Zahlreiche amerikanische Firmen haben nach der Wahl Trumps ihre Diversitätsprogramme zurückgefahren. Europäische Unternehmen halten daran fest – aber die ersten werden vorsichtiger.
«Vielfalt, Gleichberechtigung und Einbeziehung (Diversity, Equity & Inclusion, DEI) sind ein wesentlicher Bestandteil der Novartis-Kultur und ein fester Bestandteil unserer Arbeit.»
Das war im November vergangenen Jahres auf der US-amerikanischen Karriereseite von Novartis zu lesen. DEI gehöre zum Unternehmen, so der Schweizer Pharmakonzern, und zwar nicht nur, weil es dem Geschäft helfe, sondern «weil es das Richtige ist».
Inzwischen ist diese Seite online nicht mehr zu finden. Auf der internationalen Webseite und auch auf der Schweizer Karriereseite spricht die Firma zwar noch über ihr Bekenntnis zu mehr Diversität. Diejenigen, die eine Stelle bei einer Niederlassung in den USA suchen, werden darüber aber nicht mehr informiert.
Trump will den «Woke-Kapitalismus» beenden
Novartis schreibt auf Anfrage, man aktualisiere kontinuierlich die firmeneigenen Webseiten, «um sicherzustellen, dass diese die Arbeit, die Kultur und Werte von Novartis korrekt widerspiegeln». Der Grund, weshalb man diese Änderung in den USA für nötig erachtete, dürfte klar sein: Donald Trump.
Der neue Präsident der USA ist zwar erst seit wenigen Wochen im Amt. Doch er hat von Beginn an klar gemacht, dass er von Bemühungen um mehr Diversität und Inklusion in Unternehmen nichts hält. Noch am Tag seiner Amtseinführung unterzeichnete er einen Erlass, der es amerikanischen Behörden untersagt, entsprechende Programme zu unterhalten. Weiter hob er zahlreiche von seinen Vorgängern verfügte Massnahmen auf, darunter eine Verordnung des ehemaligen Präsidenten Lyndon B. Johnson, die es staatlichen Auftragnehmern verbietet, bei Anstellungen diskriminierende Praktiken anzuwenden.
DEI (oder, um den Aspekt der Accessibility ergänzt, DEIA) ist für Donald Trump ein Schimpfwort. Mit seiner Präsidentschaft läutete er das Ende des «Woke-Kapitalismus» ein – und zahlreiche Firmen zogen mit.
US-Firmen geben Diversitätsprogramme auf
Als eines der ersten Unternehmen kündigte der Facebook-Mutterkonzern Meta an, sein Programm für Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion abzuschaffen. Es werde für dieses Thema künftig kein eigenes Team mehr geben, so das Unternehmen, auch Einstellungspraktiken würden angepasst.
Auch Google gab sein Ziel auf, mehr Mitarbeiter aus unterrepräsentierten Gruppen einzustellen, und kündigte an, einige DEI-Initiativen zu überprüfen. Mutterkonzern Alphabet strich in einem Bericht an die Börsenaufsicht einen Satz, der besagt, dass sich das Unternehmen «verpflichtet, Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion zu einem Teil unseres Handelns zu machen und eine Belegschaft aufzubauen, die repräsentativ für die Nutzer ist».
Unternehmen wie Amazon, die Einzelhandelsketten Target und Walmart oder McDonald’s kündigten ebenfalls die Beendigung einiger Programme an. So weit will Novartis nicht gehen: Das Unternehmen teilt mit, das «Engagement für unsere Programme und die Gewährleistung gleicher Chancen für alle unsere Mitarbeiter» bleibe unverändert und werde fortgesetzt.
Die Löschung der US-Webseite ist demnach vor allem ein symbolischer Schritt. Vielleicht hofft Novartis auch, sich so der Aufmerksamkeit von Aktivisten zu entziehen, die das Netz nach Unternehmen mit DEI-Initiativen durchforsten, um diese an den Pranger stellen zu können. So geschehen etwa beim Einzelhändler Tractor Supply, der nach Druck durch rechte Influencer vergangenen Sommer seine DEI-Programme einstellte.
Roche-Erbe stellt sich klar gegen Trump
Ähnlich handhabt es Aldi Süd. Der deutsche Einzelhändler hat laut einem Bericht des «Spiegel» ebenfalls Informationen über Diversitätsprogramme von seiner US-Karriereseite entfernt. Nun findet sich dort nur noch ein «Equal Opportunity Employer Statement» , in dem der Discounter seinen Bewerbern Chancengleichheit verspricht. Gegenüber dem «Spiegel» sagte Aldi, man setze sich für ein «inklusives Umfeld in allen Märkten» ein.
Novartis-Konkurrent Roche hat auf seinen Karriereseiten bisher keine Änderungen vorgenommen. Das Pharma-Unternehmen bezeichnet sich dort nach wie vor als «Equal Opportunity Employer», der jegliche Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion oder sexueller Orientierung verbiete. Roche-Besitzer André Hoffmann teilte kürzlich in einem Interview mit der «Financial Times» gegen Trump aus: «51 Prozent der Amerikaner glauben, dass ein korrupter alter Mann ihr Leben verbessern wird? Ich bin überzeugt, dass das nicht eintreffen wird.»
Laut Schätzungen von Analysten macht der US-Markt für Roche wie für Novartis gut 40 Prozent des Umsatzes mit Arzneimitteln aus. Im Fall von Roche kommen gewichtige Aktivitäten im Geschäft mit Diagnostikprodukten hinzu. Gleichzeitig zählen beide zu den grössten ausländischen Arbeitgebern im Land.
Rechtlich haben Unternehmen, die ihre Diversity-Programme weiterhin betreiben, in den USA nichts zu befürchten. Trumps Verordnungen betreffen nur staatliche Behörden. Novartis betont in seinem Statement, man halte sich an alle geltenden Gesetze. Doch der Wind in den USA hat gedreht – dem können sich auch Schweizer Unternehmen nicht entziehen.