittel auf die starke Geschäftsdynamik zurückzuführen sei.

Novartis beweist mit den heute vorgelegten Quartalszahlen abermals, dass ihr Geschäft dynamisch wächst. Die Analysten von der Bank of America gehen davon aus, dass sich die Gewinnprognosen für 2024 um bis zu 5% erhöhen dürften – je nachdem, ob man sich an der unteren oder oberen Spanne des Ausblicks orientiert.

Die heutige Kursreaktion könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Börse die Investment-Story eines fokussierten Pharmakonzerns – der sich nach der Abspaltung der Augenheilsparte Alcon und der Generikatochter Sandoz auf therapeutische Kernbereiche mit attraktiven Wachstumsaussichten konzentriert – zunehmend abkauft. Die starke Dynamik sowohl beim Umsatz als auch bei der Rentabilität könnte ein Vorgeschmack sein, was in den nächsten Quartalen noch kommt.

Freundlich grüsst im Namen von Mr Market

Henning Hölder

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